Vampirtintenfische sehen zwar gespenstisch aus, das Verhalten der Tiefseebewohner ist aber wenig furchterregend.

Illu.: Carl Chun

Videoaufnahme von Vampyroteuthis infernalis.

EVNautilus

Kiel/Wien - Wer so einen Namen hat, braucht sich über schlechte Presse nicht zu wundern: Vampyroteuthis infernalis bedeutet wörtlich übersetzt nämlich nichts anderes als Vampirtintenfisch aus der Hölle. Ein Journalist der Zeitschrift Rolling Stone fand den Namen so furchterregend, dass er 2009 prompt Goldman Sachs mit den Tiefseebewohnern verglich.

Die Investmentbank lege sich wie ein großer Vampirtintenfisch über das Gesicht der Menschheit und sauge mittels Bluttrichter alles aus, was nach Geld riecht. Diesen anschaulichen Vergleich griffen etliche Kritiker von Goldman Sachs auf, und sogar bei Occupy Wall Street fanden sich einige Demoplakate, die Vampirtintenfische zeigten. Das Problem ist nur, dass daran alles falsch ist, was falsch sein kann.

Erstens messen die Tiere, die entfernt an einen Vampir-Umhang erinnern, kaum 30 Zentimeter, und zweitens sind sie im Hinblick auf ihre Fressgewohnheiten die harmlosesten aller Kopffüßer: Vampirtintenfische fressen nämlich keine lebenden Tiere, sondern ernähren sich von Meeresschnee: organischen Partikeln wie Zooplankton, die im Meer zu Boden sinken.

Oftmaliges Laichen

Zur Entschuldigung der Goldman-Sachs-Gegner sei allerdings an dieser Stelle hinzugefügt, dass die Fressgewohnheiten der Kopffüßer erst 2012 von Zoologen um Henk-Jan Hoving beschrieben wurden - und man auch sonst nur wenig über sie weiß. Der am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel tätige Hoving ist einer der führenden Vampyroteuthis-Experten und löst nun im Fachblatt "Current Biology" ein weiteres Rätsel um die 1903 erstmals beschriebenen Tiefseebewohner.

Nach dem Studium mehrerer weiblicher Exemplare im Naturkundemuseum von Santa Barbara kam er zum Schluss, dass sich auch das Reproduktionsverhalten dieser Tintenfischart von allen anderen Kopffüßern unterscheidet: Während andere Tintenfische nur einmal laichen und dabei alle Eier und Energie aufbrauchen, können die Vampirtintenfische womöglich über hundertmal. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 21.4.2015)