Der ehemalige Bundeskanzler Leopold Figl ist sieben von zehn jungen Österreicherinnen und Österreich noch ein Begriff, aber fast jedem Über-50-Jährigen.

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Welche gesellschaftlichen Gruppen waren es, die Anteil an der Wiedererrichtung der Republik Österreich hatten? Den Sozialdemokraten billigen immerhin 71 Prozent der Österreicher einen großen Anteil (und acht Prozent immerhin einen geringen Anteil) an der Republiksgründung 1945 zu, für die Volkspartei liegen die Werte bei 68 und sieben Prozent. Aber dass die Kommunisten an der Wiege der Republik gestanden sind, wird nur von neun Prozent als großer, von 30 Prozent als geringer Verdienst gesehen. Hier herrscht viel Unwissen.

Überprüft wurde das mit Fragen nach Parteien, die damals noch gar nicht existiert haben. So vermutet jeder hundertste Befragte einen hohen, zudem acht Prozent einen geringen Anteil der Grünen - die sich in Wahrheit erst 40 Jahre nach der Republiksgründung parlamentarisiert haben. Und bei den Freiheitlichen - die sich zunächst 1949 als Verband der Unabhängigen und erst 1955 als FPÖ konstituieren konnten - gehen sogar sieben Prozent von einem hohen und 21 Prozent von einem geringen Beitrag zur Republiksgründung aus.

Blaues und schwarzes Geschichtsbild weicht ab

Wobei das Geschichtsbild von Wählern der FPÖ, aber auch von Wählern der ÖVP in diesem Punkt deutlich von dem der übrigen Bevölkerung abweicht.

David Pfarrhofer vom Market-Institut, das für den STANDARD im März 419 repräsentativ ausgewählte Wahlberechtigte befragt hat, stellt vor allem bei den erklärten Anhängern der Freiheitlichen ein verschobenes Geschichtsbild fest: "Wir haben ja auch gefragt, ob Österreich nach 1945 aus eigener Kraft ein Wirtschaftswunder geschaffen habe. Diese Einschätzung wird überwiegend von Anhängern der FPÖ vertreten - und unter den Anhängern der FPÖ sind auch besonders viele, die die Ansicht ablehnen, dass Österreich von alliierten Truppen befreit worden wäre."

Das hänge allerdings nur teilweise mit bewusst revisionistischen Haltungen zusammen, die in rechten Kreisen verbreitet sein mögen, räumt Pfarrhofer ein: "Man muss auch sehen, dass besonders junge Befragte wenig über die Zeitgeschichte wissen - und diese Altersgruppe ist unter den FPÖ-Wählern eben überrepräsentiert." 81 Prozent der Menschen über 50, aber nur 58 Prozent der Menschen unter 30 können mit dem Bild der Befreiung Österreichs etwas anfangen.

Viel blankes Unwissen

Es sind auch diese jüngeren Befragten, die überdurchschnittlich stark an der These zweifeln, dass sich die Österreicher nach dem Krieg als gute Demokraten erwiesen hätten - oder an der Leistung, rasch Österreichs Unabhängigkeit zu erlangen. Unter den jüngeren Befragten geben viele blankes Unwissen über Nachkriegszeit und Wiederaufbau zu Protokoll.

Besonders deutlich wird dieses Unwissen, wenn man nach den Namen der Politiker fragt, die in der ersten Nachkriegszeit die gesellschaftliche Entwicklung geprägt haben.

Der zweimalige Republiksgründer Karl Renner ist auch neun von zehn jungen Befragten ein Begriff, der von Bundeskanzler Figl immerhin noch ungefähr sieben von zehn Jungen (aber fast jedem über 50). Wie aber steht es um den Kommunistenführer Johann Koplenig, immerhin einen der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung? 98 Prozent der Befragten unter 30 sagt Koplenig nicht einmal dem Namen nach etwas. Allerdings: Auch ÖGB-Präsident Johann Böhm ist weitgehend vergessen, sogar bei SPÖ-Wählern.

Gut, dass Deutschland verloren hat

In einem Punkt sind die jüngeren Befragten allerdings entschieden patriotischer als die älteren: Sie finden es überdurchschnittlich gut, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hat. Von den FPÖ-Wählern glaubt das nur etwa jeder Zweite. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 25.4.2015)