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Viele Verletzungen sind auf eine zu hohe Intensität beim Training zurückzuführen.

Foto: REUTERS/Kim Kyung-Hoon

Ein Samstagvormittag auf der Prater-Hauptallee: Eine ältere Dame joggt im Sonnenschein gemächlich hinter einem laufenden Vater mit Kinderwagen her. Sie werden von einer Athletin überholt, die gerade ihr Intervalltraining absolviert.

Der Laufsport boomt. Das zeigt nicht nur ein Ausflug auf die Lieblingslaufstrecke der Wiener, sondern auch ein Blick auf Marathon-Großveranstaltungen, wo sich immer mehr Hobbyathleten an Halbmarathon- oder gar Marathondistanzen versuchen. Kein Wunder: Laufen ist ein vergleichsweise günstiger Sport. Laufen kann man überall. Laufen kann fast jeder. Und es ist auch gesund, sind sich Experten einig.

Trotzdem zeigt ein Blick in diverse Laufforen: Irgendwo zwickt es schnell, besonders bei Anfängern. Viele klagen über Schmerzen in den Knien, andere haben Probleme mit der Hüfte. Sogar von Belastungsbrüchen und Bandscheibenvorfällen wird berichtet.

Besuch beim Sportarzt

"Zu einem hohen Prozentsatz sind die Leute selber schuld", urteilt Norbert Bachl vom Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport der Universität Wien. Laufen sei nämlich nicht verletzungsintensiver als andere Sportarten, wenn man gewisse Vorbedingungen beachte: etwa dass sich Menschen, die älter als 35 Jahre alt sind und die jahrelang keinen Sport gemacht haben, Übergewichtige und Menschen mit Stoffwechselerkrankungen von einem Sportmediziner durchchecken lassen, bevor sie die Laufschuhe anziehen.

"Laufen ist eine Sportart, die zwar nicht schädlich, aber eher belastend für den Bewegungsapparat ist", meint Robert Fritz von der Wiener Sportordination. Die häufigsten Überlastungen, mit denen Laufanfänger zu ihm kommen: das sogenannte Läuferknie, das zu Schmerzen an der Außenseite des Knies führt, muskuläre Probleme, die überall von der Hüfte bis zum Mittelfuß auftreten können, und Sehnenansatzentzündungen.

Zu hohe Intensität

Oft ist die Intensität der Läufe zu hoch. "In unseren Köpfen steckt immer der Gedanke, dass wir eine gewisse Leistung bringen wollen", sagt Fritz. "Wir wollen nicht langsam laufen. Wir wollen das Gefühl haben, dass das, was wir machen, nach Laufen ausschaut." Daher seien fast alle Hobbyläufer zu schnell unterwegs. Diese zu hohe Intensität sei weitaus problematischer als die Häufigkeit des Laufens: "Es spricht nichts dagegen, vier- oder fünfmal in der Woche zu laufen." Dafür sollte aber anfangs nur 30 bis 40 Minuten lang gelaufen werden.

Um die Intensität besser abschätzen zu lernen, empfehlen die Experten eine Pulsuhr. "Die meisten Menschen haben kein Gefühl für ihre Herzfrequenz", sagt Bachl. Fritz vergleicht die Pulsuhr mit einem Tacho: "Aber der bringt mir wenig, wenn ich nicht weiß, in welcher Herzfrequenz ich trainieren soll." Besonders den Unterschied zwischen einem lockeren und einem mittelintensiven Lauf würden viele Menschen nicht spüren. Zwar gibt es zahlreiche Formeln zur Berechnung der idealen Herzfrequenz, die individuellen Unterschiede sind aber groß. "Man darf sich aber auch nicht zum Abhängigen der Pulsuhr machen lassen", betont Bachl. "Das Wesentliche ist, dass man ein Gefühl für seinen Körper bekommt."

Klarheit über die richtige Intensität und den idealen Trainingsumfang kann eine Leistungsdiagnostik beim Sportmediziner bringen. Weitere Gründe für Probleme im Bewegungsapparat: die falschen Schuhe und die falsche Lauftechnik. Ein Trainer, der die richtige Technik vorzeigt, könne für Anfänger von Vorteil sein, sagt Bachl. Die Experten raten zudem zu einem ergänzenden Krafttraining, regelmäßigem Dehnen und Gleichgewichtsübungen, um Dysbalancen zu vermeiden.

Gute Alternativen

Laufanfängern rät Fritz dann zum Arztbesuch, wenn über längere Zeit an derselben Stelle Schmerzen auftreten oder diese schlimmer werden. "Aber wenn ich mit dem Laufen beginne, und es tut mal was weh, dann rate ich eher zu zwei Tagen Pause."

Wer länger aussetzen muss, der muss nicht ganz auf Sport verzichten, sondern kann nach Rücksprache mit dem Arzt auf alternative Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen umsteigen, sagt Fritz. So soll Demotivation vermieden werden. Und die Alternativen können durchaus positive Effekte haben: "Ich hatte schon Läufer, die sechs Wochen Rad fahren mussten, weil sie nicht laufen durften. Am Ende waren sie stärker als vorher, weil der Körper einen ganz anderen Reiz bekam."

Immer öfter werden die Sportmediziner von Hobbyathleten konsultiert. Viele trainieren konsequent mit einem Trainingsplan. Eine Professionalisierung, die wohl dem Zeitgeist entspricht: "Die meisten Leute denken in Kosten-Nutzen-Relation", sagt Bachl. "Wir haben immer weniger Zeit, die wir effektiv nutzen wollen", meint Fritz. "Und dabei sollte es uns gutgehen." (Franziska Zoidl, 22.5.2015)