Der "Flynn-Effekt", also die stetige Steigerung der gemessenen Intelligenz, hält zwar immer noch an. In den vergangenen Jahrzehnten wurde er allerdings immer schwächer.

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Wien - Intelligenztests sind alles andere als unumstritten. Denn der gängige Intelligenzquotient - normiert auf die durchschnittliche Soll-Leistung von 100 Punkten - basiert nur auf bestimmten Fähigkeiten. Viele Psychologen und Neurowissenschafter halten dieses Maß der Intelligenz für zu wenig differenziert, um das komplexe Phänomen wirklich zu erfassen. Zudem unterliegt der ermittelte IQ etwa in der Pubertät starken Schwankungen.

Nichtsdestotrotz gelten die in IQ-Tests erreichten Werte als Anhaltspunkt dafür, wie intelligent eine Person ist. Die Tests werden dabei ständig angepasst und verbessert. Außerdem haben sich die Ergebnisse im Laufe der Zeit stetig verbessert, wie die Psychologen Jakob Pietschnig und Martin Voracek von der Universität Wien in der Fachzeitschrift "Perspectives on Psychological Science" berichten:

Anhand der Daten von nahezu vier Millionen Personen aus 31 Ländern beobachteten sie Zuwächse von rund drei IQ-Punkten weltweit pro Jahrzehnt über einen Zeitraum von 1909 bis 2013. Diese Zuwächse zeigten sich sowohl für schlussfolgerndes Denken als auch - obwohl in geringerem Ausmaß - für Wissen.

Erklärung für den "Flynn-Effekt"

Die Wiener Forscher waren damit nicht die Ersten, die dieses Phänomen in einer sogenannten Metaanalyse beobachteten. Seit der ersten systematischen Beschreibung von IQ-Testleistungszuwächsen der Allgemeinbevölkerung in den USA vor mehr als 30 Jahren beschäftigt dieses Phänomen Intelligenzforscher weltweit. Die Ursachen und der Verlauf dieser mittlerweile als "Flynn-Effekt" bekannten Erscheinung sind unter Wissenschaftern freilich umstritten: Gemeinhin werden eine bessere Ernährung und eine bessere Bildung dafür verantwortlich gemacht.

Die Wiener Forscher haben eine etwas andere Erklärung: Die beobachteten IQ-Zuwächse scheinen nicht globale Zunahmen der kognitiven Leistungsfähigkeit darzustellen, sondern dürften Ausdruck von höherer Fähigkeitsspezialisierung und besseren Testbearbeitungsstrategien von TeilnehmerInnen sein. Zudem scheinen sich die Zuwächse nicht linear zu verhalten. Während des Zweiten Weltkriegs fielen sie etwa sehr gering aus. Und obwohl die Zuwächse noch anhalten, zeigen die Studienergebnisse eine massive Abnahme der IQ-Steigerungen in den letzten Jahrzehnten. (tasch, 1.6.2015)