Am Mittwochmorgen ist Berlin am Brandenburger Tor Hochsicherheitszone. Der Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten Abdelfatah al-Sisi beschert der Stadt Morgenstau durch Polizeigroßaufgebot und Demonstrationen. Davon bleibt auch das geschichtsträchtige Hotel Adlon nicht verschont. Wer durch die Sperren will, muss sich ausweisen. Drinnen steht bald mehr Security herum als Gäste. Al-Sisi, den sie draußen "Frauenmörder", "Diktator" und "Gesetzesbrecher" nennen, ist offenbar hier abgestiegen.

Im zweiten Stock merkt man davon nichts. Hier regiert nur ein Gesetz: das der Serie. Netflix lädt zu Interviews zu zwei Serienpremieren. Zum einen "Sense 8", Start diesen Freitag, zum anderen zur dritten Staffel von "Orange Is The New Black" ab 12. Juni.

Ein Quantum Physik

Mit großen Namen wartet die Mysteryserie "Sense 8" auf. Das Script stammt von Andy und Lana Wachowski ("The Matrix") sowie J. Michael Straczynski ("Babylon 5"). Unter den Regisseuren ist Tom Tykwer ("Cloud Atlas"). In einer Hauptrolle spielt Daryl Hannah ("Kill Bill Vol.2"), ebenfalls dabei ist der deutsche Schauspieler Max Riemelt ("Im Angesicht des Verbrechens").

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Die Geschichte lässt sich nicht ganz einfach erzählen. Sehr grob geht es um acht Personen in acht verschiedenen Städten, die quantenphysikalisch miteinander verbunden sind, untereinander Gedanken lesen und Gefühle übertragen können, sich gemeinsam gegen finstere Mächte wehren müssen

Verbunden verbunden

"Aufregend, unglaublich", findet Daryl Hannah die Show. "Ich bin wirklich verbunden mit dem in sich verbundenen System."

Foto: Netflix

"Ich mag meine Figur sehr", schlägt Riemelt in die selbe Kerbe."Weil ich als Deutscher in einer internationalen Produktion trotzdem nicht den Nazi spielen musste." Vom "good guy" ist Riemelt dennoch weit entfernt: Als Berliner Safeknacker ist er Mitglied eines finsteren Kartells und hat obendrein Schwierigkeiten mit seinem Vater. Zur Serie kam er über Tom Tykwer. "Er stellte mich den Wachowskis vor und sagte ihnen, er wolle mit mir drehen."

Gespannte Körper

Hannahs Charakter ist indifferent: Als "Angel" gibt sie die Richtung vor, eine Mutterfigur, die sich den bösen Mächten entgegenstellt und sich auch für sie opfert. Ihre Rolle empfand Hannah als "körperlich anstrengend". Und das obwohl sie absolut keine Actionszenen drehen musste. "Aber die Körperspannung war extrem hoch."

Cast groß wie "Game of Thrones"

"Sense 8" ist nicht die erste Mysteryserie des Jahres, wohl aber eine der ambitioniertesten. Gedreht wurde in Chicago, San Francisco, London, Berlin, Seoul, Reykjavik, Mexiko City, Nairobi und Mumbai. Der Cast ist groß wie in "Game of Thrones". In der Inszenierung gehen die Serienerfinder neue Wege: Nicht wie üblich einzelne Folgen haben je einen Regisseur, sondern jeweils ein Land.

Foto: Netflix

Dem Land der Regisseur

Die Wachowskis drehten in den USA, London und Island. James McTeigue ("Ninja Assassin") inszenierte in Mexiko City, Mumbai und Reykjavik. Dan Glass war in Seoul, Tom Tykwer führte Regie in Berlin und Nairobi.

Teil der Serie ist die Zusammenarbeit mit Clarion Alley Mural Project, ausgewählte Künstler sind in einzelnen Folgen vertreten. Und auch die fest vorgegebene Zahl an Episoden schlägt aus der Reihe. Straczynski plant fünf Staffeln, fix seien sie noch nicht, sagt Hill. Für gewöhnlich lässt sich ein Sender nicht darauf ein, sondern wartet den Erfolg ab.

Dichter als dicht

Der sollte sich einstellen können. Die Serie ist voll mit versteckten Hinweisen, verschlüsselten Botschaften, geheimen Verbindungen, wie das Freunde des Mysteriösen lieben. Wer sich darauf einlassen mag, wird auf seine Rechnung kommen. Wer nicht, mag sich von der Dichte an Unerklärlichem überfordert sehen.

Die ersten drei Folgen, die Netflix vorab zeigte, halten bei aller optischen Außergewöhnlichkeit kaum Ankerpunkte in der Geschichte bereit. So verstrickt präsentiert sich "Sense8", dass bisweilen nicht einmal die Schauspieler alles wissen durften: "Wir mussten für uns selbst herausfinden, worum es geht", sagt Riemelt. (Doris Priesching, 3.6.2015)