Fantastisches Aussehen, unglaubliche Leistung. Vom Auto ist die Rede.

Foto: guido gluschitsch

Der Mercedes AMG GT S ist ein tiefgründiger Kraftlackel.

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Im Ernstfall fragt er nicht lange um Erlaubnis.

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Auch Männer (oder Frauen in diesem Auto) sind nur Kinder, und so gibt es den Knopf, mit dem man die Auspuffrohre freiräumt, um die Umwelt etwas unmittelbarer am Röcheln, Grunzen, Schnauben und Brüllen des Achtzylinders teilhaben zu lassen. Für alle ein Erlebnis. Man tut es ohnedies höchst verschämt, und immer wird man ertappt: "Hast schon wieder den Knopf gedrückt?", fragt die Beifahrerin angesichts der Hälse, die sich am Straßenrand verrenken.

Die Frage ist allerdings eher rhetorischer Natur, denn es ist deutlich hörbar. Als Ausrede kann nur angeführt werden, dass man sich im Mercedes AMG GT S schlichtweg verpflichtet fühlt, dem Auditorium etwas zu bieten. Es geht hier auch um die Show.

Symphonische Led Zeppelin

Und der Mercedes AMG GT (das S steht für 48 PS mehr, also insgesamt 510 PS) ist ganz große Show - erst recht für diejenigen, die drin sitzen dürfen. Der Achtzylinder mit vier Liter Hubraum wird von zwei Turboladern unterstützt - und die Kraftentwicklung ist ganz außerordentlich. Sie strafft einem die Gesichtszüge und zieht die Mundwinkel nach oben. 3,8 Sekunden von null auf hundert, und das fühlt sich auch so an, nachdrücklich unterstrichen von einem wild gewordenen Symphonieorchester, das Led Zeppelin begleitet.

Eines muss man dazu sagen: Der Grundpreis für den AMG GT S liegt bei 165.000 Euro. Nach einem Streifzug durch die Zubehörliste kam unser Testwagen über die 200.000er-Marke, und nichts von dem, was uns zusätzlich gegönnt wurde, kam uns irgendwie lästig oder überflüssig vor. Um so viel Geld kann man sich schon ein tolles Auto erwarten. Kann man. Und man bekommt es auch.

System am Anschlag

Die Fahrwerte des AMG sind außerordentlich, wahrscheinlich spielt er auf der Rennstrecke seine Vorzüge am überzeugendsten aus. Aber auch abseits kann man einmal in den Modus "Sport plus" wechseln, da sind alle Sinne geschärft und die Systeme am Anschlag.

Der Mercedes lässt viel mit sich machen, das ESP ist großzügig ausgelegt, und es kann schon passieren, dass das Fahrzeug über einen elektronischen Eingriff die Kontrolle übernimmt und uns auf der Straße und in der richtigen Richtung hält. Die Kraft des Motors verdient tatsächlich Respekt, und wer sich in die Grenzbereiche vorwagt, sollte dies mit Bedacht und Können tun. Sonst ist der Abflug vorprogrammiert. Meist aber warnt einen der Wagen vor.

Keine Spitzfindigkeiten

Lenkung und Fahrwerk sind straff, die Schwächen des AMG offenbaren sich dort, wo die Straße für dieses Riesentrumm von Auto zu schmal und die Kurven zu eng werden, da lässt die Brachialität des Wagens wenig Platz für Spitzfindigkeiten.

Gefestigte Partnerschaft O Für den befahrenden Menschen ist das alles der halbe Spaß. Der Mercedes liegt hart auf der Straße und gibt jede Unebenheit der Straße ohne Rücksicht weiter.

Die Fliehkräfte, die frei werden, sind für den, der sie nicht beeinflussen kann, kein Vergnügen, das verlangt schon nach einer gefestigten Partnerschaft und nach einer verständnisvollen, achtsamen Kommunikation. Der Ausruf "Bist du deppat" muss nicht zwangsläufig als anspornender Ausdruck der Bewunderung verstanden werden, sondern kann gewiss auch Nuancen vorsichtiger Kritik beinhalten.

Verreisen an sich ist aber möglich. Da der Motor vorne residiert, gibt es hinten tatsächlich Platz für Gepäck, nicht ausufernd, aber ausreichend. Jedenfalls sollten Sie bei Ausfahrten genügend Zeitpolster für begleitende und beruhigende Aussprachen einplanen, die solcherart verlorene Zeit kann man ja spielend wieder hereinfahren. (Michael Völker, Rondomobil, 20.6.2015)

Zweite Meinung

Wenn die acht Zylinder des AMG GT zum Dienst antreten, raufen sich mit einem Male die Haare um den Stehplatz. Rotzig und stolz verkündet der Stern seine Kraft. Genau so fährt er sich auch. Stolz. Oder rotzig, wenn man ihn fordert. Dann geht er etwa schnell ein Alzerl quer. Nur ein wenig. Als ob er sagen wollte: "Spiel dich nicht, Bürscherl. Wenn du mich fahren willst, musst du wissen, was du tust." (glu)