Mithilfe eines Elektronenmikroskops entdeckten die Forscher in den Überresten aus der Kreidezeit stäbchenartige Strukturen, die stark an Kollagenfasern erinnern.

Foto: Sergio Bertazzo

Besonders spektakulär: In den per Ionenstrahl entnommenen Proben fanden sich kleine runde Formen, die Ähnlichkeiten mit roten Blutkörperchen aufweisen.

Foto: Imperial College London

Als wahre Protein-Fundgrube erwies sich diese Dinosaurier-Klaue.

Foto: Laurent Mekul

London/Wien - Um sich ein einigermaßen stimmiges Bild davon zu machen, wie Dinosaurier ausgesehen haben, bleibt den Paläontologen nach all den Jahrmillionen nicht mehr viel, mit dem sie heute arbeiten können. Rekonstruktionen basieren in der Regel auf schlecht erhaltenen fossilen Knochen. Ob die Urzeitechsen beispielsweise womöglich eine bunte Farbenpracht zur Schau trugen, bleibt noch immer weitgehend der Fantasie der Wissenschaftsillustratoren überlassen.

Noch weniger zuverlässig erweist sich in dieser Hinsicht Hollywood: Der nun angelaufene vierte Teil der Dino-Saga "Jurassic Park" setzt immer noch auf kahle Geschöpfe, obwohl sich seit einigen Jahren in der Fachwelt allmählich die Vorstellung von gefiederten Riesen durchsetzte. Vermutlich befürchteten die Macher von "Jurassic World", dass flauschige Räuber nicht furchterregend genug wirken könnten.

Seltene organische Überreste

Wichtige Hinweise auf Erscheinungsbild und Lebensweise der Dinosaurier könnten freilich organische Überreste liefern. Doch diese waren Forschern erst in seltenen Ausnahmefällen anhand von außerordentlich gut erhaltenen Fossilien zugänglich. Schuld daran ist der Umstand, dass Proteine im Normalfall innerhalb von vier Millionen Jahren bis zur Unkenntlichkeit zerfallen.

Umso überraschender kommt daher eine nun von britischen Wissenschaftern im Fachjournal "Nature Communications" vorgestellte Entdeckung: Die Forscher um Sergio Bertazzo und Susannah Maidment vom Imperial College in London konnten in acht rund 75 Millionen Jahre alten Dinosaurierknochen biologische Spuren nachweisen, die sie als Blutzellen und Kollagenfasern interpretieren. Das Besondere an dem Fund: Die Knochen, aus denen die organischen Reste geborgen wurden, befinden sich in einem reichlich dürftigen Erhaltungszustand.

Die Rippen, Hüft- und Beinknochen wurden vor etwa zehn Jahren in Kanada ausgegraben und lagerten seither in der Sternberg and Cutler Collection des Londoner Natural History Museum. Wie schlecht der Konservierungsgrad der Fossilien war, zeigt die Tatsache, dass sich an ihnen nicht mehr feststellen lässt, welcher Spezies die Gebeine einst gehörten.

Für Bertazzo und sein Team als besonders ergiebig erwies sich eine Klaue: Mithilfe eines Ionenstrahls extrahierten die Forscher daraus auf besonders materialschonende Weise Proben, die sie im Anschluss genauer unter die Lupe nahmen. Der Einsatz eines Massenspektrometers brachte schließlich das zutage, was unter den gegebenen Umständen schon längst hätte verschwunden sein müssen: Proteine.

Konkret fanden die Forscher kleine rundliche Strukturen mit einem dichteren Kern, die frappierend an rote Blutkörperchen moderner Emus erinnern. Außerdem zeigten die mikroskopischen Aufnahmen stäbchenartige Formen. Diese interpretierten die Wissenschafter als mögliche Kollagenfasern. Dennoch bleibt Bertazzo vorsichtig: "Wir müssen noch weitere Untersuchungen durchführen, um unsere Entdeckungen zu bestätigen."

Keine Dinosaurier-DNA

Die potenziellen Gewebereste nähren die Hoffnung, dass sich auch in vielen anderen in Museen gelagerten Dinosaurierknochen noch biologisches Material finden lässt. Ein mögliches zukünftiges "Jurassic-World"-Szenario lässt sich aus den Ergebnissen der britischen Wissenschafter allerdings nicht ableiten: DNA-Spuren konnten die Forscher in den Proben nämlich keine entdecken. (Thomas Bergmayr, 11.6.2015)