Schafsinnereien und Poesie gehen meist getrennte Wege – umso schöner das Ergebnis, wenn sie doch einmal zueinanderfinden. Der schottische Nationaldichter Robert Burns widmete der schottischen Nationalspeise, dem Haggis, eine achtstrophige Lobeshymne, nachdem er im Herbst 1786 in Edinburgh ein besonders schmackhaftes Exemplar verspeist hatte. Im Dezember des gleichen Jahres erschien die “Adress to a Haggis” im ehrwürdigen "Caledonian Mercury". Das Gedicht beginnt mit den bezaubernden Worten: “Fair fa’ your honest, sonsie face, Great chieftain of the pudding-race!” (Diese Quelle übersetzt: “Sei mir gegrüßt so rund und weich, Du großer Fürst im Puddingreich“).

Nicht hübsch, aber köstlich: Haggis.
Foto: Tobias Müller

Der Haggis ist eine Art Beuschel-Wurst auf Schottisch. Der Eingeweidesack des Schafs wird dafür quasi umgestülpt: Lunge, Leber, Herz und manchmal Zunge werden gekocht, geschreddert und in den Magen gepackt, gemeinsam mit ordentlich Haferflocken, damit das Ergebnis nur ja nicht zu appetitlich aussieht. Es schmeckt jedenfalls genauso derb-herrlich, wie es sich anhört, nach Schlachttag, Innereien und der Liebe zum Kochen und Wursten – wobei die Haferflocken dem Ganzen eine gewisse Lockerheit verleihen. Einmal fertig gegart und aufgeschnitten, sieht der Schafsmagen auch fast zivilisiert aus. Schön angerichtet und ohne Kommentar zu den Inhaltsstoffen wird aus dem Haggis ein durchaus salonfähiger Hauptgang.

Foto: Tobias Müller

In Schottland wird dem Haggis (und seinem Lobpreiser Burns) traditionell am 25. Jänner gehuldigt. Es bedarf aber keines besonderen Anlasses, einen Schafsmagen mit Schafsinnereien zu füllen. Man muss die Lämmer feiern, wie sie fallen, und ein gewittriger österreichischer Sommertag eignet sich dazu mindestens genauso gut wie eine kalte schottische Winternacht. Die Aussicht auf eine durchzechte Nacht kann allerdings nicht schaden: Der “great chieftain of the pudding-race” ist gleichzeitig einer der ganz Großen im Reich des Katerfrühstücks – wie groß ist die Freude, wenn man nach übermäßigem Alkoholkonsum erwacht und das “honest, sonsie face” einem aus dem Schmortopf entgegenstrahlt.

Wie bei allen Gerichten aus den eher günstigen Teilen des Tiers steckt sehr viel Arbeit im gefüllten Schafsmagen. Bevor das Ding genießbar wird, muss es äußerst gründlich geputzt werden, und dann ist die Lunge noch lange nicht von ihren Röhren befreit. Ich habe diesmal sehr willkommene Unterstützung bekommen von jemandem, der auch sonst in seinem Kochalltag keine Mühen scheut, um überdurchschnittliche Ergebnisse zu erkochen: Christoph Fink, Koch der schwedischen Botschaft in Wien. Danke!

Rezept für Haggis (je nach Schwere der Alkoholvergiftung für zwei bis vier Esser)

Idealerweise besorgen Sie sich hierfür fast die komplette Innenausstattung eines Schafs: Magen, Leber, Lunge, Herz und die Zunge (Wir hatten sogar zwei. Warum die Nieren hingegen nicht hineinkommen, müssen Sie einen echten Schotten fragen.) Sollte der Magen partout nicht aufzutreiben sein, geht’s ohne auch. Das macht dann zwar deutlich weniger Arbeit, aber halt auch weniger Spaß – und der Geschmack ist ebenfalls nicht ganz der gleiche.

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Putzen Sie den Magen: Legen Sie ihn mit der zottigen Seite nach oben auf ein Brett und schaben Sie alles Schwarze ab, etwa mit der Rückseite eines Messers oder einer Kochspachtel aus Metall. Der Magen wird dadurch deutlich dünner werden – achten Sie darauf, keine Löcher in die Magenwand zu reißen und gleichzeitig sehr gründlich vorzugehen. Während Sie schaben, wird sich ein übelriechender schwarzer Brei vom Magen lösen. Waschen Sie ihn zwischendurch immer wieder gründlich ab, um zu sehen, wo noch Arbeit nötig ist. Generell schadet es nicht, den Magen einige Zeit in einer Schüssel Wasser liegen zu haben, idealerweise rinnt dabei noch stets frisches Wasser in die Schüssel nach. Fergus Henderson, der Großmeister der Innereien, empfiehlt, den Magen über Nacht in Salzwasser einzulegen. Das schadet bestimmt nicht, uns hat aber die Zeit gefehlt, und unser Haggis hat trotzdem vorzüglich geschmeckt.

Foto: Tobias Müller

Die Schafsinnereien kochen: Bringen Sie einen großen Topf Wasser zum Kochen, und legen Sie Lunge, Zunge, Herz und Leber (ja, die auch – wer sie nicht vorkocht, bekommt keinen schön bröckligen, sondern gebundenen Haggis) hinein, gemeinsam mit zwei halbierten Zwiebeln, ein, zwei Karotten, einigen Lorbeerblättern und was Ihnen sonst noch so an Würze unterkommt. Zunge und Herz dürfen ruhig zwei bis drei Stunden im heißen Wasser bleiben, Leber und Lunge können nach einer Stunde herausgenommen werden.

Foto: Tobias Müller

Die Lunge pressen und kalt stellen: Dafür packen Sie sie etwa zwischen zwei Auflaufformen oder Pfannen und beschweren sie ordentlich, etwa mit einem Mörser oder Weinflaschen. Das macht es deutlich leichter, sie zu schneiden und die Röhren aus den Schnitten zu entfernen. Pressen Sie sie zwei Stunden in der Kälte (Kühlschrank, Garten im Winter), bevor Sie sie weiter verarbeiten.

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Während die Innereien garen, schneiden Sie vier ordentliche Zwiebeln klein und packen Sie sie gemeinsam mit einem Viertel Kilo Butter in eine Pfanne. Lassen Sie das ganze auf kleiner Flamme vor sich hinschmurgeln, gern 45 Minuten, bis die Zwiebeln leicht bräunlich und sehr glasig werden. Wer jetzt noch Platz auf dem Herd hat, brät die Haferflocken: insgesamt etwa 300 bis 400 Gramm über mittlerer Hitze so lange erwärmen, bis sie gut riechen, aber noch keine Farbe genommen haben. Geben Sie nicht zu viele auf einmal in die Pfanne, sondern braten Sie sie lieber in zwei Durchgängen.

Foto: Tobias Müller

Die gekochte Zunge schälen und gemeinsam mit der Leber und dem Herz in kleine Würfel schneiden. Die gepresste Lunge in etwa fünf Millimeter dicke Scheiben schneiden und die größten knorpeligen Gefäße entfernen. Anschließend ebenfalls würfeln. Mit den Zwiebeln, der Butter und den Haferflocken mischen. Schotten würden so etwas nie tun, aber wer trotzdem will, der packt noch ein, zwei Bund gehackte Petersilie hinzu. Durchmischen und mit zwei, drei Schöpfern Innereien-Kochflüssigkeit aufgießen, sodass ein feuchter, körniger Brei entsteht.

Foto: Tobias Müller

Die Masse ordentlich würzen: Muskatnuss, Salz und Pfeffer sind klassisch, wir haben noch geriebene Lorbeerblätter, Muskatblüten und Koriandersamen ergänzt. Die Masse in den Schafsmagen packen: dazu den Magen in handliche Stücke schneiden und entweder Säcke machen oder zu einer Art Wurst einrollen. Wer keinen Magen hat, der nimmt Frischhalte- oder Alufolie. Die Sackform ist einfach, die Rolle hat aber den Vorteil, dass sich der kalte Haggis in hübschere Scheiben schneiden lässt, die wiederum hervorragend paniert und/oder gebraten werden können. Ich empfehle daher diese Variante. Achtung: Füllen Sie sie nicht zu voll, sonst platzen sie. Die Magenpakete mit einem Zahnstocher anstechen (sonst platzen sie), in einen Bräter packen, mit der Innereiensuppe bedecken (ist zu wenig da, einfach mit Wasser auffüllen) und zugedeckt drei Stunden sieden lassen.

Foto: Tobias Müller

Wer will, der isst den Haggis gleich, ansonsten lässt man ihn am besten über Nacht in der Suppe stehen und wärmt ihn am nächsten Morgen auf. Aus der Suppe nehmen, aufschneiden und heiß servieren. Dazu wird klassisch Erdäpfelpüree gereicht, wir haben zwecks Frische noch rohen Kohlrabi drübergehobelt – eine gute Idee. Alternativ kann er kalt aufgeschnitten, mit Dijonsenf bestrichen, in Bröseln gewendet und in reichlich Fett herausgebacken werden – ganz köstlich, auch noch Tage später.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 14.6.2015)