Wien/Boston (Massachusetts) – Angeborene Immunschwächekrankheiten gehören zu den sogenannten seltenen Erkrankungen. Unter Leitung von Wissenschaftern aus Wien, Boston und New York veröffentlichte ein internationales Forscherteam nun im New England Journal of Medicine eine Studie, wonach bei bestimmten Betroffenen ein spezifischer Proteinmangel vorliegt. Als Ursache konnte erstmals eine Genmutation identifiziert werden.

"Wir können noch nicht abschätzen, wie viele Erkrankte mit dieser Form von angeborener Immunschwäche es gibt. Dank unserer Erkenntnisse kann man die Krankheit erstmals präzise diagnostizieren. Aufgrund der Schwere der Erkrankung empfehlen wir eine frühzeitige Stammzelltransplantation, die eine langfristige Wiederherstellung des Immunsystems ermöglichen kann", sagt Kaan Boztug, Gruppenleiter am Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Als "selten" werden Erkrankungen bezeichnet, die bei weniger als fünf Personen pro 10.000 Einwohner auftreten. Laut Schätzungen dürften bis zu 8.000 solcher Krankheiten exisiteren. Die angeborenen Immunschwäche, bei denen die Betroffenen sehr früh an häufigen bakteriellen und viralen Infektionen etc. erkranken, zählt ebenfalls dazu.

Überraschende Ergebnisse

Das Forscherteam fand bei insgesamt fünf Kinder mit angeborenen Immunschwächen die jetzt beschriebene Genmutation auf beiden Strängen der DNA, die zu einem Ausfall beziehungsweise zur reduzierten Bildung des Proteins DOCK2 in Immunzellen führt. Das betrifft zunächst T-Zellen, B-Zellen und natürliche Killlerzellen (NK-Zellen), die das Rückgrat für die Immunabwehr bilden.

Ein Defizit behindert offenbar das Reagieren dieser Zellen auf Immunbotenstoffe und somit die Migration dieser Zellen an Orte im Körper, wo sie ihre Überwachungs- und Abwehrfunktion ausüben sollen, schreiben die Autoren.

Überraschend war für die Wissenschafter unter anderem, dass DOCK2 darüber hinaus auch nicht-hämatopoetische Abwehrzellen (beispielsweise Bindegewebszellen der Haut) der Virenabwehr steuert. Das könnte die starke Anfälligkeit der betroffenen Patienten für virale Infekte erklären. (APA, 18.6.2015)