Galerie David Zwirner ersteigert jetzt Sigmar Polkes "IK MACH DASS SCHON JE$S" (vormals Slg. Essl).

Foto: Christie's

Ein Kippenberger-Selbstporträt aus der Sammlung Essl, das jetzt für netto 3,52 Millionen den Besitzer wechselte.

Foto: Christie’s

Karlheinz Essls Imperium zerbröselt. Nicht nur an der Baumarktfront. Dort trennte man sich bereits vergangenes Jahr von den verlustbringenden Niederlassungen, jetzt steht der Verkauf der Standorte in Tschechien und der Slowakei bevor. Das Finale der Restrukturierung soll spätestens im Herbst 2016 erfolgen, also exakt in jenem Jahr, in dem man das 40-Jahr-Jubiläum gefeiert hätte.

Die 65 Filialen in Österreich, für die er eine Standortgarantie zugesichert hat, werden dann längst den Besitzer gewechselt haben. "4000 Arbeitsplätze, davon solche von 160 Menschen mit Behinderung" stünden hier auf dem Spiel, argumentierte Essl im März 2014, als er von der Republik den Ankauf seiner schmucken Kunstsammlung begehrte. Geschichte.

Dem Nein der öffentlichen Hand folgte hinter den Kulissen die Suche nach Investoren, die sowohl den Museumsbetrieb als auch den Erhalt der Sammlung gewährleisten würden. Letztere umfasste laut Essl "ca. 4900 Positionen mit annähernd 7000 Werken". Die höhere Anzahl erklärte er mit mehrteiligen Zyklen, die unter einer "Position" zusammengefasst seien. Eine klassische Inventarisierungsmethode, die in der Branche jedoch nie mit unterschiedlichen Werten kommuniziert wird.

Versteigerung statt Republik

Das nährte Gerüchte: Handle es sich bei der Differenz von 2100 womöglich um eine private "Schattenkollektion", deren Existenz man halbherzig zu verschleiern versuchte, etwa um sie nicht auch noch den Gläubigern opfern zu müssen? Tratsch, der bis heute unbelegbar blieb.

Zeitgleich wurden Auktionshäuser mit der Schätzung der 4900 Objekte beauftragt: Christie's und Sotheby's nahmen den wertvolleren internationalen Teil (1700) unter die Lupe, das Dorotheum den in Umfang (3200) größeren Teil österreichischer Künstler. 120 und 40 Millionen ergaben einen Gesamtwert von 160 Millionen Euro. Nicht 250 Millionen, wie noch im März lanciert worden war, damals, als Essl sogar einzelne Verkäufe explizit ausgeschlossen hatte, um den größeren Bestand zu erhalten.

Es kam anders. Die Zahl der Interessenten war mit zwei oder drei überschaubar. Ein Samariter, der keine Bedingungen stellte, blieb aus. Ein Teilverkauf der Sammlung war schon entriert, als Hans Peter Haselsteiner ins Spiel kam. Man wurde handelseinig, gründete die SE-Sammlung Essl GmbH (60 Prozent Haselsteiner, 40 Essl), und Karlheinz Essl verlautbarte die Rettung seiner Sammlung und des Museums.

Überbrückungskredit

Die 42 Gläubigerbanken waren mit kolportierten 115 Millionen Euro abgefunden worden. Ein Überbrückungskredit, der Bonität des Industriellen sei Dank. Ihm sei es, auch für andere Sammler, Künstler und Galeristen, um den Erhalt der Sammlung österreichischer Kunst gegangen, erklärt Haselsteiner im STANDARD-Gespräch.

Mitte Oktober gelangten 44 Werke der internationalen Tranche, für die Christie's vorab eine Garantie von 50 Millionen Euro gewährte, in London zur Auktion. 39 Zuschläge summierten sich auf umgerechnet 50,79 Millionen netto (exklusive Aufgeld). Zusammen mit dem Erlös aus dem abseits der Öffentlichkeit abgewickelten Nachverkauf, war der Deal damit gut zur Hälfte refinanziert. Der Rest von etwa 55 Millionen Euro wird nun abgestottert, und Essl muss weitere "Schützlinge" ziehen lassen.

"Nicht unter Zeitdruck", versichert Haselsteiner, die Laufzeit des Kredits liege ja bei den üblichen zehn Jahren. Aber prinzipiell sei das Essls Aufgabe, an die er sich halten wird, andernfalls wäre das gegen die Vereinbarung: "Unter Berücksichtigung der Marktgegebenheiten und keinesfalls unter den Schätzwerten", betont er, der Versteigerungen eindeutig den Vorzug gibt.

Unstimmigkeiten

Zuletzt soll es Unstimmigkeiten gegeben haben, etwa eines Verkaufs einer Skulptur von Tony Cragg wegen. Der 71-Jährige winkt ab: "Wir haben das bereinigt". Nachsatz, für den Herrn Professor, der als Chef nie jemanden zu fragen brauchte, sei diese Situation gewöhnungsbedürftig. In einer Gesellschaft gibt es Regeln, das sei nun geklärt. Haselsteiner hat sich zwischenzeitlich aus der Geschäftsführung verabschiedet, diese Funktion übernahm (per 1. 6.) nun Wilhelm Weiß, Direktor des Strabag-Kunstforums.

Welcher Prozentsatz aus den Verkaufserlösen in den defizitären Museumsbetrieb fließt? Vorerst nichts, so der Industrielle, alles diene der Kreditabdeckung. Es gebe einen Zuschuss aus der Gesellschaft, der Rest muss über andere Geldquellen gefunden werden, etwa über Ländersubvention, daran kiefle man derzeit. Konkret könne er den endgültigen Budgetbedarf noch nicht beziffern, nur so viel, es gebe Abstufungen, vom "bisherigen Luxusbudget" bis zur Sparvariante.

Aktuelle Deals

Derweilen wird weiter verkauft. Vergangene Woche, bestätigt Haselsteiner, gelangten vier Kunstwerke via Christie's in London zur Auktion: je zwei Werke von Sigmar Polke und Martin Kippenberger, die netto (exklusive Aufgeld) 8,33 Millionen Euro abwarfen. Polkes IK MACH DASS SCHON JE$S fischte sich die Galerie David Zwirner (3,38 Mio. Euro) aus dem Angebot und Kollege Per Skarstedt eine unbetitelte handgemalte Arbeit Kippenbergers von 1992 zum Limit (3,52 Mio. Euro).

Christie's hatte das Quartett als "Property from a distinguished private collection" ausgewiesen, die Hinweise zur Essl-Provenienz fanden sich im Katalog unscheinbar in der Ausstellungsvita verborgen. Dem Vernehmen nach soll Essl jüngst Geldbedarf in der Größenordnung von etwa 15 Millionen Euro gehabt und sämtliche Werke von Polke und Kippenberger (insgesamt ca. 15) aus seinem Bestand an Christie's abgetreten haben.

Ob damit etwa auch Mitglieder des Collectors Club (CC) abgefunden wurden, muss reine Mutmaßung bleiben. Spätestens 2005 hatte Essl "Ensembles zeitgenössischer Kunst, welche eine nachhaltige Wertsteigerung erwarten lassen", an Interessierte verkauft – in Größenordnungen von zumindest 200.000, 500.000 oder auch mehreren Millionen Euro.

Damit verbunden war auch eine Rückkaufoption zu 150 Prozent des eingesetzten Betrages nach Ablauf von zehn Jahren. Laut Bilanz der Sammlung-Essl Kunst Verwaltungs GmbH von 2012 belief sich der aus diesem Handel lukrierte Umsatz auf sechs Millionen Euro. Sollten alle CC-Investoren die Rückkaufoption in Anspruch nehmen, schlüge sich das für Essl mit neun Millionen Euro zu Buche. Ob entsprechende Rücklagen gebildet wurden, ist nicht bekannt. Entsprechende Standard-Anfragen blieben stets unbeantwortet. Die ersten garantierten Rückkäufe stünden jedenfalls heuer an.

Verkaufsevents

Collectors Club? "Betrifft mich nicht", so Haselsteiner, er habe nur die Sammlung gekauft, er wisse weder von Finanznöten, noch von einem Private Sale. Das Auktionshaus verweist auf Anfrage in einem Statement auf das übliche Geheimhaltungsabkommen mit Kunden, das keine Verlautbarung von Details zu Transaktionen vorsieht. Sei es, wie es sei.

Gesichert ist, dass in der aktuellen Schau Deutsche Kunst nach 1960 (bis 15. 11.) weder Polke noch Kippenberger vertreten sind. Dabei habe es sich um eine kuratorische Entscheidung gehandelt, argumentiert das Museum auf Anfrage. Angesichts einer solchen Schwerpunktsetzung schon eher ungewöhnlich. Aber flapsig formuliert, handelt es sich womöglich sowieso um einen als Ausstellung getarnten Verkaufsevent, der Museumsbesucher und potenzielle Käufer gleichermaßen bedient. Der zugehörige Katalog wurde laut Medienberichten jedenfalls an 450 Museen weltweit verschickt. Besser kann man als Kunsthändler seinen Warenbestand wohl kaum vermarkten. Mit Kiefer, Lüpertz, Immendorf, Richter und Baselitz, um nur einige der 21 hier vertretenen Künstler zu nennen, kredenzt Essl, wonach der Markt giert.

Gleicht man die Ausstellungsdauer mit den traditionellen Auktionsterminen ab, verpasst man zwar die im Oktober (London) und November (New York) anberaumten Sales, kann jedoch die Käufermeute spätestens im Februar 2016 in London bewirten. (Olga Kronsteiner, 12.7.2015)