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Asia Bibis Fall wird neu aufgerollt.

Foto: EPA/GOVERNOR HOUSE

"Die Menge schrie 'Tötet sie, tötet sie' und feierte den Richter mit Standing Ovations", erinnert sich Asia Bibi. "Dann warf man mich wie einen Sack Müll in den Wagen." Fast fünf Jahre ist es her, seit die Christin als erste Frau in Pakistan wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt wurde. Seitdem sitzt die 50-jährige Mutter von fünf Kindern in Einzelhaft, in einer fensterlosen großen Zelle.

Ihr Schicksal sorgte weltweit für Schlagzeilen. Die zierliche Frau, die als Landarbeiterin ihr Geld verdiente, wurde zur Symbolfigur für die Verfolgung religiöser Minderheiten in dem südasiatischen Staat. Nun gibt es erstmals leise Hoffnung: Am Mittwoch suspendierte Pakistans Oberstes Gericht die Hinrichtung und ließ Berufung zu. Damit wird der Fall nun neu verhandelt.

Verseuchtes Wasser

Der Albtraum begann im Sommer 2009 – mit einem Streit um einen Schluck Wasser. Muslimische Nachbarinnen, die mit ihr auf dem Feld arbeiteten, verboten Asia, aus demselben Brunnen zu trinken wie sie. Sonst sei das Wasser verseucht, weil sie keine Muslimin sei, gifteten sie. Gekränkt soll Asia angeblich gekontert haben, dass Jesus für die Sünden der Menschheit gestorben sei. "Was hat euer Prophet Mohammed getan, um die Menschheit zu retten?", soll sie gesagt haben.

Wenige Tage später verprügelt ein aufgebrachter Mob sie, die Polizei nimmt sie fest, ihre Familie muss fliehen, und Asia wird wegen Gotteslästerung zum Tod am Galgen verurteilt. Unversehens gerät Asia zur Geisel in einem Machtkampf um den Kurs des Landes: Religiöse Hardliner wollen an ihr ein Exempel statuieren. Mehrere liberale Politiker, die sich für sie einsetzen, werden ermordet.

Fragwürdige Vorwürfe

Asia ist nicht die Einzige, der in Pakistan wegen Blasphemie der Strick droht. Hunderte andere sitzen wegen ähnlich fragwürdiger Vorwürfe in den Todeszellen. Betroffen sind Angehörige aller religiösen Minderheiten, auch Muslime. Schon der Vorwurf der Blasphemie kommt einem Todesurteil gleich: Dutzende Angeklagte wurden gelyncht oder ermordet, bevor es überhaupt eine Verhandlung gab.

Vergeblich fordern Menschenrechtler seit Jahren, das Blasphemiegesetz zu streichen. Die Obersten Richter gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie nun Asias Fall neu aufrollen. Sollten sie Asia tatsächlich freisprechen, müssen sie nicht nur um ihr eigenes Leben fürchten. Auch Asia Bibi und ihre Familie werden in Pakistan niemals wieder sicher sein. (Christine Möllhoff, 22.7.2015)