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Es musste ordentlich Wasser die Themse hinunterfließen, ehe in England endlich eine Rugby-Weltmeisterschaft gegeben wird.

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Im Endspiel 2011 rang Neuseeland die Franzosen nieder, welche damit auch bei ihrer dritten Final-Teilnahme als Verlierer vom Feld mussten.

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Richie McCaw konnte der Nation endlich wieder die Webb Ellis Trophy präsentieren. Heuer führt der bereits jetzt legendäre Kapitän die All Blacks erneut an, es wird sein letzter Auftritt bei einem großen Turnier sein.

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Auch England strebt nach dem zweiten Titel, um dieses Ziel zu erreichen, unterwarfen sich die Spieler im Sommer wochenlang einem beinharten Vorbereitungsregime.

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Im Eröffnungsspiel müssen die Briten zunächst Fidschi überwinden. Das muss keine gemähte Wiese sein: Die Herren aus der Südsee (im Bild der Lock Leone Nakarawa) tacklen für ihr Leben gern und tun dies mit beinerner Härte. Fidschi reist als Gewinner des pazifischen Nationencups nach London.

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Cardiff/Wien – Dass die achte Rugby-Weltmeisterschaft in England stattfindet (18. September bis 31. Oktober) klingt unauffällig, ist es aber nicht. Denn seit dem ersten globalen Vergleichskampf 1987 dauerte es – von einer bloßen Co-Veranstalterschaft 1991 einmal abgesehen – 28 Jahre, bis der große Zirkus endlich so richtig jene Gefilde erreicht, in denen das Spiel doch seinen Ursprung hat. 1823 war es, als der Schüler und spätere Gottesmann William Webb Ellis zu Rugby während eines frühen Fußballspieles mit dem gefangenen Ball entgegen aller geltenden Regularien in Richtung des gegnerischen Goals davongestürmt sein soll. Rugby's coming home.

20 Mannschaften werden um den Siegespokal, die Webb Ellis Trophy, streiten, an 13 Schauplätzen, wovon mit dem Millennium Stadium zu Cardiff einer quasi im Ausland liegt. Mit gleich drei Spielorten ist London auch auf diesem Feld Schwergewicht. Finalisiert wird in Twickenham, an der südwestlichen Peripherie des Molochs, wo seit 1909 Englands Nationalstadion steht. 82.000 Zuschauer fasst es heute, damit ist das gute alte Twickers nach Wembley die zweitgrößte Arena des Landes.

Eine alte Ordnung

Das Turnier startet mit einer Gruppenphase, in der je fünf Teams in vier Pools um die ersten beiden Plätze und die damit verbundene Viertelfinal-Qualifikation rittern. Doch auch dritte Gruppenränge sind wertvoll, garantieren doch auch sie automatische Qualifikation für die nächste WM. Dieses eigentümlich Auswahlverfahren trägt mit dazu bei, die Verhältnisse bemerkenswert stabil zu halten: Im Vergleich zu 2011 hat sich das Starterfeld in geringstmöglichem Ausmaß verändert: Anstelle Russlands ist diesmal Uruguay mit von der Partie.

Und auch was die Favoriten betrifft, bleiben die genannten Namen eigentlich immer dieselben. Ganz oben auf der Liste der Kandidaten steht auch diesmal wieder Neuseeland, Titelverteidiger und ewige Nummer eins der Weltrangliste. Die Herausforderer folgen mehr oder minder dicht dahinter: Six-Nations-Champion Irland, der ambitiöse Gastgeber England, Wales, Südafrika, Australien sowie – unberechenbar wie eh und je: Frankreich. Allein Argentinien scheint nach langem Bemühen dauerhaft Anschluss an die Crème de la Crème geschafft zu haben und gilt als gefährlichster Außenseiter. Allein innerhalb dieser Elite erweisen sich Kräfteverhältnisse ein Stück weit als Tochter der Zeit.

Generell gilt, dass sich die neuseeländischen All Blacks, die ihre Vormachtstellung auch in der Ära des Professionalismus behauptet haben, eigentlich nur selbst schlagen können. Das allerdings gelang immer wieder eindrucksvoll: Nachdem 1987 die Premieren-WM im Finale von Auckland siegreich finalisiert wurde, scheiterte man ein ums andere Mal vorzeitig – Nahrung für ein veritables, über die Jahre aufgepäppeltes Trauma. Die Erlösung erfolgte erst 2011, als, erneut auf heimischem Boden, endlich der zweite Titelgewinn folgte: allerdings erst nach dem Fegefeuer eines mit flatternden Nerven erwankten 8:7-Erfolg im Endspiel gegen Angstgegner Frankreich.

Trikot vor Verdienst

Für das Wohlergehen der All Blacks, Stolz des neuseeländischen Rugby und eine globale Marke, zieht man an einem Strang. Schlüsselkräfte werden nicht von Klubs, sondern vom Verband unter Vertrag genommen und auch bezahlt, welcher sich dafür das Recht sichert, Einsatzzeiten oder Abstellungsmodalitäten vorzugeben. Nur Spieler, die im Land aktiv sind, werden für das Nationalteam berücksichtigt. Und die Stars ziehen die Ehre, das berühmte schwarze Trikot überstreifen zu dürfen, nach wie vor den unvergleichlich höheren Salären vor, die bei europäischen Top-Vereinen mittlerweile zu verdienen sind.

Irland hat das Modell der Kiwis übernommen – und fährt bestens damit. Zweimal hintereinander konnten die Männer in Grün zuletzt das Sechsnationen-Turnier der besten europäischen Teams gewinnen. Der neuseeländische Coach Joe Schmidt formte eine nicht durchgängig glanzvoll, immer jedoch sehr zielorientiert operierende Einheit. In Verbindung mit einem an Erfolgserlebnissen gewachsenen Selbstvertrauen, macht dies die irische Mannschaft zu derjenigen, die neben den All Blacks am verlässlichsten funktioniert.

Reich und Arm

Rugby bietet vor England 2015 das zwiespältige Bild eines Sports zwischen Tradition und Moderne. Mit der 1995 verspätet eingeleiteten Professionalisierung wurde eine rasante Entwicklung in Gang gesetzt, sportlich wie ökonomisch. Die technischen, und in ganz besonderem Maße auch die physischen Fähigkeiten der Spieler, haben mittlerweile ein vorher unvorstellbares Level erreicht. Immer mehr Geld kommt ins Spiel, die Weltmeisterschaft mauserte sich zur drittgrößten Sportveranstaltung der Welt. Über 200 Millionen Euro wird sie in die Kassen des Dachverbandes World Rugby spülen.

Manche aber haben Mühe mit der rasanten Entwicklung: die kleinen, aber für Flair und Diversität so wichtigen Rugby-Nationen Fidschi, Samoa und Tonga verlieren viele der talentiertesten Spieler durch Nationenwechsel oder Bestechungspraktiken ihrer oftmals europäischen Arbeitgeber.

Wenn jedoch die Fidschianer am Freitag den World Cup gegen England eröffnen, tritt all das zumindest vorerst in den Hintergrund. Das Zeichen für den Kickoff wird dann auf einer 110 Jahre alten Pfeife gegeben werden, in die der walisische Referee Gil Evans erstmals 1905 blies. Das ist das andere, geschichtsbewusste Gesicht des Rugby. (Michael Robausch, 15.9.2015)