Ein Bonoboweibchen mit ihrem Jungtier im Salonga National Park in der Demokratischen Republik Kongo

Wilde Bonobos bei der Nahrungsaufnahme in einem Fluss.

Foto: Zanna Clay/Lui Kotale Bonobo Project

Neuenburg – Menschliche Babys kommunizieren mit Lauten, die Kontext benötigen, um verstanden zu werden. Diese Fähigkeit, Töne flexibel und abhängig vom Kontext zu handhaben, gilt Sprachforschern als eine Vorbedingung für Sprache. Sie wurde deshalb bisher als eine ausschließlich menschliche Fähigkeit betrachtet. Jetzt haben Schweizer Forscher beobachtete, dass Bonobos – die nächsten Verwandten des Menschen – mit ganz ähnlichen Lauten kommunizieren. Die Rufe könnten daher ein frühes Stadium der Sprachentwicklung darstellen.

Primatenrufe flexibler als gedacht

Die Rufe von Primaten galten bisher als unflexibel, das heißt, dass es für unterschiedliche Situationen je einen eigenen, klar bestimmten Laut gibt. Nun berichten die Forscher um Zanna Clay von der Universität Neuenburg im Fachjournal "PeerJ", dass die "Piep"-Töne von Bonobos ebenfalls in verschiedenen Situationen ganz ähnlich tönen.

Sie analysierten die kurzen, hohen "Piep"-Laute von wilden Bonobos im Salonga National Park in der Demokratischen Republik Kongo. Die Laute werden mit geschlossenem Mund erzeugt und in verschiedensten Situationen – sei es beim Fressen, Ruhen, Laufen, Streiten, bei Alarm, Nestbau oder Fellpflege – ausgestoßen.

Es zeigte sich, dass die "Piep"-Töne in verschiedenen Situationen kaum zu unterscheiden waren. Nur die mit negativen Gefühlen wie Aggression assoziierten Piepser unterschieden sich von den anderen Lauten, sie waren schriller und höher. Die Laute neutraler und positiver Situationen hingegen klangen sehr ähnlich.

Video: Aktuelle Beobachtungen zeigten, dass Piep-Laute, die von Bonobos etwa beim Fressen ausgestoßen werden, in einem anderen Kontext auch andere Bedeutungen zukommen.
Zanna Clay/Lui Kotale Bonobo Project

Sprachliches Zwischenstadium

Wie bei Menschenbabys sei somit ein Wissen um den Kontext nötig, um den Laut zu verstehen, glauben die Wissenschafter. Die Forscher schließen deshalb, dass die Bonobo-Piepser ein Zwischenstadium zwischen gänzlich fixierten und flexibleren Kommunikationsformen darstellen könnten.

Die Fähigkeit der Bonobos könnte somit einen wichtigen Entwicklungsschritt in der Evolution der Sprache darstellen, der vor schätzungsweise sechs bis zehn Millionen Jahren bei einem Vorfahr von Menschen und anderen Primaten aufgetaucht ist.

"Je genauer wir hinschauen, desto mehr Ähnlichkeiten entdecken wir zwischen Tieren und Menschen", sagte Clay in der Mitteilung. "Es braucht mehr und größere Studien, bevor wir auf die Einzigartigkeit des Menschen schließen können."

Bonobos (Pan paniscus) sind zierlicher und viel friedfertiger als andere Schimpansen. Die früher als Zwergschimpansen bezeichneten Bonobos bilden zusammen mit dem Gemeinen Schimpansen (Pan troglodytes) die einzigen beiden Arten der Gattung Schimpanse (Pan). (APA/red, 4.8.2015)