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Ein US-Soldat in Bagdad 2004. Nach der Invasion im März/April 2003 begann die Suche nach den Massenvernichtungswaffen, gefunden wurde nichts. Ein Atomprogramm wäre völlig über den damaligen technischen Möglichkeiten des Irak gelegen.

Foto: Reuters / Damir Sagolj

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US-Präsident Barack Obama verteidigte in seiner Rede am Mittwoch erneut das Abkommen mit dem Iran.

Foto: reuters/jonathan ernst

Washington/Wien – US-Präsident Barack Obama griff in eine nur halb geschlossene Schublade, als er in einer Rede zum Atomdeal mit dem Iran sinngemäß Folgendes sagte: Jene, die heute gegen den Iran-Deal agitieren, sind die Gleichen, die 2003 für den Irakkrieg waren. Der implizite Vorwurf Obamas – damals Fehlentscheidung, heute Fehlentscheidung – geht vielleicht teilweise ins Leere. Denn trotz der ungeheuren Folgen der amerikanischen Irak-Invasion für den Nahen Osten, zu denen der Bedeutungsgewinn des Iran gehört, sind noch immer viele Kriegsanhänger von damals überzeugt, dass die Entscheidung richtig war. Der Irak selbst ist ja in der Tat harmlos gemacht, vielleicht für immer, wenn er zerfällt.

Obamas Anspielung ist aber mehr als ein Vorwurf an "Kriegstreiber", die den diplomatischen Pfad verachten, ohne die Konsequenzen abzuwägen. 2002/03 war vor dem Kriegsbeginn der ernsteste Vorwurf an das Regime von Saddam Hussein, sein 1991 entdecktes und in den 1990er-Jahren von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) abgebautes Atomwaffenprogramm heimlich wiederbelebt zu haben.

Atompilz am Horizont

Auch wenn Experten das nie wirklich glaubten, denn nichts sprach dafür, die "Beweise" stellten sich als zum Teil dilettantisch gefälscht heraus, und ein laufendes Atomprogramm hinterlässt Spuren, die die Inspektoren entdecken hätten müssen: Niemand konnte einfach mit den Schultern zucken, als die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice den "Atompilz" an den Horizont malte. Selbstverständlich gab es auch den Verdacht, der irakische Diktator würde Chemie- und vielleicht Biologiewaffen verstecken, aber die militärische Relevanz lag weit hinter der eines geheimen Atombombenprojekts.

Eine der Folgen der Irakkriegslüge von 2003 ist die beschädigte Glaubwürdigkeit jener, die vor geheimen Waffenprogrammen warnen. 2002, als die oppositionellen iranischen Volksmojahedin den Zund zur Entdeckung des noch im Vorbereitungsstadium befindlichen iranischen Uran-Anreicherungsprogramms legten, konnte niemand den Tatsachen widersprechen – das tat ja nicht einmal der Iran selbst. Aber ein Uran-Anreicherungsprogramm ist kein Waffenprogramm – und die "Beweise", die für Irans Forschungsaktivitäten in diesem Bereich geliefert wurden, werden auch von manchen Experten mit einiger Vorsicht bewertet.

Verdächtige Aktivitäten

Teheran hat immer alle Waffenaktivitäten bestritten. Die gleichzeitig mit dem JCPOA – Joint Comprehensive Plan of Action, das ist der komplizierte Name für das, was medial Iran-Deal genannt wird – beschlossene "Roadmap" zwischen Teheran und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) soll spätestens Mitte Dezember Auskunft darüber geben, ob an den sogenannten PMDs (Possible Military Dimensions) etwas dran ist. Ohne Roadmap-Umsetzung kann es auch keinen "Implementation Day" für den JCPOA geben.

Das nach dem Golfkrieg 1991 im Irak entdeckte – in den meisten Teilen recht rudimentäre – Atomwaffenprogramm wurde zerschlagen. Dennoch war es politisch wichtig, das irakische Atom-Bedrohungsszenario aufrechtzuerhalten, um nicht Abrüstungserfolge anerkennen zu müssen: Das hätte dem Irak den Weg aus den Sanktionen geebnet, die nach der Kuwait-Invasion im August 1990 verhängt wurden. In dieser Situation kamen abenteuerlich aufgebauschte Informationen von irakischen Überläufern, die sich im Westen Lorbeeren verdienen wollten, ganz recht. Wie viel davon die Geheimdienste, die diese Informationen weiterleiteten, selbst glaubten, sei dahingestellt.

Angeblicher unterirdischer Reaktor

Eine dieser Informationen betraf etwa einen angeblichen geheimen unterirdischen Reaktor, dessen Eingänge unter Wasser im Flussbett des Tigris vermutet und in einer großangelegten Inspektion von Tauchmannschaften dort auch gesucht wurden.

Als eifriger Informationslieferant galt Israel, das 2003 eines der Länder war, die ganz stark für den Krieg waren – woran auch Obama erinnern will. Aber bereits damals sagten israelische Strategen ganz offen, dass ihnen nicht Bagdad, sondern Teheran Kopfzerbrechen bereitete. Die paradoxen Folgen der Beseitigung Saddams, den Aufstieg des Iran unter anderem zum atomaren Schwellenland, sagten auch sie nicht vorher. Trotzdem wollen – auf beiden Seiten – heute wieder alle ganz genau wissen, was mit oder was ohne Atomdeal passieren wird. (Gudrun Harrer, 6.8.2015)