Immer mehr Menschen leiden unter Kurzsichtigkeit (im Bild: Seattle durch die Brille).

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Immer mehr Menschen sind kurzsichtig. In den USA stieg der Anteil der Betroffenen an der Gesamtbevölkerung bereits auf mehr als 40 Prozent, auch in Österreich geht der Trend in diese Richtung. Mit Brille und Kontaktlinsen kann man die Kurzsichtigkeit zwar gut ausgleichen, doch sehnen sich viele nach einer Alternative. Und finden sie immer öfter in Laseroperationen, die sich seit einigen Jahren enormer Beliebtheit erfreuen.

Eine erste Langzeitstudie aus den USA hat ergeben, dass insgesamt 90 Prozent der Patienten mit dem Ergebnis ihrer Laseroperation zufrieden sind. Das bedeutet aber auch: Immerhin jeder Zehnte ist enttäuscht. Einige klagen seit dem Eingriff über große Trockenheit oder ein Fremdkörpergefühl beim Zwinkern. Schlimmere, immer noch relativ häufige Komplikationen sind Blendeffekte (Halos), unscharfes Sehen bei schlechtem Licht oder auch extreme Lichtempfindlichkeit. Auch Lichtblitzen, Schleier im Gesichtsfeld oder Doppelbilder können daraus resultieren.

Allerdings recht selten. Bei der großen Mehrheit verschwinden etwaige Beschwerden innerhalb der ersten drei Monate. Einige Betroffene sind jedoch dauerhaft so weit beeinträchtigt, dass sie ihr Auto nach Einbruch der Dunkelheit stehen lassen müssen. Und auf ein mögliches Weiterwachsen des Augapfels hat der Eingriff keine Auswirkungen: Daher werden einige der Behandelten nach der OP erneut kurzsichtig – und braucht wieder eine Brille oder Kontaktlinsen.

Neue Therapien

Auch aus diesem Grund forschen Neurobiologen wie Frank Schaeffel von der Universitätsklinik Tübingen an neuen Therapieformen, die zumindest das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit bremsen. Die Hoffnung vieler Optiker und Augenärzte, dass Brillengläser mit einer etwas zu schwachen Korrektur der Fehlsichtigkeit die Augen stärker fordern und schon dadurch gesünder halten würden, müssen sie leider enttäuschen – in ihrer Studie brachte das keine Verbesserung.

Ein interessanter Ansatz sind hingegen Spezialgläser, die die Kurzsichtigkeit nur im Zentrum des Blickfelds voll ausgleichen, den äußeren Bereich hingegen leicht kurzsichtig belassen. In Tierversuchen konnte man auf diese Weise das Längenwachstum des Augapfels deutlich verlangsamen. "Beim Menschen besteht da aber noch viel Forschungsbedarf", so Schaeffel.

Atropin setzt Dopamin frei

In Asien, wo Kurzsichtigkeit schon beinahe das Ausmaß einer Epidemie erreicht hat, sind sogar bereits Medikamente gegen dieses Leiden auf dem Markt. Starke Medikamente. Bei Kindern setzen Augenärzte dort auf Atropin, eine Substanz aus der Tollkirsche. Atropin löst verstärkt die Freisetzung des Botenstoffs Dopamin in der Netzhaut des Auges aus, was das Längenwachstum des Augapfels nachweislich verlangsamt.

Doch das Medikament ist umstritten. "Atropin-Tropfen bewirken oft erhöhte Lichtempfindlichkeit oder verschwommenes Sehen", sagt Michael Amon, Vorstand der Augenabteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Wien. "Darüber hinaus ist Atropin toxisch." Insbesondere ein Einsatz zur Behandlung von Kindern, wie in Asien, erscheint ihm daher sehr bedenklich. In Österreich sind Atropin-Tropfen bisher nicht zugelassen.

Forscher aus Singapur stellten nun aber fest, dass Atropin das Längenwachstum des Auges auch dann noch hemmt, wenn es hundertfach verdünnt wird – und dadurch für den Organismus viel besser verträglich ist. "Ich denke, dass dies Substanz, niedrig dosiert, in Zukunft auch in Europa eine größere Rolle spielen wird", sagt Augenexperte Schaeffel.

Mehr Zeit draußen

Wenn man neusten Studien glaubt, würde es in vielen Fällen allerdings völlig ausreichen, wenn Kinder und Jugendliche einfach mehr Zeit im Park oder auf dem Fußballplatz verbringen. Wissenschafter aus China haben unlängst eine verblüffende Entdeckung gemacht. Das Längenwachstum des Augapfels – und die damit verbundene Verstärkung der Kurzsichtigkeit – lässt sich bei Sechsjährigen bereits bremsen, wenn man die Kinder pro Tag nur eine Stunde länger als üblich unter freiem Himmel spielen lässt.

Und auch Langzeituntersuchungen an insgesamt 4.000 australischen Schülern ergaben: Je mehr Zeit junge Menschen draußen verbringen, desto geringer ist ihr Risiko, kurzsichtig zu werden. So verblüffend das klingen mag: Sonnenbaden scheint vorzubeugen.

Die Rolle von Dopamin

Wahrscheinlich spielt dabei der Botenstoff Dopamin, dessen Ausschüttung im Körper durch Sonnenlicht angeregt wird, eine wichtige Rolle. Andere Experimente haben bereits gezeigt, dass Sonnenlicht seine präventive Wirkung gegen Kurzsichtigkeit nicht entfaltet, wenn man die Aktivität von Dopamin hemmt.

"Das sind spannende Ergebnisse", sagt Amon. "Die Studien müssen aber noch präziser werden." Wie intensiv muss das Tageslicht zum Beispiel sein? Und zeigen sich auch bei bedecktem Himmel Effekte? "Vielleicht", so Amon, "können wir dann eines Tages tatsächlich entsprechende Empfehlungen aussprechen." (Till Hein, 12.8.2015)