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Operationen machen Angst. Musik kann diese Angst verringern, meinen britische Wissenschaftler.

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In der US-Serie Nip/Tuck eine durchgängige Kombination: Musik und chirurgischer Eingriff.

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London – Eine Sequenz zählte bei der US-amerikanischen Serie "Nip/Tuck", in der sechs Staffeln lang die Schönheitsindustrie auf die Schaufel genommen wurde, zum Standardrepertoire: Die Patientin oder der Patient liegt anästhesiert auf dem OP-Tisch, sämtliche Arbeitsgeräte sind akkurat platziert: Fräse, Säge, Skalpell, Scheren, Zangen, Klemmen, Tupfer. Doch bevor die beiden Chirurgen Christian Troy und Sean McNamara zum Schnitt ansetzen, musste noch für die passende Stimmung gesorgt werden. Das bedeutet: Den CD-Player starten und anschließend zu Gassenhauern von Roxy Music, Diana Ross oder Village People sägen, schnippeln und nähen.

Ein abwegiges Szenario? Keineswegs. Britische Wissenschaftler haben nun den Effekt von Musik vor, während und nach Operationen unter die Lupe genommen. Dazu berücksichtigten sie die Ergebnisse von 73 randomisiert kontrollierten Studien, die sich mit der musikalischen Beschallung im OP-Saal befassten. Geprüft wurde dabei die postoperative Aufenthaltsdauer im Krankenhaus, der Bedarf an Schmerzmitteln und das Angst-Level der Patienten im Vergleich zur standardisierten Therapie nach einer Operation und anderen Behandlungen, wie etwa Massagen.

An den ausgewerteten Studien nahmen jeweils 20 bis 458 Patienten teil, insgesamt knapp 7.000 Menschen. Das Ergebnis: Musik mindert signifikant den Bedarf an Schmerzmitteln und reduziert postoperative Stress- bzw. Angstzustände. Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verkürzte sich durch die musikalische Intervention allerdings nicht, schreiben die Forscher im Fachjournal "The Lancet".

Musik wirkt auch unter Vollnarkose

Die Analyse inkludierte ausschließlich Erwachsene, die sich einem chirurgischen Eingriff mit oder ohne Vollnarkose unterziehen mussten. Ausgeschlossen waren Patienten, die am Kopf oder Hals operiert wurden.

Die Versuchspersonen wurden über Kopfhörer oder Lautsprechern beschallt. Die Art der Musik und der Zeitpunkt der Beschallung machten kaum einen Unterschied aus. In der Regel seien für die Tests jedoch beruhigende Stücke gewählt worden. Selbst bei Patienten unter Vollnarkose zeigte die akustische Intervention einen positiven postoperativen Effekt.

Keine Zwangsbeglückung

Erste Versuche dazu sind bereits aus dem Jahr 1914 dokumentiert, berichten die Forscher: "Wir vermuten seit Anfang des 20. Jahrhunderts, dass Musik während einer Operation einen positive Wirkung auf die Patienten hat. Sie sind dadurch ruhiger und weniger ängstlich. Wir haben nun sämtliche kleinen Studien zu diesem Thema zusammengefasst und konnten damit einen echten Beweis liefern", sagt Co-Autor Martin Hirsch von der Queen Mary University in London.

In zwei Pilotprojekten soll nun die musikalische Intervention im Royal London Hospital weiter erprobt werden: Bei Frauen, die sich einer Gebärmutterspiegelung unterziehen müssen und Kaiserschnitt-Patientinnen.

Von einer musikalischen Zwangsbeglückung ist allerdings abzuraten: 2013 kamen die Autoren eines Artikels im "American Journal of Critical Care" zu dem Ergebnis, dass Patienten immer erst gefragt werden sollten, ob sie Musik hören wollen. Außerdem sei es sinnvoll, dass sie ihre Lieblingsmusik mitbringen können. Die Hoffnung der britischen Forscher: Zukünftig sollte es nicht mehr außergewöhnlich sein, wenn Musik aus dem OP-Saal dringt. (gueb, 13.8.2015)