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Müll häuft sich auf den Straßen Beiruts.

Foto: AP Photo/Bilal Hussein

Beirut – Die Libanesen verlieren ihren Humor nicht: "Lasst den Mist hier und helft uns beim Auswandern", zitiert die Tageszeitung "The Daily Star" einen Mann in einem Beiruter Café: Zu den politischen Problemen, dem Krieg im Nachbarland Syrien und dem nicht zu bewältigenden Flüchtlingsansturm – weit über eine Million bei einer Bevölkerung von weniger als viereinhalb Millionen –, dem extrem heißen Sommer mit den üblichen Stromengpässen, zu dem ein zusätzlicher Schaden im wichtigsten Kraftwerk des Landes kommt, gesellt sich noch die seit Wochen andauernde Abfallkrise. Beirut erstickt im Müll.

Wiederholt hat die Regierung das bevorstehende Ende der Krise verkündet, aber das Problem ist systemisch und nicht schnell zu lösen. Der Blogger Ramez Dagher veröffentlichte kürzlich auf "Moulahazat" von Wikipedia ge leakte US-Botschaftsberichte aus den 1970ern: Auch dort kommt schon neben der politischen Krise der Mistnotstand vor.

Ausgelöst wurde der derzeitige Zustand durch den Entschluss der Regierung, nach langen Protesten der Anrainer am 17. Juli die überfüllte Mülldeponie für Beirut, Naameh, zu schließen. Sie war 1997 eingerichtet worden: als Provisorium. Die Schließung erfolgte allerdings, ohne dass neue Ablageplätze designiert wurden, und in der Folge setzte der Entsorger Sukleen – Monopolist in Beirut und Teilen des Libanon – die Arbeit aus.

Es stinkt zum Himmel

Der Mist auf Beiruts Straßen begann schnell zu wachsen – und zum Himmel zu stinken. Zwar nahm die Müllabfuhr die Arbeit nach zehn Tagen wieder auf, aber der Müll bleibt trotzdem liegen – oder landet irgendwo. In Beirut ist das Problem medienwirksam eskaliert, aber auch anderswo gibt es die gleichen Probleme.

Umweltminister Mohammed Machnouk, dessen Rücktritt tausende Demonstranten am Wochenende forderten, sucht nun nach Alternativen zu Sukleen – bei öffentlichen Ausschreibungen bewarb sich für die Region Beirut und die nördlichen Vororte aber zumindest bis vor kurzem keine Firma: Denn wohin sollte man entsorgen, wenn es keine Deponie gibt. Auch über den Mistexport ins Ausland wurde schon diskutiert, auch wenn sich das der Libanon eigentlich finanziell nicht leisten kann.

Diskussion über Müllvermeidung und Recycling

Vielleicht hat die Abfallkatastrophe aber auch eine kathartische Wirkung, zumindest hoffen das die Grün-Bewegten, und die gibt es im Libanon: Erstmals wird ernsthaft über Müllvermeidung und Recycling diskutiert. Sänger und Umweltaktivist Paul Abi Rached, der seit Jahren mehr Umweltbewusstsein predigt, hat plötzlich ein ganz neues Publikum.

Auch, dass das ewige konfessionelle Hickhack im Libanon genau jene Energie kostet, die zur Lösung von wichtigen Zukunftsherausforderungen gebraucht würde, ist plötzlich ein Thema. Das Problem ist jedoch, dass auch die Ausschreibung und Vergabe der neuen Firmenkontrakte im ganzen Libanon wieder genau entlang dieser vorgegebenen politischen Linien laufen dürften, sagen Beobachter. Überall will die dominierende Gruppe ein Stück vom finanziellen Kuchen abschneiden, den das Umweltministerium verwaltet. (guha, 13.8.2015)