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Gedenkfeier für den im März 2014 gefallenen Hilal al-Assad, dessen halbstarker Sohn Suleiman nun zum ernsten Problem für das Regime werden könnte. Viele Alawiten haben von den Assads genug.

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Damaskus/Wien – Mit der Verhaftung seines Cousins versuchte Bashar al-Assad diese Woche die Notbremse zu ziehen: Nachdem Suleiman al-Assad einen Kommandanten der regimetreuen "Nationalen Verteidigungskräfte", Hassan Mahmud al-Shaikh, bei einem Streit wegen eines Überholmanövers niedergeschossen und umgebracht hatte, waren alawitische Demonstranten in Latakiya auf die Straße gegangen und hatten die Hinrichtung Suleimans gefordert.

Der für seine Gewalttätigkeit berüchtigte 18-Jährige reagierte auf die Proteste und auf eine Internetkampagne gegen ihn mit wüsten Drohungen, bevor er festgenommen wurde. Suleiman ist einer der Söhne des im März 2014 bei Kämpfen mit Rebellen getöteten Hilal al-Assad, eines Enkels des Halbbruders von Hafiz al-Assad, dem Vater Bashars.

Hilal und Suleiman al-Assad sind nur zwei Namen von Verwandten des syrischen Präsidenten, die für die "Shabiha" stehen, ursprünglich Schmuggler und Gangster aus der Familie, die ihre Nähe zur Macht ausnützten, um ungestraft ihren kriminellen Machenschaften nachkommen zu können. Ihr primitives Protzertum stieß schon früher auf Abscheu in einer teils arm gebliebenen Gesellschaft in den alawitischen Kerngebieten.

Übergriffe und Gewalt blieben ungestraft. Mit dem Ausbruch des Kriegs in Syrien wurden die Shabiha zu einer gefürchteten Pro-Regime-Miliz, zuerst vorwiegend der Alawiten – der Religionsgemeinschaft, aus der die Assads ursprünglich stammen. Es gibt aber auch durchaus nichtalawitische Shabiha. Später wurde der Begriff von der Opposition nicht ganz exakt allgemein auf Assad-treue paramilitärische Gruppen angewandt.

Spannungen gehen viel tiefer

Suleiman al-Assads Ermordung eines alawitischen Kommandanten legte einmal mehr die Bruchstelle zwischen den Shabiha und den "normalen" Alawiten bloß – aber die Spannungen gehen noch viel tiefer. Überdeutlich wurde das nach der Einnahme der Luftwaffenbasis Tabqa bei Raqqa durch den "Islamischen Staat" im Dezember 2014, wo mindestens 120 syrische Soldaten, viele davon junge Alawiten, massakriert wurden.

Es folgten Proteste und Internetkampagnen, bei denen das Regime beschuldigt wurde, die loyalen Alawiten die Rechnung für das eigene Überleben bezahlen zu lassen. Bei Begräbnissen der Toten von Tabqa wurden in Latakiya Slogans wie "So Gott will, werden wir das Begräbnis deines Sohns besuchen" gerufen. Alawiten-Demonstrationen gab es auch in Homs und Tartus.

Den Assads wird vorgeworfen, nicht die Interessen und das Leben der Alawiten zu schützen, sondern höchstens die ihres eigenen Stamms (der Kalabiya) und engeren Clans. Ressentiments betreffen auch die Tatsache, dass die Assads ja keinesfalls das traditionelle Alawitentum fördern, sondern sich selbst als Sunniten stilisieren: Die Verfassung verlangt einen Sunniten als Staatspräsidenten. Hafiz al-Assad, der Syrien von 1970 bis 2000 regierte, galt trotzdem als Patriarch aller und als quasireligiöse Figur. Bashar ist das nie gelungen. Viele Alawiten hält nur die Angst vor den Jihadisten – für die sie Ketzer und Vogelfreie sind – beim Regime.

Fragmentierung

Für den syrischen Präsidenten kommt die Krise völlig zur Unzeit: In einer Zeit, in der die syrische Armee an Rekrutierungsproblemen leidet – wie Assad selbst jüngst in einer Rede zugab –, muss das Regime darauf schauen, dass die militärischen "Subunternehmer" funktionieren. Nicht nur die Opposition ist fragmentiert, das gilt auch für die Pro-Assad-Kräfte.

Von den Shabiha über die "Volkskomitees", "Nationale Verteidigungskräfte", die "Volksarmee" (das ist die Miliz der Baath-Partei), die "Küstenschild-Brigade" in Latakiya: Die Aufsplitterung des Unterdrückungsapparats straft die Regime-Propaganda, die die Existenz einer starken Zentralmacht vermitteln will, Lügen.

Für Assad ist nicht nur wichtig, Kontrolle über alle Gruppen auszuüben – beziehungsweise wiederzuerlangen –, um dem Rebellendruck standhalten zu können. Die Dezentralisierung macht aus den diversen Kräften potenzielle Warlords, die auch auf eigene Rechnung kämpfen könnten, vielleicht einmal auch gegen das Regime. (Gudrun Harrer, 14.8.2015)