Benjamin Hackl mit einer symbolischen "Sponsionsrolle". Für Mathematik hat sich der 20-jährige Absolvent entschieden, weil ihn deren "gleichzeitig ästhetische und formal-exakte Sprache" fasziniert.

Foto: René Schöffmann / AAU

STANDARD: Sie sind mit 20 Jahren der jüngste Absolvent eines Masterstudiums an der Uni Klagenfurt und können "Dipl.-Ing." auf Ihre Visitenkarte schreiben. In der Redaktion hat eine Kollegin gescherzt: "Der Doogie Howser von Klagenfurt". Diese US-Serienfigur wurde mit 14 der jüngste Arzt des Landes, sein reales Vorbild praktizierte mit 22 als Arzt. Was ist das für ein Gefühl, mit 20 Uniabsolvent zu sein?

Hackl: (lacht) Es ist ein relativ spannendes Gefühl, nachdem ich schon seit mehreren Jahren darauf hinarbeite und das jetzt abgeschlossen ist, was aber auch ein bisschen seltsam ist, also ein lachendes und ein weinendes Auge.

STANDARD: Wie und wann sind Sie denn überhaupt an die Universität Klagenfurt gekommen?

Hackl: Ich habe mich im Alter von 15 an der Uni eingeschrieben. Es gibt das Programm "Schüler/innen an die Hochschulen" des Österreichischen Zentrums für Begabtenförderung. In diesem Rahmen bekommt man eine Freistellung für die Schule, und ich bin dann an einem Tag in der Woche an die Uni gekommen und habe dort Kurse belegt. Auf die Idee bin ich damals gekommen, weil ich das Talentecamp besucht habe, eine Veranstaltung der Universität, wo man ein bisschen Einsicht in die verschiedenen Fachrichtungen bekommt. Das war eine Woche mehr oder weniger so wie Unterricht, nur dezidiert Mathematikunterricht. Das habe ich ziemlich spannend gefunden, und dann ist die Idee entstanden, dass ich das weitermachen könnte.

STANDARD: Haben Sie das selbst in die Wege geleitet, oder hatten Sie Unterstützung? Hatten die Eltern einen Bezug zur Uni und waren treibend, weil es ja eher ungewöhnlich ist, dass ein 15-Jähriger sagt, ich möchte an die Uni gehen?

Hackl: Da waren mehrere Personen beteiligt. Auf der einen Seite war da die Sekretärin bei uns in der Schule am Bundesrealgymnasium Viktring, die uns darauf hingewiesen hat, dass es dieses Talentecamp gibt und dass ich mir das mal anschauen möge. Auf der anderen Seite haben mich natürlich meine Eltern unterstützt in meiner Entscheidung. Mein Vater ist selbstständiger Informatiker, und meine Mutter ist Therapeutin.

STANDARD: Wie war es dann konkret, Schule und Uni zu verbinden? Wie muss man sich das vorstellen?

Hackl: Es ist Gott sei Dank an einem Tag in der Schule nicht so viel passiert, dass es nicht mehr nachzuholen gewesen wäre. Das hat immer funktioniert, dass ich den Stoff, der an dem Tag passiert ist, dann nachgeholt habe. Und an der Uni habe ich es fast immer geschafft, dass alle meine Kurse an dem einen Tag gestaffelt waren.

STANDARD: Warum gerade Mathematik?

Hackl: Es ist einfach die Liebe zur Mathematik da. Man muss Mathematik einfach mögen, damit man gut arbeiten und sie studieren kann.

STANDARD: Was ist das Schöne an der Mathematik?

Hackl: Auf der einen Seite die Ästhetik der Sprache selbst und auf der anderen Seite natürlich auch die Exaktheit, dieses Verbinden einer gleichzeitig ästhetischen und formal-exakten Sprache ist faszinierend.

STANDARD: Doogie Howser firmierte als "Wunderkind". Würden Sie sagen, Sie sind ein Genie?

Hackl: (lacht) Nein, würde ich nicht sagen. Ich bin nur einfach mathematisch interessiert.

STANDARD: Wie haben Sie denn den Mathematikunterricht in der Schule empfunden? War das der Impuls, dass Sie das Gefühl hatten, da eröffnet sich eine Welt, die Sie fasziniert?

Hackl: Die Schule hat die Rolle gespielt, dass sie mich auf das Talentecamp an der Uni Klagenfurt aufmerksam gemacht hat. Der Unterricht per se war's eigentlich nicht.

STANDARD: Haben Sie sich in der Schule auch gelangweilt?

Hackl: Teilweise, aber erst, nachdem ich zu studieren angefangen habe, ab da war der Schulunterricht langweilig. Es war nix mehr Neues da.

STANDARD: Hätten Sie sich also als sehr begabter Schüler in der Schule einen anderen Mathematikunterricht gewünscht?

Hackl: In meinem zweiten Semester, da war ich dann in der sechsten Klasse und habe das Wahlpflichtfach Mathematik besuchen können, hatte ich das Glück oder den Zufall, dass einer der Dozenten von der Uni das bei mir in der Schule unterrichtete. Das hat sich schön ergänzt. Ich habe also in der Schule immer eine Anlaufstelle gehabt. In der Fünften hat es das noch nicht gegeben, aber da hätte ich mir auch keinen anderen Unterricht gewünscht. Der hat genau gepasst.

STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie an der Uni gemacht – immer als Jüngster?

Hackl: In den Vorlesungen hat man es am Anfang de facto nicht mitgekriegt, denn da bin ich meistens immer irgendwo hinten gesessen. Das war egal. In den Übungen war's dann ähnlich, da bin ich zwar auch immer hinten gesessen, aber da kommt dann halt der Punkt, wo man einmal an der Tafel vorn etwas vorrechnen muss. Das ist dann schon ein bisschen seltsam gewesen, am Anfang zumindest. Später, als man mich gekannt hat, dann nicht mehr.

STANDARD: Sind Sie auch einmal bei einer Prüfung durchgefallen?

Hackl: Durchgefallen nie, nein.

STANDARD: Und gibt es Fächer, die Ihnen zumindest in der Schule überhaupt nicht gelegen sind?

Hackl: Die Schule ist positiv abgelaufen, aber es waren trotzdem Fächer dabei, die nicht so ganz meinem Geschmack entsprochen haben. Also ich bin nicht sonderlich künstlerisch veranlagt.

STANDARD: Hatten Sie das Gefühl, dass Sie – abgesehen von der mathematischen Kompetenz, in der Sie mit den anderen zumindest gleichauf oder sogar weiter als sie waren – den Älteren an der Uni in bestimmten Dingen auch unterlegen waren? Immerhin waren Sie ein Teenager. Haben Sie sich an der Uni manchmal auch etwas verloren oder überfordert gefühlt?

Hackl: Es war am Anfang natürlich eine neue Erfahrung, dieses Vorlesung-Übung-Prinzip habe ich aus der Schule natürlich nicht gekannt. Das war neu für mich, hat sich aber auch relativ schnell eingependelt. Das, was ein bisschen mehr Probleme gemacht hat, war, dass ich, einfach dadurch, dass ich ein Quereinsteiger war und meine ganzen Kurse mehr oder weniger kreuz und quer gemacht habe, nie wirklich in einem Jahrgang dabei war. Ich hatte zwar schon einige Kollegen, mit denen ich dann mehr zu tun hatte, aber es war nie wirklich so, dass ich sagen konnte, ich bin jetzt im Jahrgang soundso.

STANDARD: Sie haben in Ihrer Teenagerzeit studiert. Konnten Sie auch "richtig" Teenager sein, oder haben Sie das Gefühl, dass Sie vielleicht auch etwas versäumt haben?

Hackl: (lacht) Das kommt darauf an, was Sie unter "richtig" Teenager sein verstehen.

STANDARD: Gute Gegenfrage. Vielleicht die Tatsache, dass ein Studium effizient und erfolreich zu organisieren und durchzuziehen ja doch auch eine andere Verantwortung und auch Disziplinierung des eigenen Lebens bedeutet, als eine strukturierte Schule zu durchlaufen.

Hackl: Ein Teil Disziplin gehört schon dazu, und vielleicht war’s einfach so, dass ich zumindest an einem Tag in der Woche ein bisschen disziplinierter war als an den restlichen Tagen.

STANDARD: Wie soll es nun weitergehen? Sie sind momentan als Projektassistent an der Uni Klagenfurt.

Hackl: Ja, ich bin in einem Projekt von Clemens Heuberger angestellt und habe da einen Platz für die nächsten drei Jahre. In diesem Rahmen kann ich meine Dissertation schreiben.

STANDARD: Mit welchem Bereich der Mathematik beschäftigen Sie sich speziell?

Hackl: Mit Kombinatorik. Das ist der gleiche Bereich, mit dem sich Stephan Wagner, der unlängst im STANDARD porträtiert wurde, beschäftigt. Er kommt von der Stellenbosch University in Südafrika und ist der erste Fellow am neu gegründeten Karl Popper Kolleg an der Uni Klagenfurt. Wir kooperieren unter anderem mit ihm.

STANDARD: Ist Ihr Ziel, weiterhin an der Universität zu bleiben?

Hackl: Vorerst ja. Ich möchte auf jeden Fall ein Doktorat fertigmachen, da werde ich sicher auch ins Ausland gehen, da würde sich wegen unserer Kollegen Helmut Prodinger und Stephan Wagner unter anderem Südafrika anbieten. Ob’s danach wirklich weitergeht mit der Universität, kann ich jetzt einfach nicht sagen. Das ist zu früh.

STANDARD: Sie haben die Situation der Universität in sehr jungen Jahren erlebt. Was würden Sie sich von der Unipolitik wünschen?

Hackl: Schwierige Frage. Die Situation mit den Anstellungsverhältnissen ist auf jeden Fall nicht sonderlich förderlich für Jungwissenschafter, das kann man genauso sagen. Stichwort Prekariat. Es gibt wenige neue Stellen, und die, die ausgeschrieben werden, sind oft auf genau eine Person zugeschnitten. Auch die Kettenvertragsregel ist nicht förderlich.

STANDARD: Die Regierung streitet oft und gern über das Thema Unizugang. Welche Position vertreten Sie im Zusammenhang mit Zugangsregelungen?

Hackl: In den technischen Studien haben wir das Problem schlicht und ergreifend nicht, zumindest in Klagenfurt schon gar nicht. An den größeren Unis verstehe ich, dass es Platzprobleme gibt. Ich habe da keine vorgefertigte Meinung zu dem Thema. Es gibt überzeugende Argumente für und es gibt überzeugende Argumente gegen Zugangsbeschränkungen.

STANDARD: Noch ein unipolitisches Streitthema sind Studiengebühren. Wie würden Sie sich da positionieren? Sie haben in einer Zeit studiert, in der keine zu zahlen waren.

Hackl: Genau, ich bin aber prinzipiell für Studiengebühren, weil sie unter anderem auch die Finanzierung der Universitäten ein bisschen entlasten würden. Ich habe mich damit aber nicht im Detail beschäftigt.

STANDARD: Was würden Sie sich für Schülerinnen und Schüler, die besonders begabt sind, von der Bildungspolitik wünschen?

Hackl: Ich würde mir wünschen, dass Lehrer besser darauf achtgeben, dass sie Schüler in der Klasse haben, die sich vielleicht wirklich sehr für die Materie interessieren, und dass es mehr Hinweise auf das österreichische Zentrum für Begabtenförderung gibt. Das wird meines Wissens nach so gut wie überhaupt nicht gemacht.

STANDARD: Was machen Sie, wenn Sie sich nicht gerade mit Mathematik beschäftigen?

Hackl: Im Sommer zum Beispiel gern an den See gehen, der zum Glück keine acht Gehminuten von der Uni entfernt ist. Ich bin auch musikaffin und spiele ein bisschen Gitarre. (Lisa Nimmervoll, 19.8.2015)