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Der Präsident der kurdischen autonomen Region, Massud Barzani, Anfang August bei einer Rede in Dohuk. Sein Mandat läuft aus, über die Nachfolge wird gestritten.

Foto: REUTERS/Ari Jalal

Erbil/Wien – Alles lief zuletzt auf eine zumindest provisorische Verlängerung der Präsidentschaft von Massud Barzani in der autonomen kurdischen Region im Nordirak hinaus, aber das Ringen darum hielt auch am Tag vor dem Auslaufen von Barzanis Mandat am Donnerstag an. Zur Frage, wie die kurdische Präsidentschaft künftig aussehen soll – und ob Barzani während der Zeit, in der sich der Irak und die Kurdengebiete im Krieg mit dem "Islamischen Staat" (IS) befinden, nicht besser noch länger im Amt bleiben sollte -, konnte vorerst kein Konsens zwischen den kurdischen Parteien gefunden werden.

Massud Barzani (69), Sohn des legendären kurdischen Freiheitskämpfers Mullah Mustafa Barzani, wurde 2005, zwei Jahre nach der US-Invasion im Irak, vom kurdischen Parlament zum Präsidenten der Autonomieregion gewählt. 2009 wurde er in einer Volkswahl mit fast 70 Prozent bestätigt, 2013 wurde dieses Mandat vom Parlament um noch einmal zwei Jahre verlängert: Immer mit der Aussicht, dass eine kurdische Verfassung das Regierungssystem für Kurdistan und damit auch Wahl und Rolle des Präsidenten neu regeln würde. Noch immer arbeitet ein Parlamentsausschuss an einem mittlerweile sechs Jahre alten Entwurf. Die Frage nach den Präsidentenbefugnissen ist nicht die einzige, an der es sich spießt. Ein anderer umstrittener Punkt ist etwa die Rolle des Islam in der Verfassung und damit im Staat.

Politisches Vakuum

Am Dienstag hatte sich der irakische Staatspräsident Fuad Massum, ein Kurde, in die Gespräche eingeschaltet, auch USA und Uno warnten vor den destruktiven Folgen des politischen Vakuums. Barzani blieb zuletzt im Hintergrund und forderte die Parteien auf, sich zu einigen. Barzanis KDP (Kurdische Demokratische Partei) tritt naturgemäß für eine Verlängerung des Mandats mit allen Befugnissen ein, auch der "Konsultativrat" der Regierung gab eine – nicht bindende – Empfehlung dafür ab.

Die Bandbreite der anderen Parteien reicht von totaler Ablehnung – Barzani werden "monarchistische" Tendenzen vorgeworfen – bis zur Zustimmung. Die wichtige Oppositionpartei Gorran, die auch den Parlamentspräsidenten stellt, verlangte zumindest eine Einschränkung der Befugnisse. Die KDP verhinderte am Mittwoch durch Boykott eine Dringlichkeitssitzung, sie setzt auf eine Einigung außerhalb des Parlaments.

Der Zwist um die kurdische Präsidentschaft fällt in eine Zeit, in der sich Erbil (Sitz der Autonomieregierung) politisch weiter von Bagdad entfernt. Zwar haben im Parlament in Bagdad vor zehn Tagen ausnahmslos alle den Reformplänen von Premier Haidar al-Abadi zugestimmt. Nun, da ethnisch-konfessionell vergebene Quotenposten in Institutionen tatsächlich gestrichen werden, fürchten die Gruppen einen Bedeutungsverlust. Die Kurden etwa verlieren einen Vizepremier und einen anderen hohen Posten im Amt des Ministerpräsidenten. Abadi hat das Kabinett um ein Drittel gestutzt, daran glauben müssen auch die Ministeriumsberater. Zwar feuert Abadi Schiiten ebenso, aber manche Kurden und Sunniten sind trotzdem davon überzeugt, dass der schiitische Premier künftig auf eine schiitische Kernmannschaft bauen will.

Frontalangriff auf Maliki

Andererseits fordert Abadi auch seinen Parteigenossen und Vorgänger als Premier, Nuri al-Maliki, frontal heraus. Maliki hat, wie die anderen Vizepräsidenten auch, durch Abadis Reform sein Amt verloren. Vor allem jedoch verlangt nun ein parlamentarischer Untersuchungsbericht ein gerichtliches Vorgehen gegen Maliki und andere im Zusammenhang mit dem Fall Mossuls an den IS im Juni 2014. Maliki, der sich im Iran aufhält, wies den Bericht als "wertlos" zurück und verwies auf eine angebliche Verschwörung in Ankara und in Erbil, die zum IS-Vormarsch geführt habe.

Manche stellen die Weisheit Abadis infrage, neben dem militärischen Schlachtfeld, auf dem der Kampf gegen den IS nicht recht vorwärtsgeht, ein neues politisches Schlachtfeld zu eröffnen. Ohne Partner kann er seine politischen und administrativen Reformen nicht durchbringen. Die Bevölkerung hat Abadi zwar weitgehend hinter sich, aber wenn er nicht bald liefert, wird sie sich wieder abwenden. (Gudrun Harrer, 20.8.2015)