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Als Staatspräsident des Iran muss Hassan Rohani immer wieder heikle innenpolitische Gratwanderungen absolvieren – denn die Hardliner sehen die Entwicklung des Landes sehr skeptisch.

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Mohammed Nahavandian, Stabschef von Präsident Hassan Rohani, und der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi (von links nach rechts).

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Wenn Gesandtschaften in vergangenen Zeiten an fremde Höfe reisten, mussten sie oft wochen- und monatelang warten, bis sie vorgelassen wurden. Auch ältere Journalisten können noch darüber erzählen, wie das früher war mit Terminen im Nahen Osten. Heute ist das anders: außer im Iran. Sehr kurzfristig für eine Zeitspanne von vier Tagen zu einem Interview bestellt zu werden, ist bereits etwas ... byzantinisch.

Am vierten Tag – nach der Versicherung, morgen oder übermorgen sei es ganz sicher so weit – bucht man den Rückflug um. Wenn dann am nächsten Tag die Nachricht kommt, Präsident Hassan Rohani habe es sich doch anders überlegt, er gebe kein Interview, hadert man mit Teheran – und seinem Beruf.

Schwacher Trost

Der ORF und DER STANDARD, die das Treffen mit Rohani zugesagt bekommen hatten, wurden mit einem Termin beim Stabsschef des Präsidenten (nicht wirklich) getröstet. Mohammed Nahavandian ist ein in Washington promovierter Ökonom und war, bevor ihn Rohani geholt hatte, Chef der Handelskammer für Industrie, Bergbau und Landwirtschaft. "Al-Monitor" bezeichnete ihn bei seiner Bestellung 2013 als "Modellpolitiker" der Rohani-Regierung: "ein moderater, erfahrener Technokrat mit einem Sinn für Religiosität", westlich geschult, aber loyal den Werten der Islamischen Republik gegenüber. Angeblich hat er eine Greencard, seine Kinder sind in den USA geboren.

Wenn Rohani ein fix zugesagtes Interview absagt, dann steht die Frage im Raum, ob der Druck der Hardliner vielleicht gerade wieder so groß ist, dass er sich nicht zusätzlich exponieren will: Jedes Wort, das er sagt, wird auf die Goldwaage gelegt. Obwohl das Gespräch der österreichischen Journalisten von iranischen gefilmt wird – ein Schauinterview sozusagen, auch das typisch für die Weltgegend –, scheint Nahavandian dieses Problem nicht zu haben.

Reizthema für die Hardliner

Auf die Frage nach dem Potenzial des Atomdeals für Irans Beziehungen mit dem Westen drückt er klar die Hoffnung aus, dass das positive Engagement beiden Seiten so nützen werde, dass die Lust zum Ausbau geweckt wird. Das ist ein Reizthema für die Hardliner: Genau das wollen sie nicht.

Bei der Normalisierung mit den Europäern – speziell mit Österreich – handle es sich ja nur um die Wiederherstellung alter Beziehungen. Sie seien durch die "ungerechten Sanktionen" wegen des iranischen Atomprogramms ebenso gestraft gewesen wie der Iran.

Bei den USA sei es etwas anders, da gebe es eine sehr schwierige Vergangenheit – aber auch hier könne man den Atomdeal "als Test für zukünftige Schritte" sehen. Und eine der wichtigsten Leistungen des Deals sei überhaupt, dass der Iran und die internationalen Verhandler bewiesen hätten, dass, wenn keine Seite auf die totale Niederlage der anderen abziele, für beide eine "Win-win-Situation" herauskäme: "Das ist es, was wir in dieser Welt brauchen, auch bei anderen Konflikten." Das sei ein Sieg für die gesamte Diplomatie, sagt Nahavandian.

"Schadenswelle" für Europa

Das lädt dazu ein, bei Syrien, wo der Iran fest an der Seite des Assad-Regimes steht, nachzuhaken: Könnte es auch da eine diplomatische Lösung geben, die alle zufriedenstellt? Zuerst erinnert Nahavandian an die Warnungen, die Rohani bei seiner ersten Uno-Generalversammlung als Präsident 2013 in New York an seine europäischen Gesprächspartner abgesetzt habe: In Syrien gehe es um Terrorismus, und Europa werde einen hohen Preis zahlen, wenn es untätig bleibe. "Die Schadenswelle wird Europa erreichen", habe Rohani damals gesagt. Nun sei es so weit: Der Terrorismus und die Flüchtlinge seien in Europa angekommen.

Ein von außen orchestrierter "regime change" in Syrien sei keine Lösung, die könne nur innersyrisch sein. Nach seiner Meinung zu den russischen Bemühungen befragt, eine Allianz gegen den Terrorismus zu schmieden, die sowohl Syrien als auch das Assad-feindliche Saudi-Arabien umfasst, antwortet Nahavandian, dass dafür wohl die erste Voraussetzung sei, dass gewisse Staaten damit aufhören, terroristische Gruppen zu unterstützen.

Vision vom Iran in 20 Jahren

Würde der Iran auch die libanesische Hisbollah aus Syrien zurückpfeifen, wenn die anderen nicht mehr intervenieren? Es sei ein Unterschied, ob man Terroristen oder eine Regierung unterstütze, ist die Antwort.

Was für einen Iran stellt sich die Regierung vor, was ist die Vision vom Iran in 20 Jahren, im Inneren – wo es eine Parallelgesellschaft gibt, die sich nur unfreiwillig den Regeln eines islamischen Systems unterwirft – und nach außen, wo viele einen erstarkten Iran an sich, auch ohne Atomprogramm, fürchten?

Herausforderung Umwelt

"In der heutigen Welt sind die Probleme des Nachbarn die eigenen", führt Nahavandian aus: So sei etwa die Umweltpolitik – die Wasserknappheit ist ein großes Thema für den Iran – die echte Herausforderung für die Zukunft. Es gebe so viele mögliche Projekte, die nicht nur dem eigenen Land zugutekommen könnten, sondern der ganzen Region. Der Iran habe nie einen Nachbarn angegriffen und lebe mit den meisten in einem guten Einvernehmen: "Wenn einige Länder eine falsche Vorstellung von uns haben, sind wir bereit, das zu klären – wenn wir das mit den P5+1 (den UN-Vetomächten plus Deutschland) geschafft haben, dann wird uns das auch mit ihnen gelingen."

Und im Inneren? Das Bild des Iran als monolithisch und monoton sei der Verallgemeinerung der westlichen Medien geschuldet, antwortet Nahavandian: "Unterschiedliche Lebensstile waren schon immer Teil unserer Gesellschaft." Und der Wille der Menschen werde den zukünftigen Weg bestimmen, versichert er – mit einem Hinweis, dass Wahlen, wie sie der Iran habe, eine Rarität im Nahen Osten seien.

Zeit ist nicht reif für gewisse Themen

Man lebe in einer Zeit der Veränderungen, der dynamischen Gesellschaften – wobei im Iran die Werte, die Kultur selbstverständlich ein wichtiger Faktor bleiben. Aber "Abgeschlossenheit war noch nie gut für die Prosperität".

Eine Frage bleibt allerdings unbeantwortet: Ob der Wandel nicht auch außenpolitische Auswirkungen haben müsse – auf das gar nicht so populäre Syrien-Engagement im Rahmen der "Achse des Widerstands" oder die iranische Haltung zu Israel, die palästinensischer ist als die Palästinenser. Für diese Themen ist die Zeit wohl noch nicht reif. (Gudrun Harrer aus Teheran, 7.9.2015)