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Caroline de Maigret gilt als Vorzeigepariserin. Nun hat sie gemeinsam mit drei Freundinnen ein Stilbuch geschrieben.

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Auch Brigitte Bardot gilt als Ikone des französischen Stils.

Foto: Dist. RMN – Sam Levin

Die perfekte Frau kann nur eine Französin sein. Das zumindest lassen einen die vielen Ratgeber glauben, die in den letzten Jahren den Sachbuchmarkt überschwemmten. Französinnen, allen voran die Pariserin, sind nicht nur schön, schlank, sexy, sondern auch kultiviert, lässig, unabhängig und vor allem: très chic.

So viel zum Klischee, einem Klischee, dem die meisten Frauen anscheinend nacheifern wollen. Sonst wären die Bestsellerlisten wohl kaum so voll von Büchern mit Titeln wie "Warum französische Frauen nicht dick werden. Das Geheimnis genussvollen Essens", "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind", "Warum Französinnen nicht alleine schlafen. Die Geheimnisse unwiderstehlicher Frauen" und so weiter.

Ratgeber von der Vorzeige-Pariserin

Mit "How to be Parisian wherever you are. Liebe, Stil und Lässigkeit à la française" ist nun schon wieder ein Buch über die ach so tolle Französin erschienen. Geschrieben hat es Model und Vorzeige-Pariserin Caroline de Maigret zusammen mit drei Freundinnen. Es verkauft sich weltweit wie warme Semmeln, wer hätte das gedacht.

Nun ließe sich leicht vermuten, der Mythos der nonchalanten Französin sei eine Erfindung der Ratgeberliteratur. Aber in Wahrheit hat er natürlich schon lange Tradition. Man denke an die eleganten Gesellschaftsdamen am Hof von Ludwig XIV. oder an Marie Antoinette, an Figuren wie Madame de Pompadour, George Sand oder Simone de Beauvoir. Die französische Feministin und Autorin Florence Montreynaud siedelt den Ursprung des Phänomens gegen Ende des 19. Jahrhunderts an. "Am Eingang der Weltausstellung werden die über zehn Millionen Besucher aus aller Welt von der riesigen Statue einer Pariserin empfangen. Mit ihrem schmalen Rock und breitkrempigem Hut, angestrahlt von elektrischen Glühbirnen, steht sie als Symbol für die Hauptstadt der Mode", schreibt sie in "L'aventure des femmes. XXe-XXIe siècle".

Es war die Zeit der Belle Époque, die Zeit, als in Paris die Grands Boulevards und großen Kaufhäuser entstanden. Mode war auf einmal leicht zu finden, und die eleganten Pariser Damen flanierten mit ihr für alle sichtbar auf den Straßen auf und ab, vorbei an den schönen Haussmann-Fassaden. Wenige Jahre später eröffnete Coco Chanel ihre erste Boutique in der Rue Cambon und befreite die Frauen mit ihrer lockeren Taille vom Korsett. 1926 machte sie das berühmte kleine Schwarze zu einem der größten Modetrends aller Zeiten. 1947 wurde Christian Dior für seinen berühmten New Look gefeiert. Kurz: Paris war die unumstrittene Hauptstadt der Mode und seine Bewohnerinnen unweigerlich die Inkarnation des absoluten Chics.

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Man hält sich an Klassiker wie Ballerinas und Trenchcoat – hier die französische Schauspielerin Isabelle Huppert bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai.
Foto: apa/epa/langsdon

Gefühl für Balance

Aber was macht ihn eigentlich aus, diesen berühmten Pariser Chic? Stilrichtungen gibt es auch an der Seine unendlich viele. Hèlene und Irène Lurçat beschreiben in ihrem Buch "Comment devenir une vraie parisienne" (Wie wird man eine echte Pariserin) allein 13 verschiedene Typen der Pariserin, von der Hipsterbraut bis zur Neobourgeoise der Rive Gauche. Trotzdem haben offenbar alle eines gemeinsam: das Gefühl für die richtige Balance. Die Französin sei bei ihrer Kleiderwahl zurückhaltender als die rassige Italienerin oder die exzentrische Engländerin, schreibt Isabelle Thomas in ihrem Buch "Paris in Style. Der persönliche Fashionguide".

Allzu Ostentatives empfindet man in Frankreich schnell als vulgär. Deswegen hält man sich an modische Basics und Klassiker wie Ballerinas, Trenchcoats oder maritime Streifen. Thomas begründet das mit der Bourgeoisie, die in Frankreich Tradition hat. Seit dem 19. Jahrhundert habe sie Regeln auferlegt, um sich gegen die Neureichen abzugrenzen, also diejenigen, die einen gewissen sozialen Status erreicht hätten, ohne die dazugehörige "éducation" und "culture". Will heißen: Die Französin legt nicht nur Wert auf einen eleganten Stil, sondern auch auf eine gewisse Attitüde.

Mühelose Lässigkeit

Dass der Pariser Stil vor allem eine Geisteshaltung ist, glaubt auch Caroline de Maigret. "Die Leute machen sich immer über uns lustig, weil wir ständig auf die Straße gehen, um zu demonstrieren. Aber wir haben hier Rechte erkämpft, auf die wir sehr stolz sind. Es gehört sich einfach nicht, politisch desinteressiert zu sein", sagt sie. Und nach einer kurzen Pause: "Jedenfalls würde man das nie zugeben." Genauso wenig, wie man als Pariserin zugeben würde, dass man Stunden im Bad verbracht hat, um sich hübsch zu machen. Schließlich hat man Wichtigeres zu tun: den Politikteil lesen, ins Kino gehen, eine Ausstellung besuchen. Deswegen werden in der französischen Hauptstadt auch ungemachte Haare zelebriert.

Die gehören unweigerlich zum berühmten "style sans effort" dazu, dieser mühelosen Lässigkeit, die Pariserinnen gerne nachgesagt wird. Caroline de Maigret hängt ihr überlanger Pony übrigens immer tief in die Augen, das Deckhaar trägt sie verwuschelt und ihre maskulinen Hemden gerne ein paar Nummern zu groß.

Um auszusehen wie eine Pariserin, muss es also so wirken, als hätte man sich keine Mühe gegeben, als sei man eben einfach so schön, c'est tout. Französinnen wissen, dass sie dadurch Sinnlichkeit ausstrahlen. Denn welcher Mann träumt nicht von einer Frau, die morgens ungeschminkt aus dem Bett springt, in das Hemd ihres Liebhabers schlüpft und dabei zauberhaft aussieht? "Die Pariserin hat es geschafft, sich von der Perfektion zu befreien und ihre kleinen Fehler in Stärken zu verwandeln", sagt de Maigret. Ein Plädoyer für mehr Natürlichkeit.

Berühmte Pariserin, die nicht aus Paris stammt: Romy Schneider.
Foto: Ministère de la Culture – France / Médiathèque de l'architecture et du patrimoine

Operationen, aufgespritzte Lippen und enthaarte Unterarme sind verpönt. Für ein so emanzipiertes Schönheitsbild darf man den Französinnen ruhig gratulieren. Allerdings gibt es dabei einen klitzekleinen Haken. Denn ganz so mühelos, wie er aussieht, ist der Look der Pariserin natürlich nicht. Ein Großteil dieser charmanten Nachlässigkeiten ist in Wahrheit Inszenierung. Schminken, ohne geschminkt auszusehen, heißt die Devise.

No-Make-up-Look

Also alles nur schöner Schein? In gewisser Weise schon. Die allzeit betörende, perfekte Französin gibt es nicht. Auch sie muss sich ins Zeug legen, um so herrlich nonchalant auszusehen. Zwar entfallen stundenlanges Haareföhnen und aufwendige Lockenwicklerfrisuren, aber machen wir uns nichts vor: Der No-Make-up-Look kann mitunter länger dauern, als hätte man sich schnell ein bisschen Farbe ins Gesicht geworfen. Und mal ganz nebenbei: Niemand muss zwangsläufig aus Paris kommen, um das gewisse "Je ne sais quoi" zu haben. Schließlich kamen einige der berühmtesten Pariserinnen aus dem Ausland: Jane Birkin, Romy Schneider, Josephine Baker, Marlene Dietrich.

Auf Französisch wird es das Buch von Caroline de Maigret übrigens nicht geben. "Ich fände es anmaßend, den Französinnen Ratschläge geben zu wollen", sagt sie. Aber letztlich ist die Pariserin wohl ohnehin ein Fantasiegeschöpf, an das man nur im Ausland wirklich glaubt.


Caroline de Maigret im Interview: "Wir lassen uns gerne treiben"

STANDARD: Sagen Sie, gibt es diese unglaublich nonchalante Pariserin wirklich, oder ist sie nur eine Traumvorstellung?

Caroline de Maigret: Sie existiert natürlich nicht rund um die Uhr, auch eine Pariserin läuft zu Hause mal im Schlabberlook herum. Aber ich finde es ohnehin ziemlich amüsant, dass die Frauen ihre Träume ausgerechnet auf die Pariserin projizieren, denn sie versucht ja gerade alles andere als perfekt zu sein.

STANDARD: Inwiefern?

de Maigret: Viele Frauen fühlen sich unter Druck gesetzt, die perfekte Frau zu sein. Die Pariserin hat sich davon befreit. Weil sie gemerkt hat, dass man diesem Anspruch nur sinnlos hinterherrennt. Deswegen trägt sie auch keine akkurat frisierten Haare und nur wenig Make-up.

STANDARD: Und sieht dabei trotzdem hinreißend aus. Setzt das Frauen nicht noch mehr unter Druck?

de Maigret: In Wahrheit geben wir uns natürlich genauso viel Mühe wie andere auch. Nur soll das keiner merken. Es geht darum, mit seinen Fehlern spielerisch umzugehen. Du kannst nicht kochen? Macht nichts. Lerne einfach ein Gericht und mache es zu deinem Markenzeichen. Und dann schaffst du darum einen Mythos, die "Blanquette de veau" von Caroline zum Beispiel.

STANDARD: Was ist eigentlich falsch daran, zu zeigen, dass man sich schön gemacht hat?

de Maigret: Es ist eine Frage von Macht. In Paris wirst du selten eine Frau mit tiefem Ausschnitt sehen. Die Pariserin trägt eher einen zu großen Pullover, dessen Ausschnitt ihr immer wieder über die Schulter rutscht. So gibt sie dem Mann das Gefühl, dass er einen intimen Moment erwischt hat. Dabei hat sie diesen Pulli natürlich extra zu groß gekauft.

STANDARD: Wie würden Sie den Pariser Stil konkret beschreiben?

de Maigret: Man sollte nicht zu viel auf einmal preisgeben. Ich persönlich trage zum Beispiel immer nur ein auffälliges Kleidungsstück, der Rest sind Basics. Sonst sieht es verkleidet aus. Aber letztlich geht es beim Pariser Stil nicht nur um Mode, sondern vor allem um eine Attitüde.

STANDARD: Was zeichnet die aus?

de Maigret: Die Lust auf Abenteuer. Das sehe ich auch an meinen Freundinnen. Wir lassen uns gerne treiben. Das ist eine Eigenschaft, die ich mir aber erst mit der Zeit aneignen musste. Früher habe ich versucht, mein ganzes Leben zu kontrollieren. Irgendwann hatte ich dann ein Burnout.

STANDARD: Wie haben Sie es überwunden?

de Maigret: Ich habe versucht, loszulassen und Situationen zuzulassen, die nicht geplant waren. Wenn du eigentlich nach Hause gehen solltest, um zu arbeiten, aber zufällig jemanden auf der Straße triffst, der dich fragt, ob du mit ihm in eine Ausstellung gehen möchtest. Früher wäre ich nicht mitgegangen, heute schon. So wurde mein Leben auf einmal viel interessanter. Dadurch bin ich dann auch erfolgreich geworden.

STANDARD: hre große Karriere begann erst mit Mitte 30. Da gehen die meisten Models bereits in Rente.

de Maigret: Model zu werden war sowieso nie mein Traum, und als ich es dann war, habe mich dafür geschämt. Ich habe das Wort "Model" nie ausgesprochen, sondern immer erzählt, dass ich etwas mit Fotografie mache. In der Hoffnung, die Leute denken, ich sei Fotografin. (lacht) (Estelle Marandon, Rondo, 24.9.2015)

10 Ways To Be Parisian with Caroline De Maigret
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