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Saudi-Arabien ist ein Land, wo sich zur alljährlichen Hadsch – die soeben wieder bevorsteht, auch die Afghanen im Bild sind Pilger – Millionen Fremde aufhalten. Ihre Heimkehr ist bestens organisiert. Arbeitsmigranten gibt es jedoch Millionen.

Foto: AP / Mosa'ab Elshamy

Riad/Wien – Der Aufruf der sechs Außenminister der Staaten des arabischen Golfkooperationsrats (GCC), die internationale Gemeinschaft solle mehr für die syrischen Flüchtlinge tun, wird in Europa so manchem sauer aufstoßen: Ist doch hier seit Tagen die Diskussion am Köcheln, warum nicht mehr Flüchtlinge aus arabischen und islamischen Ländern bei ihren reichen Glaubensbrüdern Zuflucht suchen – und finden. Zudem wird im Westen, aber auch in der arabischen Welt die Frage lauter, warum sich die Golfstaaten – die ja noch dazu zum Teil beschuldigt werden, radikale islamistische Gruppen und damit den Krieg gefördert zu haben – nicht wenigstens finanziell mehr an der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik beteiligen.

Offenbar ist hier ein empfindlicher Nerv getroffen: Reagiert man sonst in Saudi-Arabien kaum auf Kritik aus den Westen, kommen nun Zurückweisungen der "falschen Behauptungen". Seit Beginn der Krise 2011 habe Saudi-Arabien insgesamt 2,5 Millionen Syrer beherbergt, versicherte der saudi-arabische Informationsminister Adel Al-Turayfi am Dienstag. Ein paar hunderttausend davon hätten im Königreich permanenten Aufenthalt genommen und genießen damit Zugang zu allen Dienstleistungen des Staates. Etwa 100.000 Kinder und Jugendliche befänden sich im saudi-arabischen Schulsystem, informierte zudem das Außenministerium in Riad.

Spenden an Flüchtlinge

Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten hielten sich etwa 160.000 Syrer auf, zitiert die New York Times einen Politologen aus dem Golfstaat. Hoch beziffern GCC-Quellen auch die Spenden, die für Flüchtlinge in anderen arabischen Ländern geleistet werden – Saudi-Arabien etwa unterstützt Jordanien, das mehr als 600.000 Syrer hat –, und für die Uno, wobei heuer Kuwait mit 304 Millionen Dollar bisher der größte Beiträger für humanitäre Hilfe sei.

Völlige Klarheit, was davon tatsächlich wie und wo geleistet wurde, ist aber nicht herzustellen: Oft werden zur Argumentation die Zahlen der Spendenzusagen herangezogen. Transparenz gibt es keine. Über Saudi-Arabien wurden zuletzt auch Klagen laut, dass es im Fall des Jemen humanitäre Hilfe an politische Voraussetzungen zu knüpfen versuchte.

Die GCC-Staaten haben allesamt die Uno-Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet. Betont wird immer, dass Syrer und andere Araber eben nicht als "Flüchtlinge", sondern als "Brüder" kategorisiert werden: Das stimmt – und hat zwei Seiten. Vielleicht sind sie nicht, wie anderswo, als Fremde abgestempelt. Aber gut überleben und damit länger bleiben werden im Allgemeinen nur diejenigen, die stark genug sind, sich durchzusetzen: alles in allem eine "natürliche" Auswahl. Einen Anspruch – gar auf eine Staatsbürgerschaft – haben sie nicht.

Millionen Arbeitsmigranten

Natürlich gibt es auch schwächere Elemente in der Flüchtlings- oder Migrantenpopulation: In Saudi-Arabien wären das etwa die Jemeniten. Wenn es zu viele werden, werden sie abgeschoben: zur Jahreswende 2014/2015 in einer Welle zusammen mit Arbeitsmigranten aus Äthiopien, Indien, Pakistan, Bangladesch und so weiter. Oft werden sie illegal, weil es so schwierig ist, ihre Genehmigungen zu verlängern.

Dass die Golfstaaten nicht sonderlich interessiert am Import von Arabern aus dem mediterranen Raum sind, trifft zu. Die Aussage des kuwaitischen Kolumnisten Fahd al-Shulaymi läuft derzeit durch viele Medien: Die Golfländer seien erstens für Flüchtlinge zu teuer, und zweitens könne man nicht einfach Leute aus anderen Umgebungen, die noch dazu traumatisiert seien, aufnehmen. Tatsächlich gibt es zwei sehr unterschiedliche Ängste: erstens den Import von Konflikten, Terrorismus – und revolutionären Elementen, wie in den 1960er Jahren, als Saudi-Arabien die in Ägypten verfolgten Muslimbrüder aufnahm, die später im Königreich für die Politisierung des salafistischen Islam verantwortlich gemacht wurden. Angst Nummer zwei ist das Gegenteil davon: Ein starker Influx von an eine multireligiöse Gesellschaft gewöhnten Muslimen wie aus Syrien würde das konservative Saudi-Arabien wohl auf Dauer wirklich verändern.

Die syrischen Flüchtlinge hätten daran selbst gar kein Interesse: Sie haben als Mittelmeeranrainer ihre Referenzpunkte ohnehin im Westen. Für viele ist Saudi-Arabien das Land, aus dem der Extremismus zu ihnen kam: Da will man gar nicht hin. (Gudrun Harrer, 17.9.2015)