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Sex ist gut für Körper und Geist – das Risiko eines Herzinfarkts erhöht er in der Regel nicht.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Ulm/Wien – Entgegen weitverbreiteter Annahmen ist Sex nur äußerst selten die Ursache für einen Herzinfarkt. Das berichten deutsche Wissenschafter um Dietrich Rothenbacher von der Universität Ulm aktuell im "Journal of the American College of Cardiology" – und geben Entwarnung. Demnach könnten die allermeisten Patienten auch nach einem erlittenen Herzinfarkt ihr Sexualleben problemlos wieder aufnehmen.

Dies habe oft sogar positive Auswirkungen und sei daher ratsam, nur leider seien viele Patienten stark verunsichert, so die Forscher. Denn nach einem Infarkt würden weniger als die Hälfte der betroffenen Männer und weniger als ein Drittel der Frauen von ihrem behandelnden Arzt diesbezüglich beraten. "Das ist ein Thema, über das viel zu wenig gesprochen wird", kritisiert Rothenbacher.

Unwahrscheinlicher Auslöser

Für ihre Studie untersuchten der Epidemiologe und sein Team insgesamt 536 Patienten im Alter zwischen 30 und 70 über einen Zeitraum von zehn Jahren. Zunächst sollten die Probanden die Häufigkeit ihrer sexuellen Aktivitäten während der zwölf Monate vor ihrem (letzten) Infarkt angeben.

Rund 55 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, in diesem Zeitraum mindestens einmal pro Woche Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, knapp 25 Prozent seltener als einmal pro Woche aber öfter als einmal monatlich. Etwa fünf Prozent waren seltener als einmal im Monat sexuell aktiv, die übrigen 15 Prozent hatten demnach gar keinen Sex. Unter den sexuell aktiven Patienten wurde weiters erhoben, wann sie vor einem Herzinfarkt zuletzt Geschlechtsverkehr hatten. Das Ergebnis: Bei fast 80 Prozent lag der Sex schon mehr als 24 Stunden zurück, nur drei Patienten waren noch in der Stunde vor dem Infarkt sexuell zugange.

In den folgenden zehn Jahren erlitten 100 Patienten erneut einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder andere kardiovaskuläre Ereignisse. Die Häufigkeit ihrer sexuellen Aktivität beeinflusste das Risiko laut der Studie aber nicht. "Es ist wichtig, den Patienten zu versichern, dass sie sich keine Sorgen machen müssen", so der Epidemiologe. "Sexuelle Aktivität ist gut und wichtig für die eigene Psyche und die Partnerschaft."

Für Männer gebe es allerdings eine Einschränkung: Die etwa zur Puls- und Blutdrucksenkung verordneten Beta-Blocker beeinträchtigen demnach die Erektionsfähigkeit. "Das sollte bei der Verordnung auch mitgeteilt werden", so Rothenbacher. Schlucken Männer dann Potenzmittel wie etwa Viagra und nehmen sie wegen ihrer Herzbeschwerden zusätzlich Nitrate ein, so drohe ein plötzlicher Blutdruckabfall – bis hin zur Bewusstlosigkeit.

Unsportliche gefährdet

Nach Auskunft der Amerikanischen Herzgesellschaft (AHA) ist Sex sportlich vergleichbar mit flinkem Gehen oder einigen Stockwerken Stiegensteigen. Wer das ohne gesundheitliche Probleme schaffe, habe nichts zu befürchten. Sex sei wichtig für die Lebensqualität von Mann und Frau.

Er sei daher auch Menschen mit milder Angina pectoris (Brustenge) zu empfehlen oder ein bis mehrere Wochen nach einem unkomplizierten Herzinfarkt, wenn der Patient keine Herzbeschwerden durch moderatem Sport bekomme. Menschen mit schweren Herzleiden sollten dennoch vor dem Sex zum Arzt gehen und sich behandeln lassen.

Die AHA zieht aus verschiedenen, schon älteren Studien den Schluss, dass direkt beim Sex das Herzinfarkt-Risiko von Menschen in den 50er- und 60er-Jahren um das 2,7-Fache erhöht ist. Insbesondere unsportliche Männer seien gefährdet. Aufgrund der vergleichsweise kurzen Zeit sexueller Aktivität pro Jahr sei die absolute Gefahr für Infarkte beim Sex jedoch minimal. Er sei die Ursache von weniger als einem Prozent der akuten Herzinfarkte. (dare/APA, 22.9.2015)