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Vor Japan ...

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... und danach.

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Jean de Villiers und seine Südafrikaner müssen gegen Samoa liefern

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Wien/Birmingham – Es ist bisher ein Annus horribilis, das die stolzen Springboks durchleben: Niederlagen gegen Irland und Wales bei der Europatournee im vergangenen Herbst folgte ein letzter Platz im, ob der herannahenden Weltmeisterschaft verkürzten, Rugby Championship, dem jährlichen Turnier der Teams aus der Süd-Hemisphäre. Und das war ein krachender letzter Platz, kein einziges Spiel konnte gewonnen werden.

Konnte die Auswahl von Teamchef Heyneke Meyer gegen Australien und Neuseeland immerhin lange gut mithalten und bis zuletzt gar am Sieg schnuppern, musste der beschließende Auftritt gegen Argentinien nichts weniger als ein Trauerspiel genannt werden. In Durban kassierten fahrige und unorganisierte Gastgeber ein 25:37 – im 21. Vergleichen mit den Pumas verließen die Südafrikaner zum ersten Mal als Verlierer das Feld.

Und das war, wie man mittlerweile weiß, noch lange nicht der Tiefpunkt. Dieser wurde – mutmaßlich – mit dem 32:34 im ersten Gruppenspiel gegen Japan erreicht. Dass man hier immerhin Mitwirkender bei der womöglich größten Sensation in der Geschichte des Sports war, hat im schockstarren südafrikanischen Lager niemanden trösten können.

Eine wahre Größe

Um die weitreichende Bedeutung dieses Geschehens richtig einordnen zu können, sei eine kurze Kontextualisierung erlaubt: Südafrika ist zweifacher Weltmeister, obwohl das Land von den ersten beiden World Cups aufgrund des Anti-Apartheid-Boykotts ausgeschlossen war. Die Boks haben nach Neuseeland die zweitbeste Erfolgsquote im Welt-Rugby (284 Siege in insgesamt 451 gespielten Tests, bei nur 146 Niederlagen).

Japan ist nunmehr neben den allmächtigen All Blacks das einzige Team, das gegen die Südafrikaner eine positive Bilanz vorweisen kann: ein Spiel, ein Sieg. Bizarr. Während die Japaner, ein traditionell kleineres Licht, was Rugby betrifft, bei ihren sieben Endrunden-Teilnahmen bis zu diesem denkwürdigen Tag in Brighton exakt ein Match hatten für sich entscheiden können (gegen Simbabwe 1991), wies die Statistik für die Boks Folgendes aus: 29 Spiele, 25 Siege. Das daraus folgende Winning Percentage von 86,2 ist das beste aller 20 Teilnehmer bei England 2015.

Bereits der Anlauf zur Endrunde verlief für den Mitfavoriten turbulent. Die "Agency for New Agenda", eine südafrikanische Kleinstpartei, hatte ein Gerichtsverfahren gegen den Rugby-Verband angestrengt, da die Marginalisierung schwarzer Spieler immer noch fortdauern würde. Neun Nicht-Weiße hatte Teamchef Meyer in seinen 31-Mann-Kader nominiert, das selbstgesetzte Halbe-halbe-Ziel bis 2019 scheint unerreichbar. Das von den Klägern angestrengte Ausreiseverbot des Nationalteams wurde schließlich zwar abgewiesen, eine ruhige Vorbereitung sieht jedoch anders aus.

Zurück auf sicheres Terrain

So gut wie alle Experten hatten die Boks, in der nagelneuen Weltrangliste von Platz drei auf sechs gepurzelt, in der WM-Gruppe B (komplettiert von Schottland und den USA) klar auf Rang eins gesetzt. Nun muss Südafrika am Samstag Samoa schlagen, um ein vorzeitiges Scheitern hintanzuhalten. Meyers Vorgabe für das Schlüsselspiel lautet: Rückkehr zu den traditionellen Stärken.

Südafrikanische Mannschaften sind von jeher gefürchtet für ihren auf Rohkraft, brachialer Körperlichkeit und strikter Disziplin basierenden Ansatz. Ballgewinn, mit Kicks in Stellung bringen, gnadenloses Marschieren im Maul – so ungefähr dürfte die Marschroute aussehen. In der Auseinandersetzung mit den ebenfalls als wenig zimperlich bekannten Samoanern lässt das im Birminghamer Villa Park ein ordentliches Kleschen erwarten.

Was die basalen Tugenden betrifft, kann den Springboks niemand das Wasser reichen. Doch nichtsdestotrotz stellen sich Fragen. Gerade die Strategie, den Gegner mürbe zu machen, hat sich gegen flinke und technisch starke Japaner als völliger Fehlschlag erwiesen. Südafrika wirkte im Vergleich einfallslos, statisch und altbacken. Und es bleibt abzuwarten, ob Meyers XV überhaupt in der Lage sein wird, einen solchen Stil erfolgreich durchzusetzen, gerade was die physischen Fähigkeiten betrifft. Seine Auswahl ist zwar überaus erfahren, neun Veteranen, die 2007 den Titel gewonnen haben, sind erneut mit dabei. Andererseits sind einige Schlüsselspieler bereits weit in den 30ern, und möglicherweise ist die spielerische Kompetenz bei manchen nicht mehr mit ihrer Reputation deckungsgleich. Der Teamchef musste für seine konservative Selektionspolitik jedenfalls entsprechende Kritik einstecken.

Ungebrochen

Für den Vergleich mit Samoa hat Meyer seine Startformation an nicht weniger als acht Positionen verändert. Kapitän Jean de Villiers (34) und Lock Victor Matfield (38), beide mit am härtesten kritisiert, bleiben jedoch erste Wahl. De Villiers und andere Führungsspieler hatten gegen Japan offenbar Anweisungen von der Trainerbank ignoriert. "Wenn wir zusammenhalten, unsere Stärken ausspielen und so auftreten, wie ich weiß, dass wir es draufhaben, dann bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass wir es schaffen können", hat Meyer das Ziel noch lange nicht aufgegeben, den dritten WM-Gewinn anzustreben.

Südafrika hat gegen Samoa noch nie verloren, die bisherigen acht Vergleiche im Schnitt mit 36,5 Punkten Vorsprung für sich entschieden. Nach Japan dürfte die beruhigende Wirkung solcher statistischer Freunde aber möglicherweise etwas gelitten haben. (Michael Robausch, 25.9 2015)