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Iranische Demonstranten skandierten in Teheran nach dem Freitagsgebet "Tod dem Haus Saud".

Foto: AP / Vahid Salemi

Riad/Wien – Nach der Massenpanik am letzten Tag der Hadsch in Mekka, bei der am Donnerstag mehr als 700 Pilger und Pilgerinnen getötet und mehr als 800 verletzt wurden, trafen Kondolenzbezeugungen aus der ganzen Welt in Saudi-Arabien ein: Nur aus dem Iran, aus dem mindestens 134 der Opfer stammen – am Freitagnachmittag waren viele Tote noch nicht identifiziert und weitere 30 Iraner als vermisst gemeldet –, kamen Wut und Vorwürfe.

Irans religiöser Führer Ali Khamenei forderte Saudi-Arabien auf, die Verantwortung für das durch schlechtes Management und Fehlentscheidungen verursachte Unglück zu übernehmen – wohl auch eine Reaktion darauf, dass saudische Offizielle das Aufeinandertreffen von zwei Pilgermassen, das die Katastrophe auslöste, den Opfern selbst anlasteten. Präsident Hassan Rohani brachte sogar den Krieg im Jemen ins Spiel: Wahrscheinlich seien so viele qualifizierte Sicherheitskräfte dort im Einsatz, dass nicht genügend für die Hadsch übrig geblieben seien. Demonstranten forderten am Freitag in Teheran in Sprechchören "Tod dem Haus Saud". Auch beim Kranunglück am 11. September waren Iraner zu Tode gekommen.

Zahlreiche Theorien zum Ablauf

Alle möglichen Theorien – auch die üblichen Verschwörungstheorien – kursieren im Internet dar über, was die Massenpanik wirklich ausgelöst habe, unter anderem, dass der Weg für einen saudischen Prinzen freigeräumt werden musste. Natürlich fehlt auch die umgekehrte Theorie nicht, dass das Unglück ein Komplott gegen die saudische Führung sei. Was man von Pilgern – die aus der ganzen Welt kommen – immer wieder hört, ist, dass die Einweiser und Sicherheitskräfte kaum Fremdsprachen beherrschen.

Der Unfall und die Reaktionen darauf sind eine neue schwere Belastung für die iranisch-saudischen Beziehungen. Neben der politischen Konfrontation über Syrien, Irak, Libanon, Jemen und Bahrain hat es immer wieder Spannung wegen der angeblich schlechten Behandlung von iranischen Pilgern in Mekka gegeben.

Iraner boykottieren "Umra"

Ein Zwischenfall im Frühjahr führte sogar dazu, dass der Iran seinen Bürgern verbot, sich auf die "kleine Wallfahrt" (Umra) zu begeben (die große, die Hadsch, kann nicht verboten werden, denn sie ist ja religiöse Pflicht): Zwei iranische Buben waren beim Flughafencheck von Sicherheitspersonal von ihren Familien getrennt und sexuell belästigt worden.

Zu alledem kommt aktuell auch noch das Todesurteil gegen Ali al-Nimr, den Neffen des ebenfalls zum Tode verurteilten saudi-arabischen schiitischen Ayatollah Nimr Baqr al-Nimr. Ali al-Nimr war 2012, als er bei einer Demonstration verhaftet wurde, erst 17 Jahre alt, laut seiner eigenen Aussage wurde sein Geständnis durch Folter erpresst.

Ayatollah al-Nimr ist zum Symbol für den Kampf der schiitischen_Minderheit in Saudi-Arabien gegen Unterdrückung und Marginalisierung geworden. Seine Exe kution könnte einen schiitischen Aufstand in Saudi-Arabien aus lösen, meinen Beobachter. (Gudrun Harrer, 25.9.2015)