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Man of the Match: Dan Biggar kickt 23 Punkte in der Höhle des Löwen.

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Zeit für Zärtlichkeit.

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Dan Biggar spricht.

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Bruderzwist bei Windsors.

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Kein Halten: Südafrikas Eben Etzebeth marschiert.

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Wien/London/Birmingham/Leeds – Wales hat bei der Rugby-WM am Samstagabend England in Twickenham mit 28:25 (16:9) niedergerungen. Der Gastgeber steht damit in der sogenannten Todesgruppe A mit dem Rücken zur Wand.

Was sich abspielte, war Stoff aus dem Legenden werden. Noch nie zuvor hatte eine Mannschaft England bei einer Weltmeisterschaft in seinem Nationalstadion bezwingen können. Was im 127. Treffen der alten Erzrivalen auf dem Spiel stand, wurde durch die ein oder andere Rudelbildung rasch offensichtlich. Mehrfach wurden zwischen den Kämpen warme Worte gewechselt. Auf der Tribüne im Londoner Rugby-Tempel unterstützte Prinz Harry im englischen Trikot mit dem Rosen-Emblem Hausherren, daneben feuerten Prinz William und Herzogin Kate lautstark die Drachen an.

Die Waliser sahen sich vor 85.000 Zuschauern zunächst mit argen Problemen im Scrum konfrontiert, bei dem es der französische Referee Jerome Garces auch sehr genau nahm, was technisch sauberes Agieren betraf. Keines der ebenbürtigen Teams sprühte unbedingt vor Kreativität, allerdings gab es auch kaum Raum für elegantes Beiwerk. Den Kickern kam somit eine entscheidende Bedeutung zu. Owen Farrell auf englischer und Dan Biggar auf walisischer Seite nahmen sich hier aber nicht viel. Beide verwandelten alle ihre Versuche. Allerdings hatten Englands Forwards in der ersten Halbzeit doch das Heft in der Hand und konnten das Geschehen oft in walisisches Terrain tragen.

Engand vs. Wales – Match Highlights & Tries
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Die Gäste kamen erst nach Seitenwechsel besser ins Spiel, gewannen die Initiative und knabberten den zwischendurch zehn Punkte zählenden Vorsprung der Engländer Kick auf Kick ab. Und das, obwohl der Verletzungsteufel wieder gnadenlos auf das diesbezüglich ohnehin bereits schwer gebeutelte Team von Warren Gatland einprügelte: Scott Williams, Liam Williams und Hallam Amos mussten verletzt ausgetauscht werden.

Das durcheinandergewürfelte Wales jedoch sammelte sich, blieb mutiger und legte in der 69. Minute durch den superb freikombinierten Gareth Davies seinen ersten Try. Selbstverständlich verwandelte Biggar die Conversion – es stand 25:25. Mit seinem siebenten Penalty brachte er sein Team dann erstmals seit der absoluten Anfangsphase wieder in Front. 23 Punkte gingen am Ende auf Biggars Konto, so viele wie nie zuvor für einen Waliser in einem WM-Spiel.

Was für eine Schlussphase! Als Garces den Engländern einen Penalty zuspricht entschied sich Kapitän Chris Robshaw für ein Lineout und damit für die Chance zum Try. Ein Kick hätte bestenfalls ein Remis in Aussicht gestellt. Das Risiko wurde nicht belohnt: Wales hält dicht, erkämpft sich schlussendlich den Ball und bringt den knappen Vorsprung von 28:25 über die Zeit. "Am Ende wollten wir es mehr", meinte ein außergewöhnlich emotionaler Gatland.

England muss nun Australien, die Nummer zwei der Weltrangliste, bezwingen, um ein vorzeitiges Aus im Heimturnier zu verhindern. Die Wallabies erledigten am Sonntag die Pflichtaufgabe Uruguay locker: elf Tries, Endstand 65:3. Doch auch die die Waliser dürfen nicht nachlassen, nur fünf Tage haben sie zur Erholung für Fidschi.

Springboks erdrücken Samoa

Im Villa Park zu Birmingham entwickelte sich zunächst eine hektische, teilweise wüst anzusehende Auseinandersetzung zwischen Südafrika und Samoa. Die Springboks schienen geradezu zu platzen vor Motivationsüberdruck, unbedingt sollte die vorwöchige Blamage gegen Japan vergessen gemacht werden. Auch bei Coach Heyneke Meyer auf derTribüne war die Anspannung deutlich anzumerken.

Bei Fehlern auf beiden Seiten entwickelte seine an vielen Stellen veränderte XV doch deutlich mehr Schub. Eben Etzebeth tat sich als besonders eifriger und kaum zu stoppender Metermacher hervor. Der zweifache Weltmeister zeigte sich insgesamt klar verbessert (was auch kaum zu vermeiden war), doch Luft nach oben bleibt trotzdem noch reichlich. Der erste Try gelang J. P. Pietersens erst nach einem haarsträubenden Fehlpass der Samoaner, die auch beim Lineout ganz klar unterlegen waren. Oldboy Victor Matfield agierte hier auf südafrikanischer Seite souverän. In den letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit wies sein Team nicht weniger als 98 Prozent Ballbesitz auf, die Partie fand so gut wie ausschließlich in der Hälfte der Ozeanier statt, bei denen drei Brüder aus der Pisi-Familie auf dem Feld standen – ein Eintrag in die Annalen ist ihnen damit sicher.

Und auch nach Seitenwechsel setzten die Boks weiter auf ihre gefürchtete Erstickungstaktik, die vielleicht nicht ganz so prickelnd, dafür aber sehr erfolgversprechend ist. J. P. Pietersens zweiter Versuch aber, Ehre wem Ehre gebührt, kam als Endpunkt einer recht flotten Kombination über die rechte Seite. Je länger die Partie dauerte, desto deutlicher machte sich die Intensität des südafrikanischen Ansatzes bemerkbar: Samoa wankte unter dem permanenten Druck und schluckte Punkt um Punkt. Mit 160 mussten die Insulaner in doppelt so viele Tackles gehen wie der Gegner (86).

Ein finales 46:6, Bonuspunkt aufgrund von sechs Tries inklusive, wird den Boks in den nächsten Tagen einen ruhigeren Schlaf bescheren. In der kommenden Woche wartet Schottland, dann geht es möglicherweise bereits um Platz eins in der Gruppe. Spannend ist diese jedenfalls, bis auf die USA hat nun jedes Team zumindest einen Sieg zu Buche stehen. Die Schotten gar deren zwei, nach einem Stotterstart mit einem B-Team bezwangen die Herren mit Distel das US-Team am Sonntag schließlich doch noch glatt mit 39:16 (6:13).

Kanada knapp dran

In Gruppe D machte, wie nach dem couragierten Auftritt gegen Irland bereits vermutet, Kanada den Italienern das Leben sehr schwer. Die Azzurri schafften in Leeds nach einem 0:10 ein Comeback und lagen nach 40 Minuten mit 13:10 voran. Das Match blieb eng und unterhaltsam, die Führung wechselte noch mehrere Male. Mit einer starken Schlussphase sicherte sich Italien jedoch einen nicht unverdienten 23:18-Erfolg, die Qualifikation für das Viertelfinale bleibt damit zumindestens theoretisch intakt.

Durch seine Einwechslung in der zweiten Halbzeit kann Mauro Bergamasco nun Einsätze bei fünf Rugby-Weltmeisterschaften vorweisen. Der Italiener egalisierte damit den Rekord des Samoaners Brian Lima. (Michael Robausch, 27.9.2015)