Russische Su-25-Kampfjets auf dem Luftwaffenstützpunkt Hmeymim bei Latakia

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Techniker schaffen Bomben herbei

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Auswirkungen eines russischen Luftschlags in in Kafr Nabel, Provinz Idlib

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Jede militärische Intervention erzeugt neben den beabsichtigten Folgen – wenn sie denn erfolgreich ist – auch unbeabsichtigte, manchmal paradoxe, die den "Erfolg" auch gleich wieder mächtig relativieren können. Das klassische Beispiel aus der jüngeren Zeit ist natürlich die amerikanische Irak-Intervention von 2003, in deren Folge ein jordanischer Jihadist mit seiner obskuren Gruppe in den Irak wanderte, aus der alsbald "Al-Kaida im Irak" und nach seinem Tod 2006 der "Islamische Staat im Irak" wurde. Diese und andere Erfahrungen aus der Vergangenheit sind es, die US-Präsident Barack Obama so völlig interventionsunwillig machen, was ihm wiederum als Schwäche ausgelegt wird. Manche scheinen sich in der Tat nach George W. Bush zu sehnen.

Wie auch immer. Die Konfliktbeobachter haben ihre Augen meist auf den am besten sichtbaren Handlungssträngen, und wenn man Entwicklungen ausmacht und beschreibt, die sich erst abzeichnen, dann platziert man sich selbst schnell im Lager der Paranoiden. Man muss tatsächlich aufpassen, aus einzelnen Phänomenen keinen Trend zu machen. Das passiert vor allem leicht in so unübersichtlichen Gemengelagen wie derzeit im Nahen Osten.

Aber thematisieren kann und soll man solche Phänomene trotzdem. Auch das direkte russische Eingreifen in den Syrien-Konflikt zeigt bereits jetzt Randerscheinungen, die alle miteinander zu tun haben – und wieder diese teuflische Spirale zu verstärken scheinen, die die Region immer weiter nach unten zieht.

Drei Phänomene

Da ist zuerst einmal ein Hochfahren der iranischen Aktivitäten in Syrien. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) haben sowohl die offiziellen iranischen Revolutionsgarden ihre Präsenz verstärkt – und zwar nicht nur als Berater, sondern als Kampftruppen – als auch Iran-gesponserte schiitische Milizen aus dem Irak. Interessant ist der Interpretationsspielraum: Die Iraner/Schiiten verstärken die russische Offensive gegen syrische Rebellen, so sieht es das ISW. Assad, Russland, der Iran kämpfen ja auf einer Seite. Das stimmt schon, nur, es ist nicht abwegig zu denken, dass die Iraner ihrerseits Wert darauf legen, dass ihre eigene Rolle in Syrien durch die maximierte russische Rolle nicht minimiert wird. Russland und der Iran verfolgen auch jeweils eigene Interessen in Syrien.

Damit hat "Zweitens" zu tun: STANDARD-Korrespondentin Astrid Frefel berichtete schon vor einigen Tagen aus Kairo, dass man dort die russische Intervention in Syrien auch als Möglichkeit sieht, dass dort der iranische Einfluss zurückgedrängt wird. Aber natürlich geht es auch um das eigene ägyptische Terrorismusproblem. Am Wochenende hat nun der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry der russischen Militärkampagne ausdrücklich die Fähigkeit zugeschrieben, den Terrorismus in Syrien nachhaltig zu bekämpfen. Ägypten teilt die Ansicht Russlands – und Assads –, dass der "Islamische Staat" (IS) nicht die einzige zu bekämpfende Terrororganisation sei.

Saudis schockiert

Mit dieser Position liegt Ägypten aber nicht auf der Linie seines großen Sponsors Saudi-Arabien. Dort ist man schockiert und verärgert darüber, dass Russland eben nicht nur den IS bekämpft, sondern auch eine großangelegte Kampagne gegen andere Rebellen führt – für Assad, den Saudi-Arabien weghaben will. Für Ägypten hat der Sturz Assads keine Priorität. Die russische Intervention treibt demnach einen Keil zwischen Riad und Kairo.

Eine skurril und gleichzeitig gefährlich anmutende Meldung – das wäre Nummer drei – kommt von Al-Arabiya: 52 saudische Angehörige der radikalsunnitischen "Internationalen Union der Muslimischen Gelehrten" rufen die Muslime dazu auf, nach Syrien zu ziehen, um die Russen zu bekämpfen. Offenbar finden sie sich in einem Film wieder, in dem Afghanistan von den Sowjets befreit werden muss.

Laut einem Dekret, das noch der verstorbene König Abdullah 2014 erließ, ist es saudischen Bürgern jedoch verboten, sich einem Jihad im Ausland anzuschließen. Die saudischen Behörden haben in den vergangenen Tagen einen Bombenbauerring und eine IS-Zelle auffliegen lassen. In dem zitierten Statement rufen die Islamgelehrten auch die islamistische Opposition in Syrien dazu auf, ihre Spaltung beizulegen und sich im Kampf zu vereinen. Wenn das nur annähernd gelingt – zu erwarten ist es nicht –, dann wäre das schlecht für die Russen und für Assad und für die Iraner. Für alle anderen würde es davon abhängen, wer sich als stärkste Gruppe durchsetzt. Das Vertrauen, dass das die vom Westen unterstützten "Moderaten" sind, ist gering. (Gudrun Harrer, 5.10.2015)