Ein Opel-Blitz-3,0-Tonner von 1941 mit Imbert-Holzgasanlage.

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Das Daimler-Werk in Riga mit auf Holzgas umgestellten Lkws.

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Ein Mercedes Typ 170 V vor dem zerstörten und teilweise wiederaufgebauten Verwaltungsgebäude der Daimler-Benz AG in Stuttgart nach dem Krieg.

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Ein Mercedes Typ 170 V mit Holzgasgenerator (1943).

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Die russische Verkehrspolizistin stand im Sommer 1945 vor der Opernkreuzung, verlassen wie das Weiblein im Walde. Straßenverkehr in den Monaten nach Kriegsende? Eine Schimäre. Ab und zu fuhr ein Militärfahrzeug der Besatzungsmächte vorbei, meist amerikanischer Provenienz. Doch die Russin in festen Stiefeln – am Rücken die Kalaschnikow fest verzurrt, im Sprachgebrauch als Puschka bezeichnet – agierte, in den Händen kleine, rote Fahnen, sozusagen als menschliche Verkehrsampel.

Alternative Holzgas

Ab und zu bewegte sich doch ein österreichischer Lkw Richtung Kreuzung. Aus dem mächtigen Kessel hinter dem Fahrerhaus rauchte es verdächtig, das Tempo mehr als gemächlich, der mit Holzgastechnik angetriebene Transporter zog dahin. In Zeiten, in denen Benzin oder Dieselöl am Schwarzmarkt mit Butter und Zucker um die besten Quoten duellierte, bedeutete Holzgas die praktisch einzige verfügbare Alternative.

Holz war in Österreich in ausreichender Menge verfügbar, die Technologie bereits seit den 1920er-Jahren bekannt und bewährt. Im Zweiten Weltkrieg waren mit Holzgas angetriebene Fahrzeuge im Straßenbild ein gewohnter Anblick, der spöttische Beiname "rollende Maronibrater" war fast eine Auszeichnung, ein prominenter französischer Militärhistoriker meinte: "Kein Wunder, dass die Wehrmacht kaum mehr Mobilität besaß, ein Drittel der Soldaten war mit dem Füllen der Holzgaskessel beschäftigt".

Verschwelen statt verbrennen

Die Technologie der mit Holzkohle betriebenen Gasgeneratoren ist relativ einfach. Das Holz wird nicht in den Zylindern verbrannt, sondern in einem Kessel verschwelt. Wird Holz unter Sauerstoffmangel "verbrannt", besser als Verschwelen bezeichnet, dann entstehen brennbare Gase. Sie werden gereinigt, gekühlt und dem Brennraum zugeführt. Dieses Gas wurde in erster Linie zum Betrieb von Verbrennungsmotoren benutzt, die Generatoren wurden außen an der Karosserie angebaut oder bei Pkw auch als Anhänger mitgeführt. Vor Antritt jeder Fahrt musste die notwenige Holzmenge "organisiert" werden, Holztankstellen wären schön gewesen.

1923 verbesserte der Saarländer Georges Imbert durch das Gleichstromverfahren die Verwendung von Holzgas für Kraftfahrzeuge. Diese Generatorentechnik, 1930 modifiziert, verbesserte die wirtschaftliche Verwendung in der Kraftfahrzeugwelt.

Große Versuchsfahrten mit Ford-V8-Lastwagen oder Magirus-S300-Reisebussen bestätigten im Feldversuch die theoretischen Werte. Mercedes brachte eine selbstentwickelte Anlage auf den Markt, die ab 1943 in verschiedenen Fahrzeugen eingebaut wurde. Als Testobjekt diente die Mercedes-170-V-Limousine, deren Motorleistung mit Holzgas 22 PS betrug, was bei einem Leergewicht von 1240 Kilogramm immerhin noch zu 80 km/h Höchstgeschwindigkeit taugte. Auch den Mercedes 230 gab es ab Werk mit Generatorgasantrieb. Der Nachkriegsklassiker waren aber die Opel-Blitz-Pritschenwagen, teilweise aus der Steyr-Montage mit dem Einheitsfahrerhaus.

Rückbau

Der Rückbau zum Benzin- oder Dieselantrieb war schnell und einfach möglich. Ein Freund meines Vaters rettete seinen Opel Kapitän dank Holzgas über die Kriegswirren. Den Rückbau auf Benzin machten US-Besatzungssoldaten. Von der Probefahrt kehrten weder Amis noch Opel wieder zurück. Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Krieg machte die Holzgastechnik obsolet, nach den Mangeljahren gab es wieder Benzin und Diesel in ausreichender Menge. Im hohen schwedischen Norden wird die Technologie aber weiterhin zur Energiegewinnung verwendet.

Benzin-Kerosin aus Kohle war ein anderes Alternativkonzept zur Energiegewinnung. Investoren aus den arabischen Emiraten versuchten um 1986 in den obersteirischen Braunkohlerevieren von Köflach und Voitsberg, damals durch hohe Arbeitslosigkeit geprägt, Benzin aus Braunkohle nach dem Bergius-Pier-Verfahren zu produzieren. Hier wird Kohle gemahlen und mit Wasserstoff versetzt. Unter hohem Druck und Wärme plus einer Verweildauer entsteht ein Kohlenöl, welches wie Erdöl weiterverarbeitet werden kann.

Diese Technik läuft auch unter dem Begriff Leuna-Benzin, benannt nach den früheren riesigen Produktionsstätten im mitteldeutschen Leuna. Alle Patente wanderten als Kriegsbeute in die USA, das mussten auch die Araber akzeptieren. Neu am Markt ist das Flugbenzin aus Kohle: Der synthetische Treibstoff wird in Südafrika vom Sasol-Konzern angeboten – aber nur bei der Betankung in Johannesburg. (Peter Urbanek, 21.10.2015)