Hat die Reihenfolge der Geburt einen Einfluss auf die Persönlichkeit? Um diese Frage ranken sich diverse Mythen. So sollen Erstgeborene besonders perfektionistisch, Sandwichkinder hingegen kooperativ, Nesthäkchen wiederum rebellisch sein. Im Volksmund sind diese Weisheiten weit verbreitet, doch auch die Wissenschaft beschäftigt sich seit weit mehr als 100 Jahren mit diesem Thema. Bislang war die Datenlage vor allem eins: uneinheitlich.

Jüngere Geschwister sind ...

Die Idee, dass sich die Position des Kindes innerhalb einer Familie auf die Persönlichkeit auswirkt, geht auf einen Österreicher zurück. Der Individualpsychologe Alfred Adler wurde als zweites von sieben Geschwistern geboren, seine Theorie verfasste er vor beinahe hundert Jahren.

Bei der jüngsten Studie wurden Daten von mehr als 20.000 Erwachsenen aus Deutschland, den USA und Großbritannien analysiert. Die Ergebnisse von Stefan Schmukle und Julia Rohrer von der Universität Leipzig sowie Boris Egloff von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz widerlegen bisherige Annahmen. Die zentralen Persönlichkeitseigenschaften hängen nämlich nicht mit der Geschwisterposition zusammen. Zu diesen Merkmalen zählen die Forscher unter anderem die emotionale Stabilität und die Gewissenhaftigkeit eines Menschen.

Geringerer IQ bei später Geborenen

Unterschiede bei den Befragten fanden sich hingegen bei der Selbsteinschätzung des Intellekts. Erstgeborene berichteten beispielsweise häufiger, über einen großen Wortschatz zu verfügen und abstrakte Ideen gut begreifen zu können. Ganz aus der Luft gegriffen scheint diese Selbsteinschätzung nicht, schließlich konnten die drei Autoren den bereits länger bekannten Effekt der Geschwisterposition auf die objektiv gemessene Intelligenz bestätigen: Vom Erstgeborenen zum Letztgeborenen nimmt die durchschnittliche Intelligenz leicht ab.

Laut der Studie nimmt der IQ pro Kind durchschnittlich um 1,4 Punkte ab. In sechs von zehn Fällen war das erstgeborene Kind das klügste. Dennoch: "Wenn man zwei Geschwister vergleicht, wird in über 40 Prozent der Fälle das später geborene den höheren IQ haben. Die gefundenen Effekte sind so klein, dass es zweifelhaft ist, ob sie für den Lebensweg bedeutsam sind", sagt Stefan Schmukle. (soha, 20.10.2015)