Vor einigen Monaten machte sie Schluss. Und das Internet staunte. Die Blogpionierin Elin Kling verkündete auf ihrer Website, nach einem knappen Jahrzehnt das Bloggen an den Haken zu hängen. Und das, um sich ganz auf ihre Modelinie Totême zu konzentrieren. Doch ganz so überraschend kam dieser Schritt nicht. Er ist symptomatisch für eine Branche, die sich in den letzten Jahren zu einem lukrativen Business entwickelt hat.

Die Schwedin Elin Kling – blond, dünn, schön, fotogen – mag wie der ideale Prototyp einer Modebloggerin aussehen. Doch die Bloggerin war von Beginn an mehr als das. Sie verstand das Uploaden von Outfits von jeher als Geschäft. Das war in der Branche, die sich erst Ende der Nullerjahre erfand, nicht von Beginn an selbstverständlich. Damals bloggten viele junge Frauen noch ohne Business-Plan.

Die Schwedin Elin Kling verstand ihren Blog von Anfang an als Business.
Foto: Matthew Sprout

Mit Mini-Kollektion bei Net-à-Porter

Elin Kling aber machte mit ihren geradlinigen Looks, die sie da aus dem Ärmel schüttelte, schnell die Modeindustrie auf sich aufmerksam. Schon früh kooperierte die Bloggerin, die heute mit Mann und Geschäftspartner Karl Lindman im Big Apple lebt, mit Modeunternehmen. Kling war 2011 die erste Bloggerin, die mit H&M und kurze Zeit später mit Guess by Marciano zusammenarbeitete. Heute ist sie bestens vernetzt in der Branche, das Online-Portal Fashionista listet sie auf Platz 13 der relevantesten internationalen Styleblogger. 2014 stellte Kling ihr Label Totême, bestehend aus 18 verschiedenen Designs, vor, beim exklusiven Onlinehändler Net-à-Porter ist eine Mini-Kollektion zu haben. Neuerdings Mutter eines Kindes, konzentriert sich Kling jetzt auf Totême und ihr schwedisches Printmagazin "Style by Kling".

Stars von heute

2015 steht die 32-jährige Schwedin mit ihren Design-Ambitionen längst nicht mehr allein da. Modebloggerinnen, die Celebritys von heute, finanzieren sich als Social-Media-Stars über Werbeeinnahmen. Doch auch das könnte sich ändern. Bekannte Bloggerinnen geben ihre Namen nicht mehr nur für Kooperationen her, sondern starten reihum eigene Labels. Und das, ohne je hinter einer Nähmaschine gesessen zu sein oder eine einschlägige Ausbildung absolviert zu haben. Aber es geht hier ja auch nicht um Blut, Schweiß und Tränen ambitionierter Designstudentinnen. Und es geht auch nicht darum, Trends zu setzen. Es geht darum, mit Mode Geld zu machen. Und das gelingt einigen richtig gut.

Bloggerin Chiara Ferragni beschäftigt mittlerweile 16 Mitarbeiter.
Foto: Chiara Ferragni

Viele Bloggerinnen sind mittlerweile um die dreißig, ihre Blogs im Wachstum begriffene Unternehmen. Für die 28-jährige Chiara Ferragni alias "The Blonde Salad", mit heuer neun Millionen Dollar prognostizierten Einnahmen die ökonomisch erfolgreichste unter ihnen, beschäftigt 16 Mitarbeiter. Ferragni hat 2013 mithilfe einer eine Million Euro schweren Finanzspritze eines italienischen Investors den Fuß in die Tür des Schuh-Business bekommen. Der Blog spielt als Einnahmequelle seither eine untergeordnete Rolle, Ferragnis Schuhkollektion, die für 200 bis 550 Euro verkauft wird, mache saftige 70 Prozent ihrer Einkünfte aus, schrieb das Branchenblatt Womens Wear Daily im letzten Jahr. Pluspunkte der digitalen Entrepreneurinnen? Sie sind den Leserinnen schon lang vertraute Inspiration und Einkaufshilfe. Und sie können online täglich das Feedback ihrer künftigen Kundinnen abrufen und bemessen.

Wie in Interaktion mit der Leserinnenschaft eigene Produkte entwickelt und optimiert werden, führt die heute 30-jährige Amerikanerin Emily Weiss, die erst 2010 ihren Beauty-Blog "Into the Gloss" startete, exemplarisch vor. Sie brachte im letzten Herbst zwar keine Modekollektion, dafür Glossier, eine erschwingliche Kosmetiklinie, "inspiriert vom echten Leben", auf den Markt. Wenn sie auf "Into the Gloss" ihre Beauty-Community befragt, wie der "Gesichtsreiniger ihrer Träume" aussehe, gibt's hunderte ernst gemeinte Antworten. Die New York Times nannte sie schon die "Helena Rubinstein der Millennials", Forbes listete sie prompt im Segment Einzelhandel und E-Commerce unter die "30 unter 30".

Zweites Standbein

Wichtig für den Erfolg der eigenen Modeprojekte ist, dass das Label zum Image passt – und gleichzeitig kommerziell verwertbar ist. Die braungebrannte kalifornische Bloggerin Rumi Neely alias "Fashion Toast" beispielsweise hat 2014 in Downtown Los Angeles ihr Label "Are You Am I" gelauncht. Der Online-Shop wird seither passend zum Stil von Rumi Neely stetig mit knappen Kleidchen und Shorts made in Los Angeles befüllt. Die Bloggerin muss sich dabei nicht einmal um Frühjahr- oder Herbst-Saison scheren.

Ähnlich hält das Jessica Weiss. Die 29-jährige deutsche Blogpionierin, die sich nach ihren Anfängen beim Burda-Blog "Lesmads" 2012 mit ihrem Blogazine Journelles selbstständig gemacht hat, launchte vor kurzem ein eigenes Label. Das heißt "Jouur" und ist bislang ausschließlich online erhältlich. Warum sich auch Weiss nicht um typische Saisonware kümmern muss? "Weil wir zunächst nicht im stationären Handel vertreten und dadurch flexibler sind."

Überhaupt sei das Saison-Geschäft "durch Prefall- und Cruise-Kollektionen sowie wöchentliche Neulieferungen im High-Street-Bereich längst aufgeweicht", erklärt die Bloggerin. Mehr als eineinhalb Jahre Vorarbeit steckt hinter dem Launch von "Jouur". Gestartet hat Weiss ihr Label mit einer Geschäftspartnerin und mit eigenen Ersparnissen. Langfristig aber soll die Modelinie auch für sie zum zweiten Standbein werden.

Jessica Weiss ist die deutsche Blogpionierin und launchte vor kurzem ihr Label "Jouur".
Foto: Lina Zangers

Im deutschsprachigen Raum gehört Weiss damit zu den ersten, die diesen Schritt gewagt haben. Denn auch wenn sich einiges getan habe, die hiesige Modeblogsphäre hinke den USA immer rund zwei Jahre hinterher, schätzt die in Berlin lebende Unternehmerin. Die Stücke aus ihrer kleinen Linie, bestehend aus Sweatern, Jogginghose, Shorts, Bluse und Wintermantel kosten zwischen 45 und 350 Euro und fallen ähnlich schlicht wie die einer Elin Kling oder einer Rumi Neely aus. Weiss hat für die schlichte Ausführung der Mini-Kollektion ihre Gründe. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass lieber in hochwertige Basics als in den hippen neuen Trend investiert werde: "Deutsche Frauen kaufen bewusster ein und sind immer interessiert an der Herkunft, Herstellung und Qualität des Produkts."

Und das Erstaunliche dabei ist: Ihre Fans, die lesen den "Touch 'Jessie'" aus ihrer Kollektion sowieso heraus. "Ich bin ganz verliebt in die Seidenblusen und die Basic-Shirts", schreibt eine Leserin. Das ist sie eben, die Magie der Bloggerinnen.


Wenn's klickt, dann läuft's

In Österreich hat die Modebloggerin Madeleine Alizadeh gerade mit dem lokalen Label "anzüglich" eine kleine, simple, sportive Kollektion realisiert. Eine "French Wardrobe", also einfache Basics, "die gut sitzen und sich gut anfühlen", sei die Idee hinter ihrer Kollektion. Die Modebloggerin, die auf ihrem Blog "Dariadaria" seit einiger Zeit ethisch vertretbare Mode vorstellt, hat sich mit dem Wiener Label "anzüglich" zusammengetan, weil sie dessen Wertschöpfungskette vertraue. "Das Label ist sehr klein und unterstützt gehörlose Frauen in Peru, die in einer kleinen Schneiderwerkstatt produzieren", sagt Madeleine Alizadeh.

Madeleine Alizadeh realisiert mit dem Label "anzüglich" eine eigene Kollektion, bei der man vor allem auf faire Produktion Wert legt.
Foto: Andrea Cislaghi

Die Bio-Baumwolle, die "anzüglich" verarbeitet, trägt das GOTS-Zertifikat, die Kollektion der Bloggerin besteht aus sieben Stücken, vom Streifenshirt über Tanktop und Leggings bis zum Cardigan. Damit die Mini-Kollektion erschwinglich bleibt, verzichtet Alizadeh auf ihren Anteil: "Ich verdiene an den Teilen nichts." Sie möchte vor allem junge Leute für faire, ressourcenschonende Mode begeistern. Die Chancen stehen gut, ihr Blog wird derzeit monatlich von 100.000 Lesern angeklickt. Wo die Sachen erhältlich sind? Bei "anzüglich" im Shop (Theobaldgasse 9/1b, 1060 Wien) – und natürlich online. "Und wenn ein Stück ausverkauft ist, dann wird nachproduziert", verspricht Alizadeh. (Anne Feldkamp, Rondo, 28.10.2015)

Foto: Andrea Cislaghi
Foto: Andrea Cislaghi
Foto: Andrea Cislaghi