Stefan Sagmeister in einer Plakatserie, die er und sein Studio für die School of Visual Arts (SVA) in New York gestalteten.

Foto: Sagmeister & Walsh

Stefan Sagmeister, "The Happy Show", Mak, Stubenring 5, 1010 Wien. 28. 10. 2015 bis 28. 3. 2016.

Bereits am 26. 10. wird Sagmeister im Rahmen des Mak-Day um 16 Uhr einen Vortrag unter dem Titel "Happiness" halten.

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Foto: Sagmeister & Walsh/John Madere

Es gibt eine Menge Möglichkeiten, zu versuchen, dem Glück ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Da wären Glücksbringer, Lottoscheine, Glückskekse, Wahrsager, Sternschnuppen etc. Zielführender dürfte es allerdings sein, Stefan Sagmeisters Ausstellung The Happy Show im Wiener Museum für angewandte Kunst zu besuchen, die am 27. Oktober eröffnet.

"Was macht uns glücklich oder zumindest glücklicher?", lautet die Frage, deren Antwort Stefan Sagmeister seit zehn Jahren gleich einem Glücksritter hinterherforscht. Die Schau, die bereits in mehreren Städten Nordamerikas und auch in Paris Station machte, dokumentiert in Form von Videos, Drucken, Infografiken und Skulpturen über das ganze Haus verstreut Sagmeisters Selbstversuche. Zu sehen sind etwa die in Smiley-Gelb gehaltenen Interventionen in der Säulenhalle, der Schausammlung für Gegenwartskunst, dem Mak-Labor und der Mak-Galerie. Auch auf Geländern und in WCs erläutert der Gestalter mittels handschriftlicher Kommentare seine Ideen.

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Sagmeister thematisiert einen bunten Reigen an Parametern für Glück. Dazu zählt er unter vielem mehr Dinge wie Religion, Ehe und Sex. Doch die Schau ist nicht nur zum Schauen und Grübeln da. Getreu dem Motto, dass jeder selbst seines Glückes Schmied ist, lässt Sagmeister den Besucher unter anderem in die Pedale eines interaktiven Fahrrads treten, die eine Neonleuchtenschrift antreiben. Weiters darf er Knöpfe drücken, Karten mit Aufgaben ziehen und auf kleinen Papierstreifen Glückssymbole zeichnen. Auch wird er aufgefordert, Geld aus einem Automaten zu nehmen und gleichzeitig 25 Cent zu spenden.

Will man noch ein Stückchen glücklicher werden, begibt man sich zu einem Display, der Sagmeisters Lieblingsschokolade offeriert.

STANDARD: Was halten Sie von Glücksbringern?

Stefan Sagmeister: Gar nichts.

STANDARD: Und vom Sager "Viel Glück"?

Sagmeister: Wenig, weil er durch totale Überverwendung seinen Sinn verloren hat.

STANDARD: Wie kommt man also zu seinem Glück? Gibt es ein Rezept, oder ist das Glück doch ein Vogerl?

Sagmeister: Man kann versuchen, ein gutes Verhältnis zu seinen Mitmenschen zu schaffen, und versuchen, eine gute Einstellung zu seiner Arbeit zu finden. Wenn man sich darüber hinaus noch mit etwas beschäftigt, das, wie soll ich sagen ... größer ist als man selbst, dann geht es einem wahrscheinlich gut. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, Dinge, die man schon einmal gemacht hat, die sich dann als mittelmäßig herausgestellt haben, noch einmal zu machen.

STANDARD: Sie führen ein Glückstagebuch, in dem Sie seit Jahren Ihre Befindlichkeiten eintragen und diese von 1 bis 10 benoten. Wann hatten Sie einen 1er-Tag, also einen unglücklichen Tag?

Sagmeister: Das war ein Tag, an dem eine Beziehung endete.

STANDARD: Welcher war ein 10er-Tag? Oder anders gefragt: Welcher ist der glücklichste Moment, an den Sie sich erinnern können?

Sagmeister: Ich war damals frisch verliebt in Bali, also am Anfang einer Beziehung.

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STANDARD: Auch wenn man wohl keine gültige Definition von Glück finden kann ... Wie würden Sie es angehen?

Sagmeister: Am hilfreichsten erscheint mir die Einteilung des Glücks nach Zeitspannen: Es gibt das ganz kurze Glück, also den Glücksmoment, der nur Sekunden dauert, ein Orgasmus fällt zum Beispiel in diese Kategorie. Dann gibt es das mittlere Glück, etwa ein Sonntagnachmittag auf dem Sofa mit einer Zeitung und dem Hund, also die Zufriedenheit, die ein paar Stunden dauern kann. Und dann wäre da noch das lange Glück. Dabei geht es darum, herauszufinden, was man gut kann, was Sinn bereitet in seinem Leben, also etwas, was viele Jahre andauern kann. Diese drei Bereiche haben nicht viel miteinander zu tun, aber sie alle fallen unter den Großbegriff Glück.

STANDARD: Viele Menschen versuchen, ihr Glück im Konsum zu finden. Kann Konsum glücklich machen?

Sagmeister: Das funktioniert nur sehr kurzfristig. Wir gewöhnen uns sehr schnell an das Neue. Ist diese Gewöhnung eingetreten, spielt das neu Erstandene keine Rolle mehr.

STANDARD: Ein Statement aus einem Ihrer Bücher lautet: "Geld macht mich nicht glücklich." Eine ganze Menge Menschen denkt darüber ganz anders. Schauen Sie sich nur an, wie viele Menschen Lotto spielen.

Sagmeister: Der Satz entstand in dem Bewusstsein, dass ich mir weder über mein Zuhause noch über das Essen Sorgen machen muss. Der Psychologe Danny Gilbert aus Harvard, den ich persönlich kenne, beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Zusammenhang zwischen "sich wohlfühlen" und "finanzielle Situation". Er sagte, wenn du in den USA unter 80.000 Dollar pro Jahr verdienst, spielt Geld eine ganz andere Rolle, als wenn du darüber liegst. Das ist noch keine große Erkenntnis. Erstaunlich ist, dass es laut seinen Untersuchungen keinen Einfluss mehr auf das Wohlbefinden hat, ob man 800.000, acht Millionen oder 800 Millionen Dollar im Jahr verdient.

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STANDARD: Apropos Verdienen: Sie schließen Ihr Büro in New York alle sieben Jahre für zwölf Monate. Sind Sie während dieses Jahres glücklicher?

Sagmeister: Ich habe leider keine genauen Daten über das Sabbatical-Jahr, da ich meine tägliche Wertung erst nach dem letzten Sabbatical vor sechs Jahren begonnen habe. Vom Gefühl her würde ich jedoch sagen, dass die Sabbatical-Jahre vor allem meinen Beruf sinnvoller gemacht haben. Und die Sinnfrage spielt bei der langzeitigen Empfindung von Glück eine wichtige Rolle.

STANDARD: Ihre Ausstellung "The Happy Show" im Mak dokumentiert in Form von Grafiken, Installationen, Videos etc. Ihre Untersuchung des Glücks. Der Titel der Schau legt den Gedanken nahe, dass es Glück vielleicht überhaupt nicht wirklich gibt, es vielleicht nur eine Art "Show" ist ...

Sagmeister: Oh doch, das Glück existiert schon. Es hält halt nicht an.

STANDARD: Ein Aufruf, der auf eine Treppe gedruckt ist, lautet "Don't expect". Machen Erwartungen anfälliger fürs Unglück?

Sagmeister: Wenn man das Museum auf derselben Treppe verlässt, wird der Satz vervollständigt und lautet: "Dont expect ... people to change." Aber "don't expect" funktioniert auch für sich allein. Andernorts in der Ausstellung heißt es: "Low expectations are a good strategy." Insofern ist Ihre Frage im Prinzip mit Ja zu beantworten.

STANDARD: Werden die Besucher Ihrer Ausstellung nach deren Besuch glücklicher sein?

Sagmeister: Aber sicher, und ich kann das beweisen, denn ich habe viele Briefe von Ausstellungsbesuchern in anderen Städten erhalten, die diese Frage mit Ja beantworten. Ich glaube allerdings, dass auch dieses Glück nicht sehr lange angehalten hat.

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STANDARD: Kann man ein Talent zum Glücklichsein haben?

Sagmeister: Ja, und wie. Sehr viele prominente Psychologen glauben, dass die Fähigkeit, Glück zu empfinden, bis zu 50 Prozent genetisch veranlagt ist, also teilweise angeboren ist.

STANDARD: Gesetzt den Fall, man gehört zur anderen Hälfte: Kann man Glücklichsein auch erlernen?

Sagmeister: Ein Stück weit funktioniert das schon: Ich selbst habe für das Projekt "Happy Film" Meditation, kognitive Therapie und Drogen bzw. Psychopharmaka ausprobiert: Alle drei haben ein bisschen funktioniert. Der Film ist übrigens so gut wie fertig, und wir werden ihn bald bei Festivals einreichen.

STANDARD: Sie sagten einmal, Sie hätten ein Tool, Glücksmomente durch Design zu fabrizieren. Sie brauchen dafür einen Motorroller, eine schöne Landstraße und einen MP3-Player für Musik – alle drei sind im Prinzip Designelemente. Gibt es auch ein Tool für alltäglichere Situationen, vielleicht im Großraumbüro?

Sagmeister: Ich finde, ein Motorroller, eine Landstraße und ein MP3-Player sind ziemlich alltägliche Gegenstände. Aber Sie haben schon recht. Das unmittelbare Umfeld spielt eine große Rolle für mein Wohlbefinden. Wir sind vor sechs Wochen in ein schöneres Büro am Broadway umgezogen, in dem ich mich derzeit unheimlich wohlfühle. Ich bin gespannt, ob das anhält.

STANDARD: Betritt man heutzutage eine Zeitschriftenhandlung, türmen sich psychologische Zeitschriften. Ihr gemeinsamer Nenner scheint die Suche nach dem Glück zu sein? Warum sind Menschen immer mehr auf der krampfhaften Suche nach dem Glück?

Sagmeister: Es gibt einen feinen Satz vom französischen Mathematiker Blaise Pascal, der schon im 17. Jahrhundert, also noch vor der Flut der psychologischen Zeitschriften und der daraus folgenden krampfhaften Suche nach dem Glück, gesagt hat: "Alles, was wir machen, absolut alles machen wir, um glücklicher zu werden. Selbst derjenige, der sich umbringt, macht das deshalb, weil er glaubt, im Tod glücklicher zu sein."

STANDARD: Auch die Schönheit ist ein Begriff, den Sie gerne thematisieren. Ihre Definition von Schönheit lautet ...

Sagmeister: Schönheit ist die Kombination von Gestalt, Farbe und Form, die meine ästhetischen Sinne anspricht, im Speziellen mein Sehen.

STANDARD: Was haben Glück und Schönheit gemeinsam?

Sagmeister: Nun, lassen Sie es mich so formulieren: In Rom geht es mir immer besser als zum Beispiel in Dessau.

STANDARD: Wie glücklich sind Sie gerade?

Sagmeister: 7.5 (Michael Hausenblas, 25.10.2015)

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