Die ersten Landaulets tauchen kurz nach der Erfindung des Automobils auf. Und natürlich spielen die Namen Daimler und Benz dabei bis heute eine entscheidende Rolle.

Die Karosserieform stammt quasi direkt von der Kutsche ab. Oder sagen wir so: Man baute vor 1900 irgendwo einen Motor in einen Landauer, und statt der Pferdezügel drückte man dem Kutscher ein Lenkrad in die Hand.

Dabei musste der Motor nicht unbedingt ein Verbrenner sein, wie das Columbia Electric Landaulet aus 1899 beweist. "Dieser Wagen könnte als das fehlende Stück zwischen Pferdekutschen und Autos bezeichnet werden", meint man auch im Louwman Museum in den Niederlanden, einem der bedeutendsten Automobil-Museen weltweit.

Elektroautos galten zu der Zeit als besonders zuverlässig. Sie waren beliebter als ihre lauten und stinkenden Verbrenner-Kollegen. Darum setzte Columbia auch vorwiegend auf E-Motoren.

Foto: Louwman Museum

Aus 1904 stammt dieses Landaulet, das mit einem Benzinmotor betrieben wurde, der Mors 14/19-HP Landaulette Town Car.

Immer noch erinnert die Form stark an einen Landauer, eine Kutsche, wie ein Fiaker, bei der sich die Passagiere gegenüber saßen. Der Kutscher befand sich getrennt davon am Kutschbock, das Dach über dem Passagierabteil ließ sich öffnen und schließen. Landaulets gab es auch schon als Kutschen. Es waren Reisekutschen für zwei Personen, mit hohem Kutschbock und Faltverdeck – quasi die kompakteren Landauer.

Bei motorisierten Landaulets sitzt der Fahrer ebenfalls von den Passagieren getrennt, entweder vor Wetter geschützt wie hier im Mors, ...

Foto: Louwman Museum

... oder im Freien wie hier beim Hedag Electric Brougham aus 1905, der von zwei schweren E-Radnaben-Motoren angetrieben wurde. Er war keine 25 km/h schnell, hatte aber damals schon eine Reichweite von rund 80 Kilometern. Es scheint ein wenig so, als ob sich in der E-Mobilität, bis heute, nur das Design gravierend verändert hätte, gell? Und da kann man auch köstlich drüber streiten, ob diese Entwicklung in die richtige Richtung ging – etwa wenn man den Mitsubishi i-MiEV mit diesem Hedag vergleicht. Doch hören wir auf zu polemisieren, konzentrieren wir uns wieder auf die schönen Landaulets.

Foto: Louwman Museum

Schön, wie das Spyker 15/22-HP Three-Quarter Landaulette aus 1907. Langsam wird das Kutschendesign zurückgedrängt. Nicht mehr der Kutschenbock dominiert, als erstes sieht man eine Motorhaube. Und auch der Fahrer sitzt nicht mehr auf, sondern im Fahrzeug.

Foto: Louwman Museum

Aus 1912 stammt dieser Packard der U-Serie, wie schon das Bild verrät. Mit diesem Wagen schaffte Packard den Sprung in die Oberliga der Automobilwelt. Inzwischen ist die Marke dennoch Geschichte und sämtliche Wiederbelebungsversuche sind gescheitert. Teilweise sogar kläglich. Doch damit würden wir schon wieder zu weit abschweifen.

Foto: Packard

Dabei wollen wir noch nach Belgien ausholen – 1928, Minerva 32CV AK Landaulette, das Auto von Heinrich Wladimir Albrecht Ernst, Herzog von Mecklenburg und ab 1901 Prinzgemahl der Königin Wilhelmina der Niederlande – bevor wir uns wieder zurück nach Stuttgart begeben, wo alles angefangen hat und die Landaulet-Tradition bis heute hoch gehalten wird.

Foto: Lowman Museum

Darum wechseln wir von den Niederlanden zum Kaiser von Japan, seinem W 07 aus den 1930er-Jahren und damit zu den Landaulets von Mercedes-Benz.

Vor allem Staatsoberhäupter und Würdenträger schätzen die selektive Offenheit der Landaulets deren Verdeck einen herrlichen Rahmen um die automobile Bühne bildet. Landaulets erleben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sogar soetwas wie eine Blütezeit. Obwohl gut, Kassenschlager sind sie trotzdem keine.

Foto: Daimler

Männer, die – zumindest bis vor Kurzem – einen recht stattlichen Auftritt pflegten, waren die Päpste. Bereits 1930 hat Mercedes-Benz dem Papst den Rom-Wagen geschenkt, eine Pullman-Limousine. Doch Papst Johannes XXIII wünscht sich ein Landaulet und Mercedes-Benz stellt ihm 1960 eines vom Typ 300 hin. Natürlich eine Einzelanfertigung.

Foto: Daimler

Das Fahrgestell des W 189 wurde um 45 Zentimeter auf einen Radstand von 3,6 Meter verlängert, zudem ist der Wagen um zehn Zentimeter höher. Angetrieben wird er von einem 160 PS starken Reihensechszylinder mit drei Liter Hubraum.

Die Seitenscheiben im Fond können bei offenem Verdeck vollständig entfernt und in eigenen Halterungen im Kofferraum verstaut werden. Die Trennwand zwischen Papst und Fahrer lässt sich, wie auch die vorderen Fenster, elektrisch bedienen. Der Thronsessel ist bixmitten im Fond angebracht, lässt sich ebenfalls elektrisch verstellen und hat Bedienelemente für die Klimaanlage und den Funk eingearbeitet.

Foto: Daimler

Fünf Jahre später, 1965, bekommt Papst Paul VI ein neues Landaulet. Eines vom Typ 600.

Foto: Daimler

Auch diverse Staatsoberhäupter, wie hier Queen Elisabeth II mit Kurt Georg Kiesinger 1966 beim Staatsbesuch in Stuttgart, fahren gerne eine Runde im W 100-Landaulet. Der Wagen, auf den die deutsche Bundesregierung zurückgreift, gehört zum werkseigenen Fuhrpark von Mercedes-Benz.

Aber der Typ 600 – egal ob als Landaulet oder Pullmann – begeisterte auch Staatsmänner, die für Mercedes-Benz weniger repräsentativ sind – weshalb die in der Firmengeschichte eher außen vorgelassen werden. Wie Kim Il-sung, Saddam Hussein oder Nicolae Ceausescu.

Foto: Daimler

Auf das Papamobil von 1965 verweist man bei Daimler hingegen heute noch sehr gerne.

Foto: Daimler

Vier verschiedene Landaulet-Ausführungen bot Mercedes-Benz damals an. "Die Standard-Version hatte vier Türen, Fondsitze in Vis-à-vis-Anordnung und ein Verdeck, das bis zur Vorderkante der Fondtüren reichte", erklärt Mercedes-Benz. Es gab aber auch eine Version mit sechs Türen und Klappsitzen in Fahrtrichtung und ohne Schnallen in den Mitteltüren.

Foto: Daimler

Es gab ein kurzes und ein langes Stoffverdeck, es gab Fernsehanschluss, wie man an der effektheischenden Antenne am Heck erkennt. Es gab sogar einen Wagen mit kurzen Radstand, zu dem dann der Ex-Rennfahrer Graf von Berckheim griff. Klar, weil der kürzere Benz deutlich wendiger war.

Kurzum, von den 59 gebauten Landaulets dürften sich keine zwei Fahrzeuge gleichen. Was ihnen allen aber gemein war, das war der gehobene Preis, der so gesalzen war, dass ihn Mercedes-Benz nie in eine offizielle Preisliste zu schreiben wagte.

Foto: Daimler

1997, als Papst Johannes Paul II den Mercedes-Benz S 500 lang Landaulet übernimmt, haben auch die motorisierten Landaulets ihren Höhepunkt hinter sich.

Foto: Daimler

Dennoch zeigt Daimler 2007 eine Maybach Landaulet-Studie. Dabei wäre es vielleicht vorausschauender gewesen, dieses Know-how an Fiat und die 500L-Techniker zu verkaufen, wie der Papstbesuch im September in den USA nahelegte. (Guido Gluschitsch, 05.11.2015)

Foto: Daimler