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Wie und wann soll man Kinder aufklären? Im Bild: Puppen für Sexualerziehung an japanischen Volksschulen.

Foto: REUTERS / Issei Kato

Eva und Lilly kuscheln gerne gemeinsam in der Puppenecke. Moritz drückt Moni ein dickes Bussi auf die Wange. Fritzi und Lea spielen Doktor und untersuchen einander. Ali und Stefan stehen am Klo und vergleichen ihre Penisse: "Mein Spatzi ist schon länger als deines!, schau mal, wie weit ich pinkeln kann!" Laura wetzt in der Schule oft auf ihrem Sessel herum und manchmal beginnt sie dabei zu schwitzen und leise zu stöhnen. Bei Familie D. ist es normal, dass alle auch mal nackt durch die Wohnung laufen. Ludwig und seine zwei Geschwister lieben es, gemeinsam zu baden. Elsa und Peter wollen wissen, wie das Baby in Mamas Bauch gekommen ist.

Kinder machen im Gegensatz zu Jugendlichen und Erwachsenen keinen Unterschied zwischen Zuneigung und sexuellem Erleben – sie denken nicht in diesen Kategorien.

Eltern, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Lehrerinnen und Lehrer sind in solchen und ähnlichen Situationen oft gefordert. Wie reagiert man am besten? Wie soll man mit kleinen Kindern über Sex reden? Wie und wann soll man Kinder aufklären?

Altersadäquat antworten

Grundsätzlich gilt: Kinder, die eine Frage stellen, sind auch reif genug für eine altersadäquate Antwort. Kinder brauchen keine wissenschaftlichen Abhandlungen zum Beispiel darüber, wie das Baby in den Bauch kommt. Oft reicht es, wenn man ihnen erklärt, dass sich Mama und Papa lieb haben, kuscheln und schmusen und dabei das Baby entstanden ist. Je älter Kinder werden, desto genauer wollen sie es wissen. Altersadäquate Bücher bieten gute Unterstützung für diese Gespräche.

Gerade in der ersten Zeit spielen die Berührungen beim Wickeln, Baden, Schmusen und beim Stillen eine große Rolle, sie werden vom Baby als angenehm wahrgenommen. Diese intensiven Berührungen dienen vor allem der Entwicklung der Bindung zwischen Eltern und Kind. Sie haben unter anderem auch einen Einfluss auf die Entwicklung der Sexualität und die Gestaltung der intimen Beziehungen als Jugendlicher und Erwachsener.

Die Erforschung des eigenen Körpers

Kleine Kinder sind ganz Körper. Sie sind neugierig, sie erforschen sich und ihren Körper und wollen wissen, wie dieser sich anfühlt. Selbststimulation gehört zur Erforschung dazu. Für viele Kinder ist Masturbieren beziehungsweise Onanieren eine Möglichkeit, den inneren Druck und Stress abzubauen und sich ein Wohlgefühl zu erzeugen.

Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Kind sich als eigenständiger Mensch erlebt, bemerkt es auch: "Ich bin ein Bub" oder "Ich bin ein Mädchen". Je nach Familie, Gesellschaft und Kultur erleben Kinder, dass die Erforschung des eigenen Körpers toleriert oder geduldet wird.

Sie stellen fest, dass Erwachsene unterschiedlich darauf reagieren. Trotzdem können Eltern oder Pädagoginnen und Pädagogen dem Kind vermitteln, dass es für andere irritierend sein kann.

Lernen, wo Grenzen sind

Kinder wollen spielen, ausprobieren und probehandeln. Sie sagen: "Wir küssen uns jetzt wie die Großen!" Dabei kann es schon mal auch zu sexuell übergriffigem Verhalten zwischen Kindern kommen. Da empfiehlt es sich dann nicht, zu übertrieben zu intervenieren, sondern darauf hinzuweisen: "Schau mal, der Michael mag das nicht!" Oder: "Weißt du was? Nächstes Mal fragst du die Dani vorher, ob sie mitmachen möchte!"

Kinder sollen von klein auf lernen, wo ihre Grenzen sind. Sie sollen sagen dürfen, wenn sie etwas nicht wollen und es muss auch respektiert werden. Das gilt für das oft geforderte Bussi für die Oma oder den Onkel genauso wie für das Kuscheln, Spielen oder Raufen im Kindergarten. Kinder, die Nein sagen können, weil sie wissen, was sie möchten und was nicht, werden weniger leicht zum Opfer eines Übergriffs.

Aufklärung, nicht Abschreckung

Wichtig ist es, bei der Aufklärung vor allem die positiven Aspekte der Sexualität wie Nähe, Zärtlichkeit, Wohlbefinden, aber auch Freude und Spaß in den Vordergrund zu stellen. Wenn Kinder immer nur erleben und erfahren, dass Sexualität mit Gefahren wie ungewollter Schwangerschaft oder Missbrauch gekoppelt wird, dann entwickeln sie eine dazu passende Einstellung und werden Sexualität als unangenehm und schlecht bewerten.

Sexualität hat viele verschiedene Dimensionen. Dabei geht es abgesehen von der Fortpflanzung in erster Linie um die Beziehung, um Intimität, um Wohlbefinden und Lust, um die Reduktion von Stress, das Selbstbewusstsein und die Identität.

Wenn Kinder das erleben dürfen, dann haben sie die besten Voraussetzungen für die Entwicklung einer befriedigenden Sexualität als Erwachsene. Erleben Kinder hingegen, dass das Erforschen und die Beschäftigung mit dem eigenen Körper und jede Selbststimulation von den Erwachsenen als falsch, schmutzig oder gar gefährlich bewertet wird, dann werden sie höchstwahrscheinlich ein schwieriges Verhältnis zur eigenen Sexualität entwickeln.

Kindliche Sexualität hat nichts Verwerfliches, und wenig zu tun mit der erwachsenen Sexualität. Es ist vielmehr die Sichtweise und Bewertung der Erwachsenen.

Ihre Erfahrungen?

Welche Erfahrungen haben Sie in ihrer Familie mit dem Thema Sexualität? Wie wurden Sie aufgeklärt? Wie haben Sie ihre Kinder aufgeklärt beziehungsweise wie wollen sie sie aufklären? Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 23.10.2015)