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Ahmed Chalabi starb im Alter von 71 Jahren an einem Herzinfarkt.

Foto: AP Photo/Karim Kadim

Bagdad/Wien – Wenn es ein "irakisches Gesicht" der amerikanischen Invasion im Irak im Jahr 2003 gibt, dann ist es das von Ahmed Chalabi. Der irakische Politiker starb am Dienstag kurz nach seinem 71. Geburtstag in Bagdad. Immerhin war er dort geblieben, anders als viele irakische Kriegsenthusiasten von 2003, die längst schon wieder im Ausland leben. Bei Chalabi, in dem seine US-Fans den "George Washington des Irak" sehen wollten, mag mitgespielt haben, dass sich sein einstiges enges Verhältnis zur Regierung von George W. Bush bald in Misstrauen und Feindschaft verkehrte.

Der Titel einer Biografie von Aram Roston aus dem Jahr 2008, Der Mann, der die USA in den Krieg trieb, illustriert, worum es ging. Dabei könnte man genauso ihn, Chalabi, als nützlichen Idioten der kriegswilligen Neocons bezeichnen. Er half, das an "Beweisen" für irakische Massenvernichtungswaffen zu liefern, was nötig war, um zumindest die noch unter dem Schock von 9/11 stehenden Amerikaner von der Notwendigkeit eines Einmarsches im Irak zu überzeugen. Chalabi, dem ein gewisses Charisma nicht abzusprechen war, fand auch willige Helfer in Medien und Wissenschaft, etwa bei Judith Miller in der New York Times, dem Publizisten Christopher Hitchens oder bei dem angesehenen Nahosthistoriker Bernard Lewis.

Mathematiker und Bankier

Ahmed Chalabi wurde 1944 in Bagdad, im schiitischen Bezirk Kadhimiya geboren, seine Familie wanderte bereits 1956, noch in der Monarchie, in die USA aus. Der begabte junge Mann studierte am MIT und machte sein Mathematik-Doktorat an der Universität Chicago. Als Mathematiker war er auch an der American University in Beirut tätig. 1977 gründete er in Jordanien die Petra Bank, deren spektakuläre Pleite ihm zehn Jahre später eine Verurteilung in absentia zu 22 Jahren Haft bescherte. Chalabi beschuldigte das Saddam-Regime einer Intrige.

1992, ein Jahr nach dem Golfkrieg, gründete Chalabi den INC (Iraqi National Congress), der lange Zeit aus dem Nordirak agierte. Ende der 1990er-Jahre begann seine aktive – und mit vielen Millionen US-Steuerdollar unterstützte – Arbeit in Washington, die ihn 2003 zum Hoffnungsträger der USA im von Saddam Hussein befreiten Irak machte.

Kein Rückhalt in der Bevölkerung

Nach dem Krieg stellte sich nicht nur heraus, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gab, sondern auch dass Chalabi keinerlei irakischen Rückhalt hatte. Der Mann, den die USA als Präsidenten des befreiten Irak vorgesehen hatten, schaffte es im Dezember 2005 nicht einmal mehr, ins Parlament gewählt zu werden, obwohl er zuvor Ölminister und Vizepremier gewesen war. Auch später wurde sein Namen immer wieder für Posten genannt.

Schon früh wandte sich Chalabi, auf der Suche nach einer Hausmacht, dem religiösen schiitischen Block zu – und hatte auch keine Berührungsängste mit radikal antiamerikanischen Kräften wie der Gruppierung von Muqtada al-Sadr. Bereits 2004 war der Vorwurf aufgetaucht, Chalabi habe als Agent des Iran agiert, was allerdings nie bewiesen wurde. Chalabi hingegen behauptete, der damalige CIA-Chef George Tenet sei der Erfinder der Massenvernichtungswaffenlüge gewesen. (Gudrun Harrer, 3.11.2015)