Außer bei schwangeren Frauen hielt man eine Infektion mit Toxoplasma-Parasiten bisher für belanglos. Dieser hochentwickelte Erreger kann aber in Menschen, so wie bei seinen natürlichen "Zwischenwirten" Ratten und Mäusen, ins Gehirn vordringen und das Verhalten zu ihren Ungunsten ändern, erklärte Joanne Webster vom Imperial College in London (Großbritannien) am Rande einer Tagung in Wien.

Nehmen die Nagetiere Toxoplasma gondii-Zysten mit der Nahrung auf, vermehrt sich der Parasit in ihren Körpern und bildet Gewebezysten etwa in den Muskeln, der Netzhaut und dem Gehirn. Die Tiere verlieren daraufhin ihre natürliche Scheu vor Katzen, benehmen sich aktiver, reagieren aber langsamer auf Umweltreize, und der Geruch von Katzenurin löst bei ihnen auf einmal sexuelle Erregung statt Angst aus.

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie von einer Katze gefangen und verspeist werden, und die Toxoplasma-Zysten in ihren "Endwirt" gelangen. Dort vermehrt sich der Parasit wieder und wird schließlich im Kot ausgeschieden, mit dem sich neuerlich Mäuse und Menschen durch Schmierinfektion anstecken können.

Jeder zweite betroffen

Bei Menschen sind Toxoplasmen weit verbreitet, in Österreich hat sie etwa jeder zweite. Gefürchtet ist aber lediglich eine Erstinfektion in der Schwangerschaft, weil sie oft zu schweren Missbildungen des Kindes und Totgeburten führt. "Ansonsten sagte bis vor kurzem jeder, dass der Parasit keine Symptome verursacht", so Webster. "Wir sehen aber bei Menschen die gleichen Auswirkungen auf das Verhalten wie bei Mäusen und Ratten", erklärte sie. Inklusive des bizarren Effekts, dass der Geruch von Katzen-Urin auf einmal eine besondere Anziehungskraft hat.

Kann bei jemanden Toxoplasma im Blut nachgewiesen werden, hat er eine um 2,75 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, in einem Verkehrsunfall verwickelt zu werden, wie der tschechische Forscher Jaroslav Flegr herausfand. Denn auch bei Menschen wird durch eine Infektion die Aktivität höher und die Reaktionszeit länger.

"Unter gewissen genetischen- und Umwelt-Bedingungen können auch schwerere Symptome wie Schizophrenie auftreten", sagte Webster. In einer Studie mit US-Soldaten, die regelmäßig und sehr genau medizinisch untersucht werden, habe man festgestellt, dass sich nach einer Toxoplasma-Infektion manchmal innerhalb von sechs Monaten bis zwei Jahren eine Schizophrenie entwickelt.

Gute Medikamente

Gegen den Parasiten vorzugehen sei "eine Herausforderung", so die Forscherin, denn er ist in der Nahrungskette quasi allgegenwärtig. Eine Untersuchung habe ergeben, dass Toxoplasma in einem Drittel der Fleischprodukte zu finden ist. Die meisten Leute würden höchstwahrscheinlich durch unzureichend gegartes Fleisch in Kontakt mit dem Parasiten kommen. "Darum sieht man in Frankreich und Irland, wo die Menschen nicht vollständig durchgebratenes Fleisch sehr mögen, Infektionsraten von 82 bis 94 Prozenten", so Webster.

Es gäbe zwar ganz gute Medikamente, um die Vermehrungsstadien von Toxoplasma anzugreifen, nicht aber für die Ruheformen wie etwa Zysten im Gehirn. Interessanterweise würden Psychopharmaka für Aids- und Schizophreniepatienten (viele Aids-Opfer bekamen im Endstadium der Krankheit schwere Psychosen) nicht, wie zunächst geglaubt, die Symptome im Gehirn bekämpfen, sondern die Vermehrung der Toxoplasmose-Erreger verhindern, erklärte die Forscherin. Dies sei ein weiterer Hinweis, dass solche psychiatrischen Krankheitsbilder von dem Parasiten verursacht werden. (APA, 6.11.2015)