"Unsere Arbeit beginnt genau jetzt", sagt Jakob Falkner. Jetzt, nachdem Spectre, der neue James Bond, in den europäischen Kinos angelaufen ist, leben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Söldener und Tiroler Tourismus-PR-Abteilungen aus dem Koffer: Warschau – Amsterdam – Kopenhagen – Wien – Hamburg – Berlin. Die Reisepläne von Falkner, Chef der Ötztaler Bergbahnen, lesen sich ein wenig so, wie das, was bei der Innsbruck-Premiere auf den Bond-Plakaten geschrieben stand: "Mexico City – Sölden – Rom – Sölden". Überall dort ist Daniel Craig als 007 unterwegs, bevor es in London mit Christoph Waltz in der Rolle des ewigen Widersachers Blofeld, zum Showdown kommt.

Selbst wenn nicht jede einzelne Minute der "Agenten-Alpensaga" Spectre prickelnd sei, ist sich Falkner einer Sache bewusst: "Bond bleibt einem für immer." Und das gilt für alles, was rund um 007 vorkommt. Deshalb ist sich der mächtigste Mann Söldens auch sicher: 550.000 Euro, die man dafür hinlegte, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Actionszenen in, um und über dem Ötztal gedreht wurden, sind eine kluge Investition – "wenn wir etwas daraus machen", wie Falkner sagt.

Gourmetküche in 3.042 Meter Seehöhe bietet das "Ice-Q" im echten Leben. Im aktuellen James Bond "Spectre" beherbergt der Glaskubus ein Sanatorium.
Foto: Sölden / Rudi Wyhlidal

Zum Beispiel muss man der Welt erst einmal erklären, dass der Tiroler Gaislachkogel in Zukunft das sein soll, was das Schweizer Schilthorn seither ist: eine Ikone. Das sich um die eigene Achse drehende Panoramarestaurant Piz Gloria wurde 1969 durch Im Geheimdienst Ihrer Majestät zur Pilgerstätte. Bis heute kommen Bond-Fans und filmaffine Wintertouristen deswegen hierher. Und so soll nun auch in Tirol das "Ice-Q", ein verglastes Gourmetrestaurant auf dem Gipfel des 3042 Meter hohen Gaislachkogels, zur Legende werden. Zum Gästemagnet einer ganzen Region.

Sölden auf dem Plakat

Im Film einfach nur als Kulisse vorzukommen, ist aber zu wenig. Auch wenn Bond insgesamt eine Viertelstunde lang in und um das Restaurant – im Film ein Sanatorium – flirtet, fliegt, kämpft und zu guter Letzt ein Flugzeug bruchlandet: In den Szenen werden weder Sölden, das Ötztal oder Tirol je erwähnt. Und der Name "Sölden" steht auch ausschließlich auf den Premieren-Plakaten in Innsbruck. Für Falkner dennoch kein Grund, den Kopf hängen zu lassen.

Obwohl weder das "Piz Gloria" noch das Schilthorn in dem Bond-Film aus dem Jahr 1969 namentlich erwähnt wurden und Blofelds Bergsitz bloß Kulisse für ein paar Kampf- und Ski-Szenen war, wurden beide Schauplätze rasch zur Legende. Dieser Marketingstreich soll sich nun rund um den 2013 in Sölden errichteten Prestige- und Glaswürfel wiederholen.

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Daniel Craig vor imposanter Bergkulisse
Foto: APA/BARBARA GINDL

Wenn dies gelingt, wird über die völlig unterschiedlichen finanziellen Zugänge der Schweizer und der Tiroler bald niemand mehr sprechen. Denn einst mussten die Bond-Produzenten ordentlich dafür löhnen, am Berg drehen zu dürfen, und 1968 war das Restaurant noch Baustelle. Im Austausch für die Drehgenehmigung finanzierten die Filmer einen Gutteil des Innenausbaus. 2015 zahlte man den Produzenten eine halbe Million Euro, dass der Bond überhaupt hier gedreht wurde."Eine Investition, die sich in jedem Fall rechnet", erklärt Falkner, während er bei der Film-Premiere mit 60 Journalisten aus zehn Ländern am Ice-Q das Prädikat "007-zertifiziert" feiert. 31 Drehtage in Tirol spülten fast neun Millionen Euro in die Kassen. Über 30.000 Nächtigungen wurden gebucht, gut 200 österreichische Zulieferfirmen bekamen Aufträge.

Touristisch relevanter ist aber, was dem Publikum – den letzten Bond Skyfall sahen 130 Millionen Menschen – sonst noch gezeigt wird und was davon hängen bleibt: faszinierende Alpenpanoramen etwa und funkelnde Gletscher, schneebedeckte Gipfel und mondäne Bergarchitektur, idyllische Dörfer, spektakuläre Fahrszenen und Stunts an Orten, die man dann selber sehen will.

Steirischer Stadl in Osttirol

Und es gibt gute Gründe, warum die Osttiroler Spectre ebenso als gelungenen Marketing-Coup wie die Ötztaler sehen: Bonds Jagd auf die Entführer seiner späteren Geliebten Madeleine Swan (Lea Seidoux) führt zwar durch die Ötztaler Gletscherregion, gerettet wird die Dame aber in Obertilliach in Osttirol. Und der Stadl, in dem Bond ein komplett geschrottetes Flugzeug "einparkt", wurde zwar eigens aus der Steiermark angeliefert, doch in der Szene wird Obertilliachs Ortskern ins Bild gerückt – wenn auch nicht genannt.

Das Restaurant des "Ice-Q"
Foto: Sölden / Rudi Wyhlidal

Ebenso unbenannt und in offiziellen Aussendungen gänzlich unerwähnt, bleibt eine dritte Tiroler Location: das Kaunertal. Auf einer Straße am Kaunertaler Stausee, die bei Autotests und in Reifenspots immer wieder zu TV-Ehren kommt, wurden auch für Spectre Fahrszenen gedreht. Doch im Gegensatz zum Ötztal bezahlte das Kaunertal dafür keinen Cent. Im Gegenteil: Räumung und Absicherung der lawinengefährdeten Strecke wurden verrechnet – zum regulären Tarif.

Offiziell wurden darüber ähnlich strikte Stillschweigeklauseln geschlossen wie im Ötztal. Aber die Kaunertaler machten keinen Hehl daraus, dass sie die Werbewirkung einer Straßenszene für ihre Region als gering einschätzten. Obwohl sie da noch gar nicht wussten, wohin "ihre" Straße im Film führt: nach Altaussee.

Altaussee auf der Karte

Am hintersten Ende des Altausseer Sees kann Bond den Tod von Madeleines Vater zwar nicht verhindern – doch die Schönheit der Region darf nachwirken. Und im Gegensatz zu den Tiroler Orten wird Altaussee nicht nur namentlich genannt, sondern auch auf einer Karte gezeigt. In der Steiermark feiert man das wie einen Triumph über die Locations in Tirol. Zudem wurden lediglich 150.000 Euro an das Produktionsteam bezahlt und wie die Kleine Zeitung die Filmförderungsstelle "Cinestyria" zitiert, sei auch vertraglich vereinbart worden, dass das Ausseerland genannt werden oder erkennbar sein müsse. Hätte ein Drehort in der Steiermark etwa für einen in Tirol herhalten müssen, wäre das Geld einfach nicht ausbezahlt worden.

Doch ganz unerwähnt bleibt Tirol in Spectre auch wieder nicht. Kitzbühel kommt etwa vor. Nicht im Bild, aber als Erwähnung. Der Ort, an dem Bond-Ur-Autor Ian Fleming um 1930 in einer britischen Privatschule von einem Lehrer unterrichtet wurde, der davor Geheimdienstler war, wird als Schauplatz eines Lawinenunglückes benannt. Hier begann die Feindschaft zwischen Bond und Blofeld. Ob und wie die Kitzbühler sich in den Film "eingebracht" haben, ist nicht überliefert.

So malerisch oder dramatisch Bergketten, Gletscher und Alpenseen auch sein können: Vor dem unkundigen Auge sind sie austauschbar.
Foto: Sölden / Rudi Wyhlidal

Doch die Gelder, die Regionen in Österreich aufbringen mussten, um im neuen Bond vorzukommen, sind Peanuts im Vergleich zu anderen Gegenden der Welt: Mexico City soll 20 Millionen, Rom um die sechs Millionen Euro locker gemacht haben, um im globalen Bewusstsein als "Bond-Städte" verewigt zu sein. Und das, obwohl Bilder von Sehenswürdigkeiten in Weltstädten ohnehin einzigartig sind und kaum Verwechslungsgefahr besteht.

Kein relevanter Markt

So malerisch oder dramatisch Bergketten, Gletscher und Alpenseen auch sein können: Vor dem unkundigen Auge sind sie austauschbar. Tatsächlich fällt nur ein unverwechselbares Objekt aus Österreich in Spectre auf: das "Ice-Q". Alle anderen Szenen schmeicheln lediglich der patriotischen Seele – und die ist kein relevanter Markt.

Genau deshalb schickte Jakob Falkner seine Agenten noch am Tag der Premiere mit einem einzigen Auftrag in die Welt: Den Leuten da draußen noch einmal zu sagen, wo genau der Nachfolger des "Piz Gloria" steht. "Unsere Arbeit beginnt genau jetzt", wiederholte er dann. (Thomas Rottenberg, 6.11.2015)