Der deutsche Autor schreibt über seine besondere Familienkonstellation.

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Jochen König mit seinen beiden Töchtern: Fritzi (links) und Lynn.

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Er stellt das klassische Familienmodell auf den Kopf. Jochen König bricht mit alten Traditionen: Bei seiner ersten Tochter war er die treibende Kraft, die das Kind wollte. Der damals 27-Jährige entschied sich, in Karenz zu gehen. Seine zweite Tochter hat er mit einem lesbischen Paar gezeugt.

STANDARD: Ein Vater. Zwei Kinder. Drei Mütter. Drei Wohnungen. Und Sie als Knotenpunkt dazwischen. Das klingt nach viel Organisationsarbeit. Wie sieht Ihr Alltag aus?

König: Meine ältere Tochter ist neun Tage bei mir, dann fünf Tage bei ihrer Mutter. Meine jüngere Tochter ist drei Tage bei mir, dann vier Tage bei ihren Müttern. Das ist ein eingespielter Rhythmus. Über wichtige Themen wie die Schule oder den Kindergarten sprechen wir bei den "Übergaben" der Kinder. Außerdem kommunizieren wir viel über unsere Familien-Whatsapp-Gruppe.

STANDARD: Gibt es Ausflüge zu sechst, oder versuchen Sie die zwei Welten der Kinder zu trennen?

König: Ich versuche, die Leben der beiden nicht zu trennen, aber es gibt nicht viele Gelegenheiten, wo alle zusammentreffen. Bei Fritzis Einschulung oder ihrem Geburtstag haben wir uns alle gemeinsam getroffen. Aber wir verabreden uns nicht explizit zu sechst.

STANDARD: Sie wurden durch Ihr Buch "Von der Angst eines Vaters, keine gute Mutter zu sein" bekannt. Weshalb ist es im 21. Jahrhundert noch eine Geschichte – in Ihrem Fall sogar ein Buch – wert, wenn ein Vater beschließt, ein Kind bekommen zu wollen?

König: Es ist schräg. Ich mache nichts anderes als hunderttausende Mütter, aber mir klopfen dafür alle auf die Schulter. Bei Müttern ist es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass sie sich um ihre Kinder kümmern. Das ist ungerecht. Gleichzeitig zeigt es, dass meine gelebte Familienkonstellation noch außergewöhnlich ist. Ich stehe mit meiner Geschichte seit ein paar Jahren in der Öffentlichkeit, dennoch habe ich bis heute keinen anderen Vater kennengelernt, der in einer ähnlichen Situation wie ich ist. Einen, der mit der Mutter vor der Geburt des Kindes entschieden hat, nicht mit der Mutter zusammenzuleben, aber sich überwiegend um das Kind kümmert. In Deutschland nehmen auch nur die wenigsten Väter mehr als zwei Monate Elternzeit. In Österreich wird das nicht viel anders sein.

STANDARD: In einem Ihrer Artikel schreiben Sie, dass das gängige Familienideal von verliebten Eltern mit Kindern kaum funktioniert. Weshalb?

König: Wichtig ist das klassische Rollenverständnis: In den meisten Familien bleibt die Mutter mit dem Kind zu Hause, während der Vater arbeiten geht. Dadurch entsteht eine gewisse Entfremdung, eine Distanz zwischen den Paaren. Für ein kleines Kind zu sorgen ist total energie- und zeitaufwendig. Da bleibt zum Beispiel auch die Paarbeziehung auf der Strecke. Am Abend einmal Essen zu gehen, dafür fehlt die Zeit oder die Energie. Beziehungen sind auch nicht mehr so resistent wie vor fünfzig Jahren. Paare leben sich irgendwann auseinander.

STANDARD: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr zweites Kind mit einem lesbischen Pärchen via Samenspende zu zeugen?

König: Ich hatte keine Partnerin, als der Wunsch nach einem zweiten Kind in mir wuchs. Mir kam die Idee, ein Kind mit einer Frau zu kriegen, mit der ich nicht zusammen bin. Ich habe angefangen, Menschen zu suchen, die ähnliche Vorstellungen haben. Irgendwann hab ich Marie, eine Bekannte aus dem Studium, getroffen, die sich das auch vorstellen konnte. Erst später kam ihre Partnerin dazu.

STANDARD: Wie wichtig ist ein gutes Verhältnis der Eltern?

König: Wenn ich die Mütter meiner Kinder gar nicht leiden könnte, wär das natürlich doof. Durch die Kinder entsteht auch eine ganz enge Bindung. Aber wir haben gemerkt, dass wir nicht in allem einer Meinung sein müssen. Ich glaube, es gehört ein bisschen zu unserem Familienkonzept ... wobei eigentlich gehört es zu allen Familien dazu, dass man im Umgang miteinander eine Lockerheit entwickelt und anerkennt, dass der andere Elternteil mit einer Beziehung anders umgeht als man selbst. Jeder hat andere Stärken und andere Schwächen, die für ein Kind bereichernd sein können.

STANDARD: Ihre ältere Tochter Fritzi ist inzwischen sechs Jahre alt. Ist sie sich der ungewöhnlichen Familienkonstellation bewusst, oder ist es ihr gelebter Alltag?

König: Zum einen ist es ihr gelebter Alltag, den sie überhaupt nicht infrage stellt. Sie weiß, dass es noch zwei Mütter gibt, die zwar nicht ihre Mütter sind, die aber trotzdem zur Familie gehören. Aber in der Interaktion mit anderen Kindern merkt sie natürlich, dass in anderen Familien etwas anders ist. Sie hat aber einen eigenen Stolz für ihre Familie entwickelt. Fritzi hat zum Beispiel schon auf dem Spielplatz angegeben: "In meiner Familie gibt es aber mehr Mütter als in deiner."

STANDARD: Ihre Tochter nennt Sie auch Mama. Weshalb?

König: Alle anderen Kinder bezeichnen ihre Hauptbezugsperson mit dem Wort Mama. Als sie zwei Jahre alt war, hat Fritzi deshalb angefangen, auch mich so zu nennen. Ich habe sie nicht korrigiert. Ich glaube aber, dass sie es inzwischen mit einer selbstironischen Selbstsicherheit sagt. Für uns ist es völlig normal, dass ich als Vater ihre Mama bin.

STANDARD: Spielt das Geschlecht bei der Hauptbezugsperson des Kindes einer Rolle?

König: Nein, Menschen sind unterschiedlich. Und auch Menschen gleichen Geschlechts sind unterschiedlich. Unterschiedliche Mütter haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Genauso komm ich in manchen Situationen mit den Kindern besser oder eben schlechter zurecht. Mit dem Geschlecht der Bezugsperson hat das aber wenig zu tun. Für die Kinder ist es gut, wenn sie diese Vielfalt kennenlernen und sich bei unterschiedlichen Bezugspersonen etwas anderes abgucken können.

STANDARD: Sie waren im Sommer mit Ihrer Tochter Fritzi bei einem Camp für alternative Familienformen. Konnte Sie denn die Vielfalt der verschiedenen gelebten Familienkonstellationen überhaupt noch überraschen?

König: Das Camp "Wer lebt mit wem" war eine wichtige Inspiration für mein zweites Buch. Ich wollte mir anschauen, wie alternative Familienformen funktionieren. Die Vielfalt der möglichen Konstellationen hat mich aber dennoch überrascht. Außerdem fand ich es spannend, dass die Kategorisierung von Familien nicht funktioniert. In offiziellen Statistiken gibt es nur die Alleinerziehenden oder die Patchworkfamilien, aber letztendlich gibt es innerhalb dieser Konstellationen immer noch tausende Unterschiede.

STANDARD: Gibt es Ihrer Meinung nach noch Handlungsbedarf bei der Förderung von ungewöhnlichen Familienkonstellationen?

König: Wenn über Familienpolitik diskutiert wird, spricht man meistens über das klassische Modell. Nach diesem werden die politischen Maßnahmen ausgerichtet. Die Politik müsste anfangen anzuerkennen, dass nicht 90 Prozent der Familie nach dem gleichen Muster funktionieren, dass Familien vielfältiger geworden sind. Erst dann könnte man sich überlegen, welche Maßnahmen wichtig sind, um auch andere Familien optimal zu unterstützen. (Sophie-Kristin Hausberger, 2.12.2015)