Wenn alles gutgeht, dann gibt es in absehbarer Zeit etwas, was ich mir schon lange gewünscht habe: eine Art Sojasauce aus Österreich. Der Peter Troißinger bastelt bei sich zu Hause in der Steiermark gerade daran, aus Süßlupinen mithilfe von Pilzen und Zeit Würzsauce zu machen. Und ich bin ziemlich zuversichtlich, dass das ziemlich toll wird.

Wenn Sie irgendwo auf der Welt etwas wirklich Gutes essen, stehen die Chancen sehr hoch, dass eine vergorene Sauce drin ist. Die chinesische, die japanische oder die Thai-Küche, sie alle verdanken ihre Köstlichkeit zu einem guten Teil ihren vergorenen Würzsaucen – sei es Fischsauce, Sojasauce, Miso oder eine der zahlreiche Abwandlungen dieser Dreifaltigkeit des guten Geschmacks. Die drei sind im Grunde sehr ähnliche Produkte: In allen Fällen wird Eiweiß – entweder Fisch oder eine Getreide-Soja-Mischung – mithilfe von Schimmelpilzen, Bakterien und Enzymen zerlegt, sodass jede Menge Aminosäuren wie Glutamat freigesetzt werden. Das Ergebnis ist, wenn gut gemacht, in allen Fällen pures umami – es schmeckt süchtigmachend gut.

Vor 2.000 Jahren war eine solche Sauce auch in Europa weit verbreitet: Für die Römer war ein Essen ohne Garum, eine Art Fischsauce, schlicht undenkbar, es dürfte in der römischen Küche ähnlich verwendet worden sein wie bei uns heute Salz. Leider ging das Zeug gemeinsam mit dem Römischen Reich unter – und geriet sehr lange mehr oder weniger in Vergessenheit.

Gärgläser bei Peter Troißinger.
Foto: Tobias Müller

Das Ähnlichste, was mir in der österreichischen Küchen dazu einfällt, sind die Maggi-Flaschen, die bis vor ein paar Jahren Wirtshaustische zierten. Spuren der früheren Freude von Westlern an vergorenen Saucen finden sich noch in der exzessiven Ketchup-Verwendung und der Worcestershire-Sauce in der angelsächsischen Welt. (Das Wort Ketchup dürfte von einem asiatischen Wort für eine Art Fischsauce stammen, Worcester-Sauce war der Versuch der britischen Kolonialherren, Fischsauce ohne Fisch nachzubasteln.) Ganz langsam scheint sich aber eine Rückkehr dieser Köstlichkeiten in der westlichen Küche anzukündigen.

In den USA haben der Herr Chang und sein Momofuku viel dazu beigetragen, dass vergorene Würzsaucen und Pasten ziemlich en vogue geworden sind; im Norden Europas arbeitet das Nordic Food Lab seit Jahren daran, allerlei asiatische Verrottungskünste für hiesige Zutaten und Geschmäcker zu adaptieren; und in Österreich braut der Lukas Nagl am Traunsee eine ganz famose Fischsauce zusammen.

Peter Troißinger wiederum kennt den Herrn Nagl noch von ihrer gemeinsamen Zeit beim Steirereck. Nach dem Steirereck hat sich der Herr Troißinger ein Jahr als Küchenchef in Schanghai die Nächte um die Ohren geschlagen, jetzt ist er wieder zurück in der Steiermark und wird ab nächstem Jahr das dann frisch umgebaute elterliche Wirtshaus bekochen. Und da soll die Würzsauce dann bereits eine wichtige Rolle spielen: "Es kann ja nicht sein, dass ich den Gästen aus ethischen Gründen leinengeangelten Fisch verkaufe und den dann mit importierter Sojasauce aus Industriesoja würze", sagt er. Und er hat völlig recht.

Süßlupinen-Sauce

Die Würzsauce vom Herrn Troißinger wird keine Sojasauce, sondern eine Süßlupinen-Sauce. Das sollte keinen allzu großen geschmacklichen Unterschied machen, wie dieser Text etwas langwierig und fachlateinisch erklärt. Andererseits ist es aber eine super Sache, weil Süßlupinen in Österreich hervorragend als Zwischenfrucht angebaut werden können. Bauern können so ihre Felder düngen und anschließend die Feldfrüchte dieser Düngearbeit auch noch an den Herrn Troißinger (oder andere Saucenbrauer) verkaufen. Und wenn die mit der Saucenproduktion und den Lupinen fertig sind, bekommen die Kühe den Rest als Eiweißfutter.

Genauso, wie Sojasauce zu einem Teil aus Weizen besteht, setzt auch der Herr Troißinger auf eine Mischung aus Lupinen und Weizen. Zuerst werden die Bohnen und das Getreide für drei Tage in ein Keimrad gepackt. Das Ding ist eigentlich entwickelt worden, um damit Getreide für Hühnerfutter keimen zu lassen, es funktioniert aber auch für die Lupinen tadellos.

Foto: Tobias Müller

Das Wasser darin weicht die Bohnen auf, wenn sie zu keimen beginnen, verwandeln sie ihre eigene Stärke in Zucker – ein Prozess, der für die spätere Saucenproduktion wichtig ist.

Anschließend werden die gekeimten Körner 45 Minuten gedämpft, bis sie einigermaßen al dente gekocht sind und leicht nussig schmecken.

Foto: Tobias Müller

Dann darf die Mischung auf etwa 40 Grad herunterkühlen und wird anschließend mit Koji geimpft, jenem begnadeten Schimmelpilz, der auch aus Soja Miso und aus Reis Sake macht.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Für die nächsten drei Tage werden die geimpften Bohnen in einer Thermobox (wegen der Temperatur und Feuchtigkeit) im Keller geparkt, bis sich ein schöner Schimmelbezug gebildet hat.

Foto: Tobias Müller

Danach wird die Masse mit einer etwa 15-prozentigen Salzlake gemischt, auf sechs Teile Lupinen/Weizen kommen vier Teile Lake. Schließlich darf alles in Gärgläsern mindestens sechs Monate und bis zu 18 Monate gären.

Foto: Tobias Müller

Am Ende wird die Flüssigkeit abgepresst. Derzeit gären die ersten Testsaucen noch im Keller, im Februar wird es dann so weit sein, und die ersten Verkostungen sollen stattfinden.

Foto: Tobias Müller

Weil die Sauce einmal im größeren Maßstab entstehen soll, sucht der Herr Troißinger gerade nach Partnern. Wenn Sie Interesse haben, da mitzumachen: Melden Sie sich bei ihm! Er ist meist im elterlichen Wirtshaus erreichbar oder unter ptroissinger@gmx.at. (Tobias Müller, 29.11.2015)