Ein Jahr lang konnten Mitarbeiter von Nathan Christensen so viel Urlaub nehmen, wie sie wollten. Im Endeffekt blieb es aber bei gleich vielen Tagen wie in den Jahren zuvor. Dennoch kam das Experiment bei den Angestellten gut an und wird weitergeführt.

Es ist der Traum vieler Mitarbeiter: unbegrenzter bezahlter Urlaub – vor allem in den USA, wo der gesetzliche Urlaubsanspruch mit – je nach Bundesstaat – höchstens 15 Tagen geringer ist, als in vielen anderen Ländern. Viele innovative Unternehmen haben in den vergangenen Monaten deswegen über die unbegrenzten Urlaubstage diskutiert, sie eingeführt und – wie die Crowdfunding-Plattform Kickstarter – wieder abgeschafft. Die überraschende Begründung: Die Angestellten nahmen sich noch weniger frei als zuvor.

Nathan Christensen, CEO des US-Personaldienstleisters Mammoth mit 40 Mitarbeitern, wurde neugierig und beschloss, seinen Mitarbeitern ein begrenztes Angebot zu machen: Ein Jahr lang bot er ihnen an, so viel Urlaub wie gewollt zu nehmen. Mit ähnlichem Fazit wie bei Kickstarter: "Über das Jahr gesehen haben unsere Mitarbeiter im Schnitt genauso viele Tage freigenommen wie zuvor." Christensen ist aber aus mehreren Gründen sehr zufrieden und möchte das Angebot fortsetzen, wie er in seinem Erfahrungsbericht schreibt, der im Magazin "Fast Company" erschienen ist.

Urlaub wichtiger als Weiterbildung

Obwohl nicht mehr Urlaubstage beansprucht wurden, kam die Möglichkeit bei den Angestellten sehr gut an. Von allen Benefits, die Christensen seinen Mitarbeitern anbot, wurden die unbegrenzten Urlaubstage besonders gut aufgenommen. "Gefragt, was ihnen wichtig ist, nannten unsere Angestellten erst Krankenversicherung und Altersvorsorge – und als drittes unbegrenzte Urlaubstage. Das war ihnen wichtiger als zum Beispiel eine Zahnversicherung oder Weiterbildungskurse", schreibt Christensen.

Warum ist es den Angestellen aber so wichtig, wenn sie keinen Gebrauch davon machen? Christensen: "Die Antwort ist, dass es bei der Regelung nicht nur darum geht, was sie hält, sondern auch darum, was sie verspricht." Eine Firma die unbegrenzte Urlaubstage anbiete beweise, dass sie ihre Angestellten ganzheitlich sehe. Mitarbeiter hätten schließlich auch Pflichten außerhalb der Arbeit.

Vertrauensbeweis an Mitarbeiter

Zweitens sei das Angebot ein Vertrauensbeweis. "Nicht Manager oder Personalchefs sind dafür zuständig, dass Mitarbeiter ihre Aufgaben schaffen, sondern die Mitarbeiter selbst – unabhängig davon, wie viel Zeit sie im Büro verbringen."

Und last, but not least zeige das Angebot auch, dass man seine Mitarbeiter als Individuen wahrnehme. "Frag' fünf Leute, wie viel Freizeit sie brauchen, und du kriegst fünf verschiedene Antworten."

"Unbegrenzt" falscher Begriff

Christensen kündigt in seinem Erfahrungsbericht deshalb an auch weiterhin unbegrenzte Urlaubstage anzubieten. Das empfiehlt er auch anderen Unternehmen, allerdings sind ihm einige Ergänzungen wichtig: Der Begriff "unbegrenzte Urlaubstage" passe eigentlich nicht wirklich. Denn natürlich gebe es Grenzen, wie viele Tage ein Mitarbeiter freimachen kann – zum Beispiel, wenn die Arbeit nicht mehr geschafft werde. Der Begriff klingt für Christensen zu sehr nach Maßlosigkeit und Schlagzeile.

Außerdem empfiehlt der Unternehmer, die Regelungen in den Firmenwerten zu verankern und klarzumachen, dass Auszeit keine Einbahnstraße sei. "Wir bieten unseren Mitarbeitern Flexibilität, weil wir in sie investieren wollen. Aber diese Investition muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Als Gegenleistung erwarten wir, dass unsere Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen, und zwar so gut erledigen, dass unsere Firma wachsen kann, unsere Kunden auf uns zählen können und auch die Kollegen eine Chance haben, eine Balance zwischen Arbeit und Beruf hinzukriegen."

Leistung statt Zeit als Faktor

Letzter Tipp von Christensen: sich auf Leistungen statt auf die Zeit zu konzentrieren. Führungskräfte und Mitarbeiter bräuchten entsprechende Anleitungen, wie sie ermitteln können, was von jedem Einzelnen erwartet wird. Nur so könnten Mitarbeiter ihre Zeitpläne erstellen und Manager die Leistung evaluieren, schreibt Christensen.

Was bei ihm funktioniert hat, muss aber nicht überall gelten: "Unbegrenzte Urlaubstage passen nicht zu jeder Firma. Aber wenn ihr glaubt, es würde in eurem Team funktionieren, dann lasst euch nicht einschüchtern von Berichten über angeblichen Missbrauch oder das reihenweise Verfallenlassen der freien Tage. Nach unserer Erfahrung ist das die Ausnahme und nicht die Regel." (Lara Hagen, 1.12.2015)