"Schland, oh Schland": Das einstige Modelied ist längst verklungen, aber der sprachliche Einfluss Deutschlands auf Österreich hält unvermindert an.

Wien – "Tschüss" statt "Servus" oder "Pfiati" beziehungsweise "Pfiat di", "die" statt "das Cola" bzw. "die" statt "das E-Mail". In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekt konstatieren der Linguist Rudolf de Cillia von der Uni Wien und seine Mitarbeiterinnen Jutta Ransmayr und Elisabeth Fink einen "altersspezifischen Sprachwandel": Die jüngere Generation tendiert stärker zu sogenannten "Deutschlandismen".

Die Ausgangsstudie

Die Ergebnisse sind eine Art Nebenprodukt einer nun abgeschlossenen Studie zur Rolle des österreichischen Standarddeutsch in seiner Funktion als Bildungs- und Unterrichtssprache an österreichischen Schulen. Insgesamt wurden dafür mehr als 1.250 Schüler der Sekundarstufe II sowie rund 160 Lehrer aller Schularten aus allen Bundesländern mit Fragebögen befragt und Interviews mit 21 Lehrern geführt. Außerdem nahmen die Forscher in sieben Schulklassen als Beobachter am Unterricht teil und organisierten je eine Gruppendiskussion mit Lehrern und Schülern.

Unter anderem gaben die Sprachwissenschafter den Schülern und Lehrern 30 Beispielsätze vor, die Wahlmöglichkeiten zwischen je zwei Varianten (entweder Austriazismen oder Deutschlandismen) enthielten. So hatten die Teilnehmer etwa die Wahl zwischen "der Junge" oder "der Bub", "in die Schule gehen" oder "zur Schule gehen", "einem Einser" oder "eine Eins","Schweinsbraten" oder "Schweinebraten" bzw. "schmeckt sehr gut" oder "ist sehr lecker". Ergebnis: 61 Prozent der Lehrer, aber nur 46 Prozent der Schüler bevorzugten dabei die Austriazismen.

Ergebnisse im Detail

91 Prozent der Schüler und 60 Prozent der Lehrer entschieden sich für "die" SMS, 79 Prozent der Schüler und 57 Prozent der Lehrer drückten einen "Pickel" statt eines "Wimmerls" aus, 82 Prozent der Schüler und 43 Prozent der Lehrer schrieben "eine" E-Mail, 69 Prozent der Schüler und 35 Prozent der Lehrer gaben dem "Jungen" den Vorzug gegenüber dem "Bub", 53 Prozent der Schüler und 22 Prozent der Lehrer schlürften "die" Cola.

Es gibt aber auch durchaus dominante Austriazismen: Umgekehrt ließen 97 Prozent der Lehrer und 89 Prozent der Schüler das Jahr mit dem "Jänner" (statt Januar) beginnen, die gleichen Prozentsätze gaben "bin gestanden" den Vorzug gegenüber "habe gestanden". "Schweinsbraten" statt "Schweinebraten" wollten 84 Prozent der Lehrer und 82 Prozent der Schüler verzehren, 96 Prozent der Lehrer und 82 Prozent der Schüler wählten den gemeindeutschen Ausdruck "schmeckt sehr gut" gegenüber "ist sehr lecker".

Sogar "Ciao" häufiger als "Baba" und "Pfiati"

In einer eigenen Frage erhoben die Forscher außerdem, mit welcher Grußformel sich die Probanden verabschieden würden (Mehrfachnennungen möglich). Zur Auswahl standen dabei "Tschüss", "Baba", "Pfiati", "Ciao" und "Servus". Ergebnis: 79 Prozent der Schüler nannten "Tschüss", 32 Prozent "Ciao", 22 Prozent "Servus" und je zehn Prozent "Baba" und "Pfiati". Bei den Lehrern kam "Tschüss" auf 60 Prozent, "Servus" immerhin noch auf 50 Prozent, "Pfiati" auf 31 Prozent, "Ciao" auf 23 und "Baba" auf 22 Prozent.

Je jünger die Probanden, desto eher zeigte sich eine Tendenz zu Ausdrücken, die die Forscher als "Deutschlandismen" bezeichneten. Das galt auch für die Gruppe der Lehrer. Konstruierte man aus den Befragungs-Daten zwei "Generationen" (bis 21 Jahre bzw. ab 41 Jahre unter Außerachtlassung der Gruppe dazwischen), wurde das Ergebnis noch deutlicher: 64 Prozent der älteren, aber nur 46 Prozent der jüngeren Generation – also weniger als die Hälfte – wählte durchschnittlich Ausdrucksweisen, die in Österreich Tradition haben.

Medieneinfluss als wahrscheinliche Ursache

Grund für die stärkere Verbreitung deutscher Wörter dürfte das Medienverhalten sein, vermutet de Cillia. Die Forscher erhoben nämlich auch den TV-Konsum. Dabei zeigte sich, dass jene Schüler, die angaben, nur deutsche Kanäle zu sehen, signifikant öfter "Deutschlandismen" verwendeten als jene, die nur österreichische Sender einschalteten bzw. Programme aus beiden Staaten ansahen. (APA, red, 3. 12. 2015)