München – Schwämme (Porifera), Rippenquallen (Ctenophora), Nesseltiere (Cnidaria, zu denen auch die eigentlichen Quallen gehören) und Scheibentiere (Placozoa mit nur einer einzigen bekannten Spezies) bilden die Gruppe der sogenannten nicht-bilateralen Tiere. Allesamt sind sie sehr alte Tierstämme, die bereits vor über 600 Millionen Jahren entstanden. Die Verwandtschaftsbeziehungen dieser Tiere untereinander und zu den Bilateria – den sogenannten Zweiseitern, zu denen alle anderen Tiere inklusive der Menschen gehören – aufzuklären, ist eine der größten Herausforderungen in der Evolutionsbiologie.

Welchen Stamm unter all den alten man als den allerältesten bezeichnen kann, weil er sich als erster von den gemeinsamen Vorfahren aller anderen Tiere abgespalten hat, wurde immer wieder diskutiert. Schwämme galten lange Zeit als Favorit, auch wenn einige Forscher in jüngerer Vergangenheit eher die Rippenquallen favorisierten. Dieser Vermutung erteilt nun ein internationales Forscherteam eine Absage, wie die Unversität München berichtet.

Die Allerersten

Wissenschafter um Gert Wörheide von der Uni München und Davide Pisani von der Universität Bristol sehen nach genetischen Analysen die alte Vermutung bestätigt, dass Schwämme als erste ihren eigenen Weg gingen und damit die Schwestergruppe zu allen anderen Tieren zusammen bilden. "Studien, die Rippenquallen als Trendsetter der Evolution zeigen, konnten wir widerlegen, indem wir die genetischen Daten aus diesen Studien mithilfe verbesserter Methoden neu analysiert haben", sagt Wörheide.

Rippenquallen sind relativ komplexe Tiere, die im Gegensatz zu Schwämmen und Scheibentieren bereits ein Nervensystem und Muskeln besitzen. "Wenn die Rippenquallen sich als erste abgespalten hätten, müssten diese Organe entweder schon in einem gemeinsamen Vorfahren aller Tiere angelegt gewesen sein, und einfacher gebaute Lebewesen wie die Schwämme haben sie dann wieder verloren; oder wir müssten davon ausgehen, dass sich bestimmte Merkmale im Lauf der Evolution unabhängig voneinander mehrfach entwickelt haben", erklärt Wörheide. "Dieses Szenario würde eine Neubewertung der gesamten frühen Evolution von Tieren erfordern." (red, 6.12.2015)