Die expliziten Filmstills eines italienischen Horrorfilms, im Schaukasten eines Kinos in Jesolo, markieren den Anfang des jungen Filmamateurs: Als Zehnjähriger beginnt Christian Fuchs zu filmen. Die Ästhetik des Schreckens jenes italienischen Horrorfilms, dessen Bilder im Familienurlaub so eindringlich auf ihn wirkten, ist im 1981 entstandenen "Mutanten" wiederzufinden.

Schmalfilme, produziert von Kindern und Jugendlichen, sind selten. Filmmaterial ist kostspielig und: Amateurfilm ist eine patriarchale Praxis. Die Kontrolle über die Kamera gibt der Vater nur ungern auf. Christian Fuchs verwendet zunächst die Super-8-Kamera seines Vaters, bis er zu Weihnachten eine eigene bekommt, eine Eumig Mini 5. "Die konnte aber nicht viel", erinnert er sich, worauf er weiterhin mit der väterlichen Beaulieu filmt.

Junge Filmamateure richten die Kamera nicht auf sich selbst, wie es in den biografischen Selbstinszenierungen im Web 2.0 verbreitet ist. Sie inszenieren, fiktionalisieren, imitieren und lösen sich von den üblichen Motiven des Heimkinos – vom idealisierten Abbild der Familie, einem Leben im glücklichen Ausnahmezustand, in dem stets die Sonne scheint.

Sie schreit, sie leidet, sie blutet

Christian Fuchs inszeniert Un-Heimliches: Splatter als radikaler Gegenentwurf zum Familienfilm. Der Cousin wird in "Mutanten" von Zombies verspeist, die Mutter mit dem Messer niedergemetzelt. "Hinter den Kulissen wurde viel gelacht", erzählt Christian Fuchs. Margarete Fuchs, die Mutter des jungen Filmers, verkörpert auch die Rolle der Mutter in "Mutanten": Sie erschrickt, sie schreit, sie leidet, sie blutet – bis sie schließlich stirbt. Den Moment des Todes visualisiert Fuchs an der blutverschmierten Hand, die noch einmal kurz aufzuckt, bevor sie leblos erstarrt. Der junge Filmer, der oft ins Kino geht, zitiert hier ein viel verwendetes Motiv der filmischen Erzählung. Er spricht Filmsprache. Mit der Wahl der Musik, Goblin und Ennio Morricone, legt er sein Vorbild offen: Dario Argento.

Für die aufwendig und liebevoll gestalteten Biss- und Schnittwunden der filmischen Opfer verwendet Fuchs Fensterkitt statt Silikon, eine Technik, die er im Erste-Hilfe-Kurs in der Schule lernt. Rote Wasserfarbe dient als Kunstblut. Der Filmamateur ist Bricoleur, ein Bastler, der einfach verfügbare Materialien benützt. So wird die ausgediente Perücke der Mutter zum wichtigen Requisit – und zum Ausgangspunkt seines blutigen Szenarios.

Österreichisches Filmmuseum

In "Mutanten" wird die Figur der Mutter getötet – filmischer Muttermord also, statt Vatermord. Das ödipale Motiv ist in der Filmgeschichte tief verankert, der Matrizid hingegen nur selten zu finden, er gilt als das ultimative Verbrechen. Das wird dem jungen Filmer zum Vorwurf gemacht, als er bei einem Amateurfilmwettbewerb des fantastischen Films in Neunkirchen teilnimmt. Während der Projektion herrscht Totenstille. Kein Applaus. Technisch sei der Film gut umgesetzt, so die Jury, aber die Wirkung auf die ZuseherInnen wäre so fatal, dass sie dem jungen Filmer nahelegen, psychologische Hilfe zu suchen. Er wird Letzter.

Ganz anders die Reaktion, als Christian Fuchs seine zwei Splatterfilme im Rahmen des Slash Filmfestivals 2014 zeigt. Die Trashfilme von gestern sind die Klassiker von heute. (Stefanie Zingl, Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft, 7.12.2015)

Gewidmet Siegfried Mattl, der an der Gestaltung dieser Serie maßgeblich beteiligt war. Mattl starb im April in Wien.