Seine Geschichte ist erzählt: Anakin Skywalker, der Messias, muss als Darth Vader den Umweg über den dunklen Pfad der Macht beschreiten. In Episode VII übernehmen andere.

Foto: Lucasfilm / Disney / Electronic Arts

"Das Erwachen der Macht" beginnt in Österreich am 17. 12.

Foto: Lucasfilm

"Es war einmal vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernten Galaxis ..." Wenn dieser kosmische Märchenprolog ab 14. Dezember auf den Kinoleinwänden der uns bekannten Welt erscheint, beginnt für Millionen "Star Wars"-Fans eine neue Ära. Der Film "Episode VII – The Force Awakens" ("Das Erwachen der Macht") bedeutet Aufbruch und Abschied zugleich. Denn die Fortsetzung der Reihe (mehrere Filme sind in Planung) ermöglichte ihr brillanter Erfinder George Lucas erst dadurch, dass er sich selbst zurückzog.

Seit beinahe 40 Erdenjahren begeistern sich Menschen für das von ihm geschaffene "Krieg der Sterne"-Epos, dessen faszinierende Welten und Geschöpfe, für das Mysterium der "Macht", den galaktischen Kampf zwischen Gut und Böse, Rebellion und Imperium.

Sechs Filme, die Kenner in eine "Prequel"- und eine "Sequel"-Trilogie (Vor- und Nacherzählung) unterteilen können, sind seit 1977 dem Kopf des heute 71-jährigen Filmemachers entsprungen. Aus einem fragwürdigen Nischenprojekt mit verhältnismäßig kleinem Budget wurde die kommerziell erfolgreichste Filmreihe aller Zeiten. Eine Zäsur in der Geschichte der Populärkultur.

Milliardendeal mit Disney

2012 verkaufte George Lucas seinen auf "Star Wars" aufgebauten Konzern Lucasfilm Ltd. für vier Milliarden US-Dollar an Walt Disney, weil er die Fortführung seines Lebenswerks noch selbst in die richtigen Hände legen wollte. Ein Deal, der sich für Disney rechnet. Denn Lucas, ein Pionier des Merchandising, trat damit auch sämtliche Rechte an Fanartikeln, vom T-Shirt bis zur Actionfigur, an den Konkurrenten ab. Schätzungen zufolge hatte Lucasfilm damit über die Jahre einen zweistelligen Milliardenbetrag erwirtschaftet. Lucas selbst will seine Milliarden übrigens Bildungseinrichtungen spenden.

Doch worauf fußt der immense Erfolg der "Star Wars"-Filme? Aus welchen Bausteinen setzt sich dieses Epos unserer Zeit zusammen? Wer das verstehen will, muss, wie so oft, die Entstehungszeit des Werks unter die Lupe nehmen.

George Lucas, der mit klassischen Abenteuerromanen und Science-Fiction-Serien wie "Flash Gordon" aufgewachsen war, entwickelte seine Idee für "The Star Wars" (erster Titel) als junger Independent-Filmer Anfang der 1970er-Jahre – eine Zeit des Umbruchs, politisch wie im Filmgeschäft: Der Vietnamkrieg entpuppte sich für die USA zunehmend als Fiasko, im Kino dominierten Düsternis und Antihelden, Hollywood suchte nach Orientierung.

Die Macht des Mythologen

Lucas, der gerade einen Achtungserfolg mit der Jugendkomödie "American Graffiti" (1973) gelandet hatte, tüftelte seit Jahren an seiner Vision einer heroischen Weltraumoper im Stile des technisch bahnbrechenden Kubrick-Films 2001: "Odyssee im Weltraum" (1968). Aber auch aus anderen Genres bezog Lucas Inspiration: Zum Beispiel aus dem Western mit seinen Revolverhelden und kargen Wüstenszenerien. Und aus den Historienfilmen des japanischen Meisterregisseurs Akira Kurosawa. Der Helm Darth Vaders ist nicht ohne Grund einem japanischen Samuraihelm nachempfunden.

Dass sich "Star Wars" nicht einfach ins Science-Fiction-Genre einordnete, sondern einen Mythos begründete, lag an der Vermischung all dieser Einflüsse. Und an einem Mann, dessen Hauptwerk Lucas zur rechten Zeit in die Hände fiel: Joseph Campbell (1904- 1987). Der US-amerikanische Literaturwissenschafter und Mythenforscher versuchte zeit seines Lebens, die großen Epen und Erzählungen aller Kulturen auf ihre Gemeinsamkeiten, ihre verbindenden Grundmotive hin zu untersuchen.

In seinem Buch "Der Heros in tausend Gestalten" (1949) entwickelte Campbell das Konzept des "Monomythos". Demnach sei es vor allem der Aufbau "Aufbruch – Initiation – Rückkehr", der allen mythologischen Stoffen zugrunde liegt. Das Werk wurde zur Bibel junger Drehbuchautoren. George Lucas entwarf seine Heldengeschichte über den Farmerjungen Luke Skywalker, der aufbricht und Prüfungen bestehen muss, um am Ende zu sich selbst zu finden, wie am Reißbrett, nach Campbells Konzept.

Im ersten Teaser-Trailer von 1976 wird "Star Wars" als romantisches Heldenepos vorgestellt.
Star Wars

Doch das Erzählen einer Coming-of-Age-Geschichte ist freilich nicht der einzige Baustein, auf dem der durchschlagende Erfolg der Saga basiert. Ebenso klar folgt Lucas dem Ödipus-Motiv, wonach Luke erst durch die Konfrontation mit seinem Vater Darth Vader / Anakin Skywalker zum Helden werden kann.

Ästhetisch neu war Lucas' Idee einer "used future" – einer Zukunft, die dreckig und verbraucht aussah und dadurch in krassem Gegensatz zur zeitgeistigen Hochglanz-Science-Fiction stand. "Star Wars" relativierte mit diesem Kniff den Glauben an den technologischen Fortschritt, ohne ihn zu verneinen – trieb es ihn im Bereich der Special Effects doch selbst entscheidend voran. Lucas' dafür gegründete Firma Industrial Light and Magic (ILM) revolutionierte die Art, wie in Hollywood Filme gemacht werden, nachhaltig.

Fernöstliche Jedi-Lehren

Dem Geist der ausklingenden Hippie-Bewegung, von dem auch George Lucas Notiz nahm, ist es mitunter zu verdanken, dass der Filmemacher sein Epos mit einem spirituellen Konzept ausstattete, das er schlicht "die Macht" nannte. Sie wird als kosmische Energie vorgestellt, die alles zusammenhält und stets im Gleichgewicht bleiben muss.

Die Jedi-Ritter nützen diese Macht defensiv als Hüter des Friedens, während die Sith Lords "den dunklen Pfad der Macht gehen" und ihre Kräfte (Telepathie, Telekinese, Schwertkampf) aggressiv und eigennützig einsetzen. Es ist – so die "Star Wars"-Philosophie – vor allem die Furcht vor Verlust, die sie dazu treibt.

Lucas folgt dabei einer vereinfachten Version der drei großen ostasiatischen Denktraditionen Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus. Die Beherrschung der Leidenschaften, die Vorstellung einer alles durchdringenden Lebensenergie (Qi), Kampftechniken von Kendo bis Kung-Fu, die Organisation in (Kloster-)Orden: All das vermischt sich in "Star Wars" zu einer postmodernen Spiritualität abseits des Glaubens an eine personifizierte Gottheit.

Dennoch finden sich auch westliche Elemente, wie die Existenz eines Auserwählten, eines Messias: Anakin Skywalker. Dieser verfällt nach Ansicht des Philosophen Slavoj Zizek gerade aufgrund seiner exzessiven Neigung zum Guten der dunklen Seite der Macht. Dem Verhaltenskodex der Jedi widerspricht das. Dieser erfordert, sich von allen Leidenschaften wie übersteigerter Liebe, Furcht und Hass frei zu machen.

Kampf der politischen Systeme

Dass die Filme stets auch Entwicklungen ihrer jeweiligen Entstehungszeit aufnahmen, ist exemplarisch daran abzulesen, wie unterschiedlich die Macht erklärt wird. Während in der früheren Trilogie (Episode IV-VI) mystisch von einem Energiefeld gesprochen wird, tauchen in der neueren Trilogie naturwissenschaftliche Erklärungen auf, wonach die Macht am Gehalt der sogenannten "Midichlorianer" im Blut gemessen werden kann. Zeitgeist eben.

Nah an der Wirklichkeit orientiert ist schließlich auch die politische Ebene. Bei der Erzählung von der Rebellion freiheitsliebender Republikaner gegen die Diktatur des galaktischen Imperiums ("Empire") hat George Lucas vor allem die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung vor Augen. Die schrittweise Entwicklung von einer instabilen Republik zur Diktatur, die der Kanzler und spätere Imperator Palpatine auch via Notstandsgesetze (die heute wieder Thema sind) vollzieht, kann hingegen als Parabel auf Hitlers Machtergreifung gesehen werden. Auch die Antike hält für Brüche und Wechsel zwischen republikanischen und diktatorischen Staatsformen zahlreiche Beispiele bereit.

Ein steter Kritikpunkt am "Star Wars"-Universum – wo es heute längst nicht mehr nur um Filme geht – ist die wuchernde Kommerzialisierung des Stoffs. Allzu oft widerspricht das aggressive Merchandising der Jedi-Ethik von Entsagung und Bescheidenheit. Lucas, der als junger Independent-Filmer gegen die Macht der großen Hollywood-Studios ankämpfen wollte, wurde letztlich selbst "Teil des Imperiums", wie er zugibt. Eine Ironie der Geschichte, mit der der Multimilliardär nach eigenem Bekunden stets gehadert habe.

Den dunklen Pfad gehen

Die unglaubliche Popularität der "Star Wars"-Saga lässt sich aber nicht nur am finanziellen Erfolg ablesen, sondern auch an politischer Vereinnahmung: So gingen etwa Ronald Reagans Weltraumraketenabwehrpläne gegen die Sowjetunion, die er als "böses Imperium" bezeichnete, 1983 als "Star-Wars-Programm" in die Geschichte ein. Und auch aus jüngster Zeit finden sich Anspielungen. Barack Obama meinte in seiner nach dem Terror in San Bernardino erfolgten Rede an die Nation: Die Terroristen seien "den dunklen Pfad der Radikalisierung" gegangen. Doch der Furcht, meinte er weiter, werde Amerika nicht nachgeben.

Der Mythos verfehlt seine Wirkung nicht. (Stefan Weiss, 12.12.2015)