Die Kühlbox gehört, zumindest bei mir, zu den eher selten benutzten Haushaltsaustattungen. Alle heiligen Sommer wird sie hervorgeholt und für einen Nachmittag befüllt, den Rest der Zeit fängt sie Staub und steht im Weg herum. Nun habe ich gelernt: Das muss nicht sein. Man kann seine Kühlbox viel öfter und auch im Winter benutzen – indem man in ihr Steak kocht.

Die Idee verdanke ich diesem genialen Mann und seinem ebenso genialen Buch, und sie ist so bestechend einfach, dass ich mich wundere, dass niemand früher darauf gekommen ist (oder habe ich etwas verpasst?). Vielleicht liegt es ja am irreführenden Namen des Trumms: Eine Kühlbox kühlt schließlich überhaupt nicht, sie hält bloß relativ konstant die Temperatur in ihrem Inneren. Das heißt, dass sie nicht nur Kaltes kalt hält, sondern auch Warmes warm. Wer sie daher mit heißem Wasser statt kaltem Bier befüllt, der hat plötzlich ein sehr günstiges Sous-vide-Gerät.

Foto: Tobias Müller

Die Theorie hinter Sous-vide ist simpel: Essen wird vakuumiert und in einem heißen Wasserbad versenkt, in dem stets die gleiche Temperatur herrscht. So kann es langsam, aber sicher aufs Grad genau erhitzt werden. Ist das für Steaks unbedingt nötig? Natürlich nicht, und es sieht außerdem drastisch schlechter aus als ein Holzkohlengrill und riecht nicht einmal annähernd so gut.

Es hat aber drei riesige Vorteile: Erstens können Sie ihr Fleisch exaktest auf den Punkt garen. Ihr Ribeye hat am Ende genau die 57 Grad, die es für medium rare haben soll, und zwar zweitens nicht nur in der Mitte, wo es sich in der Pfanne oder im Ofen am langsamsten erhitzt, sondern überall, bis hin in die äußerste Fleischschicht. Drittens müssen Sie sich während des Kochens nicht den Hauch einer Sorge machen, dass Ihr Steak übergart. Selbst wenn Sie es eine ganze Stunde in seinem Wasserbad vergessen, wird ihm genau gar nichts passieren.

Im Anschluss an das Heißwassergaren wird das Steak für den Geschmack außen ganz konventionell karamellisiert. In einer sehr heißen Pfanne oder auf einem ordentlich befeuerten Grill braucht das nicht länger als eine Minute pro Seite. Schneller und simpler geht's nicht. Selbst das Rastenlassen nach dem Braten fällt fast vollständig weg, da das Fleisch ohnehin konstant auf niedriger Temperatur gehalten wurde. In vielen Restaurants ist das die Standard-Garmethode für sehr viele Fleischstücke. Dank Kühlbox können auch Sie dieses Wunder vollbringen.

Der Preis, den Sie dafür zahlen, ist das etwas fizzelige Einstellen Ihrer Kühlbox: Der ungeübte Kühlboxkocher braucht bei den ersten Steakkochaktionen einiges an Herumgeschütte, um das Wasserbad auf die richtige Temperatur zu bekommen. Das legt sich aber mit der Übung glücklicherweise recht schnell.

Wann Sous-vide empfehlenswert ist

Ich habe Sous-vide bereits einmal mit einem Gusseisenpfannen-Steak verglichen, damals ist es meiner Meinung nach nicht ganz an die andere Methode herangekommen. Es gibt aber Momente, in denen es sich trotzdem empfiehlt:

  1. Wenn Sie nicht ein Steak, sondern ein größeres Stück Fleisch garen, das unmöglich in einer Pfanne durchgebraten werden kann, ohne außen zu verbrennen oder zu übergaren.
  2. Wenn Sie ein sehr empfindliches Stück Fleisch garen – etwa ein Hangarsteak, das sehr leicht überkocht und zäh wird.
  3. Wenn Sie sich einfach nicht sorgen wollen, dass Ihnen ihr Braten unabsichtlich übergart.

Sicher, die Temperatur in der Kühlbox ist weniger konstant als in einem professionellen Heißwasserbad – bei meinen bisherigen Selbstversuchen ist sie je nach Versuchsanordnung pro Stunde um ein bis fünf Grad gesunken. 24 Stunden gegarte Rinderbrust werden Sie darin eher keine machen können, außer Sie bereiten sich auf eine relativ schlaflose Nacht und viele Neubefüllungen vor. Um mittelgroße Braten in zwei, drei Stunden perfekt zu garen, reicht das aber völlig aus.

Nachdem ich die Technik in Lopez-Alts Buch entdeckt hatte, musste ich das jedenfalls ausprobieren. Ich habe bisher zwei Steaks mit meiner Kühlbox gemacht: einmal ein großes Ribeye, das ich im Ganzen gegart und anschließend vor dem Anbraten halbiert habe, einmal ein Flanksteak für einen Thai-Rindfleisch-Salat.

Foto: Tobias Müller

Beide waren perfekter medium rare, als ich das anders so leicht hinbekommen hätte. Und es hat diebischen Spaß gemacht, die Kühlbox aus ihrer ewigen Ruhe zu wecken.

Steak, in der Kühlbox gegart

Sie brauchen neben einer Kühlbox ein Küchenthermometer und einen verzippbaren Gefrierbeutel, in dem Ihr Gargut bequem Platz hat. Die folgenden Temperatur- und Zeitangaben gelten für ein etwa ein Kilo schweres Steak. Für andere Stücke wie Hühnerbrüste machen Sie das Wasser ein bisserl (aber nicht viel) heißer, um die 65 Grad. Je kleiner, desto schneller geht's klarerweise. Da Sie aber hier nichts überkochen können, lassen Sie es lieber zu lang als zu kurz ziehen.

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Erhitzen Sie je nach Kühlboxgröße mindestens drei, besser vier bis fünf Liter Wasser in einem großen Topf auf dem Herd, bis es etwa 65 Grad hat. Kippen Sie es in Ihre Kühlbox und messen Sie erneut die Temperatur. Schütten Sie so lange kleinere Mengen kaltes Wasser nach oder rühren Sie mit einem großen Löffel um, bis das Wasser in der Box 60 Grad hat. (Das ursprüngliche Erhitzen auf 65 Grad soll den Temperaturverlust beim Schütten ausgleichen.)

Salzen Sie Ihr Steak mindestens eine Stunde, gern auch 24 Stunden vor dem Kochen (warum, steht in Herrn Lopez-Alts Buch). Packen Sie es in einen verzippbaren Gefrierbeutel und versenken Sie es langsam in dem Wasser, sodass alle Luft entweichen kann.

Zippen Sie den Beutel bis auf eine kleine Öffnung in einer Ecke zu und tauchen Sie ihn langsam immer weiter unter, bis nur mehr diese Ecke herausschaut (siehe auch hier). Verschließen Sie sie – sie sollten nun eine Art Vakuum in ihrem Beutel haben; nicht so eins wie im Weltall, aber für Ihre Zwecke völlig ausreichend. Falls die Luft nicht von selbst kommt, helfen Sie mit den Händen nach oder, wenn Ihnen das Wasser zu heiß ist, nehmen Sie einen Kochlöffel.

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Verschließen Sie Ihre Kühlbox und stellen Sie sie je nach Jahreszeit und Verfügbarkeit in die Sonne, neben die Heizung, oder packen Sie sie schlicht in eine dicke Decke ein. Messen Sie nach etwa einer Stunde die Temperatur Ihres Wasserbads – sollte es unter 57 Grad gefallen sein, korrigieren Sie das mit etwas kochendem Wasser.

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Nach etwa zweieinhalb bis drei Stunden sollte Ihr Steak perfekt gegart sein. Wenn Sie sichergehen wollen, messen Sie seine Kerntemperatur: 57 Grad ist das Ziel.

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Das Steak wird nun eine unappetitlich graue Farbe haben, das macht aber gar nichts.

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Schneiden Sie das Steak je nach Größe in Portionen und braten Sie diese in einer sehr, sehr heißen Pfanne scharf an, etwa eine Minute pro Seite.

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Wenn Sie wollen, wenden Sie es alle 30 Sekunden, bis es schön dunkelbraun karamellisiert ist.

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Lassen Sie es zwei, drei Minuten rasten und genießen Sie das Beste, was je aus Ihrer Kühlbox gekommen ist. (Tobias Müller, 10.1.2016)

Steak-Experimente in umgekehrt chronologischer Reihenfolge seit dem Start des Blogs im November 2012.

Das 24-Stunden-Steak

Steak, die sechste: Achtjährige Milchkuh, sieben Wochen gereiftes Schwein

Steak, die fünfte: Alte Kuh, fünf Monate abgelegen

Steak, die vierte: Rind, im Eigenfett gereift – und die perfekten Topfenknödel

Steak, die dritte: Das Acht-Wochen-Steak

Steak, die zweite: Ducasse versus Blumenthal

Das Einstunden-Steak