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Angst ist normal. Sie kann auch krankhaft sein. Als Auslöser dafür gilt chronischer Stress, wie Forscher herausgefunden haben.

Foto: dpa/Oliver Berg

München – Angst ist eine normale Reaktion auf Stresssituationen. Angst ist für das Überleben notwendig. Das Problem heute: Angsstörungen zählen mittlerweile zu den am weitesten verbreiteten psychischen Erkrankungen. Schätzungen zufolge leiden zwischen fünf und 15 Prozent der Österreicher zumindest einmal in ihrem Leben an einer phobischen Störung, bei der Betroffene regelmäßig von Angstzuständen ohne tatsächliche Bedrohung heimgesucht werden. Die körperlichen Symptome: Herzrasen, Atemnot und Schweißausbrüche. "Für etwa ein Drittel der Erkrankten gibt es keine wirksame Therapie", berichten Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München.

In einer Studie untersuchten nun die Max-Planck-Wissenschaftler, wie das persönliche Umfeld bzw. die Lebensumstände das Verhalten des Einzelnen beeinflussen. Die Forscher fanden heraus, dass chronische Stressbelastung oder ein traumatisches Erlebnis epigenetische Veränderungen hervorrufen können. Das geschieht durch die Bindung sogenannter Methylgruppen an die DNA, die wiederum die Aktivität von Genen dauerhaft verändern kann.

Das Prinzip dahinter: Die Methylierung erfolgt durch eine Gruppe von Enzymen, die als DNA Methyltransferasen (Dnmts) bezeichnet werden. Auf Basis der durch die Enzymaktivität hervorgerufenen epigenetischen Veränderungen wollen die Forscher nicht nur stressbedingte Erkrankungen identifizieren, sondern auch Prognosen über den Behandlungserfolg ableiten.

Präfontaler Kortex unter Stress

Die Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie konnten zeigen, dass es durch stressbedingte Angstzustände zu einer Verringerung von Dnmt3a-Enzymen im präfrontalen Kortex kommt. Der präfrontale Kortex ist etwa für Problemlösungen und abstrakte Denkprozesse zuständig. Da diese Hirnregion das Verhalten, die Entscheidungsfindung und die soziale Kontrolle steuert, wird sie auch häufig als Sitz der Persönlichkeit bezeichnet.

In einem weiterführenden Schritt manipulierten die Wissenschaftler die Menge von Dnmt3a im präfrontalen Kortex von Mäusen. "Wir haben herausgefunden, dass eine Erhöhung der Dnmt3a-Menge angstähnliches Verhalten im Anschluss an Stress verminderte und eine Reduzierung der Enzym-Menge angstähnliches Verhalten nach Stress erhöhte", erklärt Studienleiter Alon Chen.

Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass das Enzym Dnmt3a im präfrontalen Kortex Angst vermittelt. "Dnmt3a könnte sich als das molekulare Bindeglied zwischen chronischem Stress und der Entwicklung von Angststörungen erweisen und könnte ein neuer Ansatz für die Therapie sein", ergänzt Alon Chen. (red, 20.1.2016)