Satya Nadella öffnet Microsoft immer stärker in Richtung Open Source.

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Rund um die Jahrtausendwende waren die Rollen in der IT-Welt noch eindeutig verteilt: hier Microsoft und damit jenes Unternehmen, das geradezu prototypisch für kommerzielle Software und Lock-In-Politik steht, dort ein buntes, über die ganze Welt verstreutes Sammelsurium an Entwicklern, die genau das Gegenteil anstreben: Software, die nicht nur für alle kostenlos erhältlich ist, sondern deren Code noch dazu nach Belieben verändert werden kann. Den langjährigen Konkurrenten Apple hatte Microsoft damals ganz gut im Griff, mit der Open-Source-Herausforderung wusste der Windows-Hersteller aber nicht so recht etwas anzufangen – und reagierte reichlich nervös. Das freie Betriebssystem Linux sei ein Krebsgeschwür, gab etwa der langjährige Firmenboss Steve Ballmer einst zu Protokoll, nur um es an anderer Stelle wahlweise als "unamerikanisch" oder "kommunistisch" zu brandmarken.

Zeitenwandel

15 Jahre später könnte man meinen, die Rote Armee wäre in der Konzernzentrale in Redmond einmarschiert: In den letzten Monaten hat Microsoft immer weitere Teile seiner Software unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht. Und darunter findet sich durchaus so mancher "große Brocken".

Schrittweise Öffnung

So wurde etwa vergangenes Jahr der Kern des Software-Frameworks .Net als Open Source veröffentlicht. Vor Kurzem folgte dann mit der Javascript-Engine Chakra ein zentraler Bestandteil des aktuellen Microsoft-Browsers Edge. Und auch CNTK, ein Toolkit zur Entwicklung von Anwendungen für den zukunftsträchtigen Bereich des Maschinenlernens, ist mittlerweile im Quellcode erhältlich. Beachtenswert ist dabei auch, dass Microsoft nicht bloß den Einblick in den Code erlaubt, andere Unternehmen können aufgrund der gewählten Lizenz sogar kommerzielle Software auf dieser Basis entwickeln, ohne ihre Änderungen zurückgeben zu müssen.

Viel von Google gelernt

Eine entscheidende Rolle im Gesinnungswandel bei Microsoft dürfte die Konkurrenz gespielt haben. Gerade Google hat in den vergangenen Jahren demonstriert, wie man rund um Open-Source-Software ein florierendes Geschäft aufbauen kann. Geradezu prototypisch zeigt sich dies anhand von Android: Die freie Verfügbarkeit des Codes, und die Möglichkeit diesen für die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können, war ein entscheidender Faktor für den Aufstieg des mobilen Betriebssystems. Hardwarehersteller und Netzanbieter stürzten sich auf das Linux-basierte Angebot und machten damit Android zum weltweit klar führenden Smartphone-Betriebssystem, während Microsofts mobiles Windows bis heute nicht so recht vom Fleck kommt.

Linux hat gewonnen

Das Beispiel Android verdeutlicht aber noch etwas anderes: Open Source – und Linux im Speziellen – hat schlicht gewonnen. Braucht ein Hersteller für ein neues Gerät ein Betriebssystem, greift er praktisch immer zum Linux-Kernel als Basis. Der Open-Source-Ansatz und die Beteiligung einer weltweiten Community haben Linux anpassungsfähig wie kein zweites System gemacht. Vom Kühlschrank bis zum Server – überall läuft heute im Kern freie Software. Während Ballmer diese Realität lange nicht akzeptieren wollte, geht sein Nachfolger Satya Nadella wesentlich pragmatischer mit dem Thema Open Source um. So unterstützt Microsoft auf seiner eigenen Cloud-Plattform Azure nicht nur mittlerweile offiziell Linux, das Unternehmen hat zu diesem Zweck sogar eine eigene Linux-Distribution geschnürt. Etwas, das vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre, auch wenn selbst Ballmer über die Jahre ein etwas gemäßigteres Verhältnis zu dem freien Betriebssystem gefunden hatte.

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Die Affinität zu Open Source ist bei Microsoft – genau so wie bei Google – natürlich keiner philanthropischen Neuausrichtung geschuldet, sondern verfolgt konkrete strategische Ziele. Bei der Javascript-Engine Chakra geht es etwa darum, nicht weiter an Einfluss in der Server-Welt zu verlieren, wo zunehmend Javascript-Frameworks wie Node.js laufen, die bisher auf Google-Software aufbauen.

More to come

Angesichts dessen ist zu erwarten, dass Microsoft in Zukunft immer weitere Software-Komponenten als Open Source veröffentlichen wird. Selbst die Freigaben von Teilen von Windows im Quellcode scheint nicht mehr undenkbar – so sich denn das Unternehmen einen konkreten Vorteil daraus erhofft. Die ideologischen Schützengräben der Vergangenheit gehören damit jedenfalls bei Microsoft endgültig der Vergangenheit an. (Andreas Proschofsky, 11.2.2016)