Bild: Firewatch
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Wenn man jung ist, blickt man voraus und denkt sich, dass alles gut werden wird. In der Planlosigkeit liegt unbekümmerte Schönheit. Und wenn man dann älter ist, blickt man zurück und weiß, dass das Leben nicht so einfach ist. In dem Story-Adventure "Firewatch" schlüpft man in die Rolle des Mittvierzigers Henry. In einer emotionalen Sackgasse angelangt, nimmt er einen Sommerjob als Feuerwache im Shoshone National Forest an. Abgeschnitten von der Zivilisation starrt er von seinem Turm aus in die Ferne und hat keine Ahnung, was ihn jetzt erwartet.

Es ist das Jahr 1989 und der einzige Kontakt zu Menschen erfolgt für Henry per tragbarem Funkgerät. Am anderen Ende der Leitung wartet seine Vorgesetzte Delilah, die ihn mit den Pflichten eines Waldschützers auf Trab hält. Mit ihrer Stimme im Ohr, einem Rucksack voller Seile und einer Landkarte und einem Kompass in der Hand, ist man bereit für die idyllischen Wanderwege bei drückender Hitze und kitschigen Sonnenuntergängen. Irgendwo am Horizont zündet ein Feuerwerk und schon waltet man seines Amtes.

Nacktbadende Pyrotechnikerinnen

Es beginnt wie ein Sommermärchen. Mit zwei rebellischen jungen Damen, die sich unter Wyomings tieforangem Himmelszelt zu einem Nacktbad entschließen. "You creep!", schreit eine der Gören und stößt Henry aus dem Traum, während Delilah einem ins Ohr lacht und zur erfolgreichen Vertreibung der fahrlässigen Pyrotechnikerinnen gratuliert.

Es ist die Direktheit und Schlagfertigkeit dieser Dialoge, die einen schon nach wenigen Metern über Stock und Stein in der Isolation versinken lassen. Die Autoren und Entwickler des kleinen kalifornischen Studios Campo Santo haben es geschafft, mit der gewaltigen Schönheit einer stilisierten Natur und Humor ein Umfeld für eine sehr menschliche Begegnung des Unbekannten zu schaffen. Und den perfekten Anlauf für den Moment, in dem man plötzlich vor den Abgründen eben dieser Menschlichkeit steht.

Video: Der erste Tag in "Firewatch".
WIRSPIELEN

Nicht allein im Wald

Denn das Problem mit einem einsamen Geist ist, dass er bei aller Eskapismuskunst nur zu gern zwischen Naivität und Paranoia schwankt. Es wird dunkel und auf dem Weg zurück zum Stützpunkt kündigt sich ein Gewitter an. Man passiert eine versperrte Höhle und beim Aufstieg leitet einem bloß noch der Schein der Taschenlampe durch die Dunkelheit. Man blickt den Berg hinauf und für eine Sekunde steht dort jemand am Ende des Pfades. Zurück im Wachturm findet man ein verwüstetes Domizil vor und den Anfang einer Geschichte, die einen für die nächsten fünf Stunden bis zu ihrem Ende nicht mehr loslässt.

"Firewatch" verzichtet in den über rund fünf Stunden gespannten Episoden auf Actioneinlagen und fesselt einen anstelle dessen mit rätselhaften Ereignissen, die Henry zum Detektiv machen. Während einen im virtuellen Shoshone National Forest, mit seinen lang gezogenen Tälern, romantischen Seen und blühenden Wiesen, die als prachtvolle Ablenkungen dienen, die Wanderlust packt, entfaltet sich ein Krimi samt Schnitzeljagd. Vom Realitätsflüchter wird man zum Gefangenen einer unberührten Schönheit, die sich schleichend zu einem Feuerkessel entwickelt.

Nervenkitzel mit Selbstbestimmung

Ein Waldbrand in der Ferne beginnt, dieses mysteriöse Naturschutzgebiet zu umzingeln. Delilah wandelt sich von der Stimme des Verstandes zur mitleidenden Zeugin. Die Anzahl merkwürdiger Vorkommnisse häuft sich und immer wieder kursieren die gleichen Fragen im Kopf: Was hat es mit dem fremden Mann auf sich? Wer waren diese Mädchen und wer hat randaliert? Und sollte man eine verschlossene Höhle betreten?

Besonders an diesem Nervenkitzel ist, wie er aufgebaut wird. "Firewatch" braucht als modernes Story-Adventure keine stereotypen Helden oder aufwendige Spielmechaniken, um einen vor den Bildschirm zu fesseln und vergeudet keine Minute nur um der Spiellänge Willen. Anstelle dessen wird man Teil einer Welt und eines Storygeflechts, das einem nahegeht, permanent auf Trab hält und zumindest den Anschein hat, selbstbestimmt zu sein. So darf das Areal frei erkundet werden und verschiedene Antwortmöglichkeiten färben den Beziehungston zwischen Henry und Delilah, wenngleich der Ablauf der Geschichte sich damit nicht dramatisch ändern lässt.

Campo Santo Productions

Technik-Check

"Firewatch" bietet eine bildschöne offene Videospielwelt auf Basis der Unity-Engine. Die getestete PS4-Version lief weitgehend gut, allerdings waren Bildrateneinbrüche bei den Autospeicherpunkten zu verzeichnen. Nachdem es nicht auf Reaktionsschnelligkeit ankommt, fiel dies jedoch nicht gravierend ins Gewicht. Ein Patch für den Feinschliff könnte dennoch nicht schaden, um allfällige Stotterer auszumerzen. Wer das Spiel mit einer Auflösung von mehr als 1080p und mehr als 30 Bildern pro Sekunde erleben möchte, benötigt laut den Entwicklern einen nicht näher spezifizierten "leistungsstarken" PC. Die Minimalanforderungen sehen einen Rechner mit Intel Core i3-Prozessor, eine Geforce GTS 450 (v4)-Grafikkarte sowie 6GB Arbeitsspeicher vor.

Fazit

Eine eingeschränkte Entscheidungsfreiheit und kleine technische Schnitzer ändern letztendlich nichts an der Freude, im Wald nach allen Hinweisen zu suchen. Henry ist witzig und wir lachen, Henry ist depressiv und wir sind es auch. Henry bekommt Panik und wir rennen mit ihm davon. Und selbst wenn die eigentliche Spielmechanik abseits der Erkundung und der Dialoge im Vergleich zu traditionelleren Games seicht ausfällt, ist "Firewatch" vom rührenden Prolog bis zum Finale ein brillant zum Spiel erweckter und erfrischend menschlicher Thriller. Ein neuer narrativer Lichtblick am Spielehorizont.

Ach, eines noch: Im Spiel erhalten Sie eine Kamera. Vergessen Sie nicht, viele Fotos zu schießen. Denn an diesen Erinnerungen werden Sie festhalten wollen. (Zsolt Wilhelm, 9.2.2016)

"Firewatch" erscheint am 9. Februar für Windows-PC, Mac, Linux und PlayStation 4. UVP: 19,99 Euro.