Ein Bild von Mitte November 2015 zeigt Sultan Qabus bei der Eröffnung des Parlaments in Maskat. Der Oman ist eine absolutistische Monarchie, aber nach und nach führte Qabus Institutionen ein.

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Maskat/Wien – Vor gut einem Jahr waren der Oman und seine Zukunft in den internationalen Medien plötzlich Thema: Sultan Qabus bin Said hatte erstmals den Nationalfeiertag und seinen Geburtstag im November 2014, den 75., im Ausland verbracht und in einer TV-Rede seinen Landsleuten mitgeteilt, er könne "aus den Gründen, die Sie kennen", nicht nach Hause kommen. Die "Gründe" kannten in der Tat alle Omanis, auch wenn sie niemand offiziell aussprach: eine Darmkrebserkrankung des seit 1970 regierenden Sultans, die in Deutschland behandelt wurde.

Qabus kehrte schlussendlich im März 2015 nach achtmonatiger Abwesenheit nach Maskat zurück, danach war er selten, aber doch in der Öffentlichkeit zu sehen. Am Wochenende hat er den Oman wieder Richtung München verlassen, Routinechecks, wie es heißt. Aber einmal mehr wird dadurch in Erinnerung gerufen, dass im Oman – gelegen in einer instabilen Region an der Straße von Hormuz, mit dem Kriegsland Jemen im Süden – die Nachfolgefrage ungeklärt ist. Oder zumindest sein dürfte, denn man weiß ja nicht, ob nicht angesichts der langen Krankheit Qabus’ im Hintergrund doch bereits Entscheidungen gefällt wurden.

Kinderlos und keine Brüder

Im 1996 von oben verordneten omanischen Grundgesetz steht, dass der neue Sultan ein männlicher muslimischer Nachkomme von Sultan Turki bin Said (1871– 88) sein und omanische muslimische Eltern haben muss. Im Fall des Ablebens von Qabus, dessen kurze Ehe kinderlos blieb und der auch keine Brüder hat, würde der Familienrat zusammentreten und versuchen, sich auf einen Sultan zu einigen. Gelingt das innerhalb von drei Tagen nicht, tritt der Verteidigungsrat, das Parlament und drei Höchstrichter zusammen, um jene Person als Herrscher zu bestätigen, deren Name Qabus in einem Briefkuvert hinterlassen hat.

Beziehungsweise in zwei Briefen, die an verschiedenen Orten (Maskat und Salalah) deponiert sind, wie er 1997 selbst sagte: Und es handelt sich auch nicht nur um einen Namen, sondern um zwei, deren Abfolge allerdings die Präferenzen Qabus’ anzeigt.

Frage der Legitimität

Das kann ohne Probleme vonstattengehen, aber in einer Region, in der derzeit alle Konfliktlinien aufzubrechen scheinen, die es nur gibt, kann das auch schiefgehen. Sultan Qabus hat den modernen Oman, der für die meisten seiner Bürger ein Wohlfahrtsstaat ist, geschaffen und ist sehr beliebt – aber sogar er war immer wieder mit Umsturzversuchen (Mitte der 1990er-Jahre und 2005, beide religiös motiviert) und Missmut konfrontiert. Ob sein Nachfolger ad hoc mit der nötigen Legitimität innerhalb und außerhalb der Familie ausgestattet wäre, um einen ruhigen Übergang zu managen, bleibt zu sehen.

Als Begründung für Qabus’ Vorgangsweise wird stets angeführt, dass er Rivalitäten im Vorfeld verhindern wollte. Eine andere Befürchtung soll gewesen sein, dass äußere Kräfte versuchen, seinen designierten Nachfolger zum Träger ihrer Interessen zu machen. Wie weit das mit der depressiven Persönlichkeitsstruktur Qabus’ zu tun hat – wie weit er fürchtete, das Schicksal seines Vaters zu erleiden, den er selbst 1970 ins Exil schickte –, kann man nur vermuten. Der Preis ist, dass verhindert wurde, dass ein Nachfolger Autorität aufbauen konnte.

Wer aber sind die Namen, die in Qabus’ Kuverts stehen? Es werden im Allgemeinen drei Cousins genannt, und zwar die Söhne seines Onkels, des Bruders seines Vaters, Tariq bin Taimur. Dieser war nach dem Umsturz 1970 kurz Premierminister.

Die drei Meistgenannten

Die drei sind: Asaad bin Tariq (geboren 1954), Berater des Sultans; sein Halbbruder Haitham (geb. ebenfalls1954), Minister für Kultur und nationales Erbe; und dessen Bruder Shihab (geb. 1955), ebenfalls in einer Beraterfunktion, bis 2004 war er Chef der Marine.

Alle drei sind auch Geschäftsmänner – und dass Sultan Qabus eine Clique um sich herum reich werden ließ, ist einer der Gründe für die Unzufriedenheit mit Korruption und Missmanagement, die sich in überraschend starken Protesten im Rahmen des Arabischen Frühlings 2011 Bahn brach.

Besondere Rolle des Landes

Die omanische Führung reagierte damals nicht anders als die anderer klientelistischer Staaten: Sie versuchte, die Untertanen mit Zuwendungen ruhigzustellen. So wurden in einer Zeit, in der die Mündigkeit der neuen Generation von Omanis eigentlich das Staatsziel war, 50.000 weitere Staatsstellen geschaffen. Für Jobs soll auf dem Umweg über Großprojekte gesorgt werden. All das ist in Zeiten eines extrem niedrigen Ölpreises, bei im Vergleich mit anderen Golfstaaten mäßigen Ölvorkommen des Oman, schwierig und wenig nachhaltig.

Wenn man an die Zukunft des Oman denkt, so darf aber auch ein Alleinstellungsmerkmal des Landes nicht fehlen: die omanische Diplomatie. Sie spielt nicht nur bei regionalen Konflikten eine Rolle: So fanden etwa die US-iranischen Vorbereitungen zu den späteren Atomverhandlungen ab 2012 im Oman statt. Profiteure sind aber auch Länder wie das ferne Österreich, wenn es darum geht, entführte Staatsbürger – Stichwort Jemen – wieder heimzuholen. Den arabischen Brüdern am Golf ist es nicht immer recht, dass sich der Oman – der auch eine eigene Variante des Islam, die Ibadiya, hat – nicht völlig vereinnahmen lässt. Aber die Region profitiert davon. (Gudrun Harrer, 17.2.2016)