Gemäß dem Acht-Jahre-Zyklus hätte der Expertenrat (eigentlich Versammlung der Experten) bereits 2014 oder 2015 gewählt werden sollen, aber aus Kostengründen – und wohl auch, um die Wahlbeteiligung zu maximieren – wurde mit den Parlamentswahlen 2016 gleichgezogen. Zu vergeben sind 88 Sitze. Das Kandidatenangebot ist mit 161 nicht besonders groß, der Wächterrat hat es von etwa 800 Aspiranten auf diese Zahl zusammengehackt. Der prominenteste Ausgeschlossene ist Hassan Khomeini, ein Enkel des Revolutionsführers von 1979.

In und außerhalb des Iran ziehen die heurigen Expertenratswahlen mehr Aufmerksamkeit auf sich als frühere. Das liegt zum Ersten daran, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass das auf acht Jahre gewählte neue Gremium seine Kernaufgabe wird ausüben müssen: die Wahl eines neuen "Obersten Rechtsgelehrten" beziehungsweise religiösen Führers der Islamischen Republik. Ayatollah Ali Khamenei wird im Sommer 77, und er gilt als gesundheitlich angeschlagen.

Der zweite Grund ist der Richtungsstreit zwischen Pragmatikern und Ideologen, den ein prominentes Expertenratsmitglied bei diesen Wahlen geradezu zu provozieren scheint: Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, iranischer Präsident von 1989 bis 1997, Expertenratsvorsitzender 2007 bis 2011, aktuell Schlichtungsratsvorsitzender. Er war es, der in einem Interview die ganze aktuelle Konstruktion mehr oder weniger infrage zu stellen schien: Es sei denkbar, dass der Expertenrat in Zukunft nicht einen höchsten Rechtsgelehrten, sondern ein Kollektiv an die Staatsspitze bestellen könnte.

Theoretisch mächtig

Rafsanjani erinnerte auch daran, dass der Expertenrat seine Aufgabe, den religiösen Führer und dessen Institutionen zu kontrollieren, unter Khamenei nie wahrgenommen hat. Es ist tatsächlich eine fast kuriose Tatsache, dass das so mächtige Gremium seine Macht eigentlich nie unabhängig eingesetzt hat – was bei einem selbsttragenden System wie dem der Islamischen Republik allerdings keine wirkliche Überraschung ist. Die Expertenratsangehörigen sind Khamenei viel zu treu ergeben, um etwas zu hinterfragen.

Absetzung Montazeris

Bei dessen Wahl nach Khomeinis Tod 1989 hat zwar der Expertenrat für Khamenei entschieden – aber als Strippenzieher der Wahl galt stets Hashemi Rafsanjani. Unter Khomeini hat der Expertenrat einmal in die Führung eingegriffen, aber damals ganz in Khomeinis Sinne: 1985 war Ayatollah Hossein Ali Montazeri zum Stellvertreter Khomeinis und damit zu dessen designiertem Nachfolger bestellt worden. 1989 zerwarfen sich die beiden, kurz vor Khomeinis Tod setzte der Expertenrat Montazeri ab (er starb 2009).

Eine offene Diskussion über die Nachfolge Khameneis und die Optionen findet nicht statt, aber die Frage ist der Elefant im Zimmer. Rafsanjani war auch derjenige, der versucht hat, "neue" Kandidaten ins Spiel zu bringen, die die einheitliche konservative Front im Expertenrat aufmischen könnten. So soll auch er auf Hassan Khomeini gekommen sein.

Das Zerwürfnis ist abgebildet dadurch, dass Rafsanjani mit einer eigenen Liste bei der Wahl separate Wege geht: Er scheint nicht als Kandidat in der "Prominenten"-Liste auf und die Prominenten nicht auf seiner: etwa Expertenratsvorsitzender Mohammed Yazdi, Wächterratsvorsitzender Ahmad Jannati, der gestrenge Freitagsprediger Ahmad Khatami, der frühere Mentor von Präsident Mohammed Ahmadi-Nejad, Mohammed Taghi Mesbah Yazdi. Besonders in Teheran ist Hashemi Rafsanjani stark aufgestellt, einer der Kandidaten ist Präsident Hassan Rohani, der wie Rafsanjani bereits im Rat sitzt.

Unter den Kandidaten gibt es dieses Jahr einen 24-Jährigen, in Ghom, der Stadt der Ayatollahs. Auch 16 Frauen hatten sich registrieren lassen, zehn davon wurden zum Test, den die Kandidaten absolvieren müssen, eingeladen, aber bestätigt wurde keine. (Gudrun Harrer, 23.2.2016)